Lohnt sich ein China-Smartphone für 60 Euro?

  29 April 2016    Gelesen: 1366
Lohnt sich ein China-Smartphone für 60 Euro?
Müssen gute Smartphones immer teuer sein? Das Doogee X5 lockt mit einem Preis von 60 Euro. Ist das China-Handy ein absoluter Billigheimer oder ein echter Spartipp? Die Antwort gibt es im Test.
Immer häufiger schwappen günstige Smartphones unter 70 Euro nach Deutschland. Versucht man, die hohe Anzahl an Amazon-Rezensionen zu deuten, scheint das Doogee X5 – anders als das 55-Euro-Handy Jiake N9200 – hartgesottenen Schnäppchenjägern durchaus ein Begriff zu sein. "Computer Bild" hat es getestet.

Das schwarze Kunststoff-Smartphone ist in etwa so groß wie ein Samsung Galaxy S5, wiegt aber deutlich mehr. Optisch erinnert das Gerät an die Smartphones von Medion – besonders die hervorstehende Kante am Übergang von der Vorder- zur Rückseite ähnelt dem Aufbau von Handys wie dem Medion Life X6001.

Die Frontseite ist recht schlicht gestaltet: Auch auf den zweiten Blick gibt es außer den drei Sensortasten unter dem Display und dem etwas breiten Rahmen nicht viel zu entdecken. Auf der Rückseite verzichtet Doogee ebenfalls auf viel Schnickschnack: Die Kamera kommt in die Ecke links oben, der Schriftzug in die Mitte, fertig.

Der Smartphone-Rücken ist abnehmbar und verbirgt einen wechselbaren Akku sowie Fächer für eine microSD- und zwei Micro-SIM-Karten für die Dual-SIM-Funktion. Das Gehäuse wirkt sehr robust. Die Tasten für die Lautstärke und zum Einschalten sind gut verarbeitet und überzeugen mit einem angenehmen Druckpunkt. Beim Bedienen liegt das Smartphone aber etwas klobig in der Hand.

Spiegel-Display mit ordentlicher Auflösung

Das Display des Doogee X5 ist 5 Zoll (12,7 Zentimeter) groß, löst in HD (1280x720 Pixel) auf und sitzt sehr weit unter dem Glas. Darstellungen sind nicht knackig scharf, für ein so günstiges Gerät erledigt das Doogee X5 seinen Job aber gut.

Auch beim Kontrast sowie bei der Helligkeit und der Anzeige von Farben erlaubt sich das Smartphone keine groben Schnitzer. Das Display ist aber ein Fest für die Spurensicherung, denn Fingerabdrücke zieht es magisch an. Das fällt bei hohem Umgebungslicht umso mehr auf, da der Bildschirm sehr stark spiegelt. Dafür ist der Blickwinkel erfreulich groß, und das Display reagiert präzise auf Eingaben.

Bloatware-freie Oberfläche

Auf dem Doogee X5 läuft Android in der nicht mehr ganz aktuellen Version 5.1 Lollipop. Wie schon beim Jiake N9200 fehlt beim ersten Start des Smartphones ein Einrichtungsassistent – ärgerlich, denn dadurch muss der Nutzer viele Einstellung nachträglich manuell vornehmen. Die Bedienoberfläche ist zudem eher zweckmäßig als hübsch.

Gut allerdings: Überflüssige Programme, die Sie nicht brauchen (sogenannte Bloatware), sind nicht einmal mit der Lupe zu finden. Die Akkukapazität liegt bei 2400 Milliamperestunden – für ein Einsteiger-Smartphone ist das absolut in Ordnung. Verbindungen stellt das Gerät per WLAN im älteren n-Standard auf dem 2,4-Gigahertz-Band sowie per Bluetooth 4.0 her.

Die schnelle Datenverbindung LTE und NFC unterstützt das Doogee X5 nicht. Zum Lieferumfang gehört neben einem Putztuch auch ein Display-Stift. Dafür fehlt das fast schon obligatorische Paar Kopfhörer.

Gemächliches Arbeitstempo

Im Doogee X5 steckt der Vierkern-Prozessor MT6580 von Mediatek, der mit bis zu 1,5 Gigahertz taktet. Ihm steht die Grafik-Einheit Mali 400 zur Seite. Mit den schnellen Prozessoren aktueller Top-Smartphones kann das günstige Gerät erwartungsgemäß nicht mithalten.

So landet es in den Benchmark-Tests Geekbench 3 und GFXBench hinter dem recht betagten SamsungGalaxy S3. Bei grafisch anspruchsvollen Games wie "N.O.V.A. 3" stören heftige Ruckler immer wieder den Spielfluss. Bei der alltäglichen Bedienung fällt die langsame Prozessorleistung allerdings kaum ins Gewicht.

Wenig freier Speicherplatz

Der Arbeitsspeicher im Doogee X5 beläuft sich auf gerade einmal 1 Gigabyte. Die Größe des internen Speichers ist auch wenig beeindruckend: Von insgesamt 8 Gigabyte verbleiben nur etwa 4,5 Gigabyte. Immerhin lässt sich der Speicherplatz mit einer microSD-Karte auf bis zu 40 Gigabyte erweitern.

Willkommen in Silent Hill

Die Hauptkamera im Doogee X5 verfügt über 8 Megapixel und überzeugt keinesfalls! Ist die langsame Kamera-App erst einmal gestartet, fällt das spiegelnde Display bei Außenaufnahmen unangenehm auf – bei Sonnenschein wird das Abfotografieren des Motivs fast zum Glücksspiel.

Zudem hüllt die Kamera alle Aufnahmen in einen gespenstischen Nebel, sodass jedes Foto als Promo-Bild für die nächste Verfilmung der Videospielserie "Silent Hill" herhalten könnte. Unschärfe, starkes Bildrauschen, blasse Farben und Überbelichtung machen jeden Profi-Fotografen zum Knipser-Neuling.

Der HDR-Modus des Geräts verschlimmert vieles nur. Bei Innenaufnahmen ziehen die verfälschten Farben hingegen noch größere Aufmerksamkeit auf sich: Detailaufnahmen zeigen eine rosafarbene Blumenblüte, wo zuvor eine gelbe war, ein grauer Hintergrund erscheint blau.

Apropos Farben: Die sind bei der 5-Megapixel-Frontkamera beinahe gar nicht zu erkennen. Die Folge sind stark verrauschte Selfies in Fast-Schwarz-Weiß. Videos mit der Rückkamera sind außerdem unscharf und zeichnen schnelle Bewegungen sehr verwischt auf. Beispielfotos, auch vom Foto-Vergleichsgerät LG V10, finden Sie unter dem Artikel zum Download.

Fazit: Wer nur ein Smartphone zum Telefonieren und für WhatsApp braucht, könnte dem Doogee X5 gerade noch etwas abgewinnen. Alle anderen dürften sich an dem Spiegel-Display, der schwachen Prozessorleistung, den schlechten Kameras und dem geringen Speicherplatz stören. Immerhin bietet das günstige 60-Euro-Gerät (Stand: 20. April 2016) einen Wechsel-Akku, eine Dual-SIM-Funktion sowie einen recht ordentlich auflösenden Bildschirm.

Stärken: Wechselbarer Akku, Dual SIM, robuste Verarbeitung

Schwächen: Stark spiegelndes Display, klobige Haptik, langsamer Prozessor, wenig Speicherplatz, schwache Kameras

Einschätzung: ausreichend

Quelle : welt.de

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