Russland bangt um Ziegenbock Timur
Timurs Zustand sei "sehr ernst", sagte ein Tierarzt einer russischen Tageszeitung. Die Geschichte klingt unglaublich, und russische Medien berichten jedes Detail über den Zustand des Ziegenbocks. So erfahren die Leser, dass Timur in einem mit Stroh ausgelegten Käfig nach Moskau gebracht wird, Berichten zufolge knabbert er dabei an einem Kohlkopf. Doch warum der Hype um einen Ziegenbock?
Zoff in der Tier-WG
Der knapp zwei Jahre alte Timur ist seit Monaten weltweit in den Schlagzeilen. Grund ist seine vermeintliche Freundschaft zum Tiger Amur. Im November stand die Ziege in der Hafenstadt Wladiwostok auf dem Speiseplan des Tigers. Der Bock blieb jedoch am Leben. Das ungleiche Paar lebte daraufhin im selben Gehege - ein gefundenes Fressen für die Medien.
Doch dann endet die Zoo-WG abrupt: Amur holt aus und verletzt Timur schwer. Knochen knacken, Blut fließt. Trotz Behandlung in der Provinz kann sich der Ziegenbock nicht erholen, die Wunde infiziert sich. Der behandelnde Tierarzt spricht von einer Operation, "die nur Spezialisten in Moskau vornehmen können". Also beseitigen die Ärzte in der rund 10.000 Kilometer entfernten Hauptstadt Knochensplitter, mit Hilfe eines Computertomographen untersuchen sie die Verletzungen des Tiers. "Die Behandlung von Timur wird mindestens einen Monat dauern", sagt Zoodirektor Dmitri Mesenzew. Er begleitet den Ziegenbock auf der Reise nach Moskau.
Musicals und Kaffeetassen
Timur ist für den Zoo wichtig: Er ist Aushängeschild und zusätzliche Einnahmequelle. Der sibirische Tiger Amur ist selbst auch eine Rarität. Die seltene Raubkatzenart ist vom Aussterben bedroht. Nach Schätzung der Umweltschutzorganisation WWF leben in Russland nur noch etwa 500 sibirische Tiger. So reisen Tausende Besucher und internationale Medien in die abgelegene Region, um das ungleiche Duo zu sehen.
Die Wohngemeinschaft des Raubtiers mit dem Bock macht den Zoo weltbekannt. Inzwischen vermarktet er Amur und Timur als Konterfei auf Schlüsselanhängern, Tassen oder Computerzubehör. "Mit diesen Einnahmen wird nun auch Timurs Behandlung durch die Spezialisten finanziert", erklärt der Zoodirektor. Die Kosten für die Reise und medizinische Betreuung wollte er jedoch nicht nennen.
Der Heldenstatus beim russischen Publikum ist Timur nach dem blutigen Streit sicher: In Chabarowsk an der chinesischen Grenze inszenieren Künstler bereits ein Musical über die vermeintliche Tierfreundschaft mit dem Titel "Wie sich Amur und Timur kennenlernten". Mit Dialogen und aufwendigen Kostümen wird die Geschichte der beiden nacherzählt. "Geburt, Aufzucht, Ernährung und erste Liebe" - titelt das Theater. Es soll ein Spektakel für die ganze Familie sein. Zusätzlich ist in Moskau eine Zeichentrick-Produktion über das Duo geplant. Auch für Amur soll es ein Happy End geben. Für ihn wurde nach einer Partnerin gesucht. Tigerweibchen Ussuri aus dem benachbarten Zoo soll demnächst in das Gehege einziehen.
Quelle: n-tv.de , Claudia Thaler, dpa