Für dieses Telefonat hätte Europa sich rüsten müssen

  13 Februar 2025    Gelesen: 81
  Für dieses Telefonat hätte Europa sich rüsten müssen

Trump telefoniert mit Putin und zeigt sich hinterher sehr zufrieden. Was Europa von den US-Plänen für die Ukraine hält, ist den Amerikanern ziemlich egal. Wundern sollte sich darüber niemand, die Europäer haben sich selbst verzwergt.

Na, da wird das kommende Wochenende in München für manch europäischen Spitzenpolitiker vielleicht zeitlich entspannter: Klar können sich Kanzler Olaf Scholz, Verteidigungsminister Boris Pistorius, CDU-Chef Friedrich Merz und andere ranghohe Regierungsvertreter von EU-Staaten noch wie geplant mit Vertretern der US-Regierung treffen, wenn die Münchner Sicherheitskonferenz ab Freitag tagt. Über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine müssen sie aber wohl nicht mehr diskutieren. Da scheint seit gestern Abend im Groben alles entschieden. Ohne Kiew - und ohne die europäischen Partner.

Immerhin, nachdem US-Präsident Donald Trump fast anderthalb Stunden mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin telefoniert und den Beginn von Ukraine-Verhandlungen vereinbart hatte, ließ er sich auch noch mit Wolodymyr Selenskyj verbinden. Der Präsident der Ukraine wurde unterrichtet über das "produktive" (so Trump) Gespräch zwischen Washington und Moskau.

Warum sich der US-amerikanische und der russische Präsident fernmündlich wohl so gut verstanden haben? Das wird deutlich, wenn man sich die jüngsten Aussagen von Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth vor Augen führt: NATO-Mitgliedschaft der Ukraine - unrealistisch, Befreiung aller seit 2014 von Russland besetzten Gebiete - illusorisch, Absicherung der ukrainischen Grenze nach Kriegsende - nicht Sache der USA.

Donald Trump geht es darum, den Ukraine-Krieg möglichst schnell und mit Nutzen für die Vereinigten Staaten zu beenden. Zu welchen Konditionen die Ukrainer die Waffen in ihrem Verteidigungskampf niederlegen, ist dabei nicht entscheidend. Gut für Putin. Die Leitung der konkreten Verhandlungen überlässt Trump einem Quartett um Außenminister Marco Rubio. Der stärker pro-ukrainisch ausgerichtete Sondergesandte Keith Kellogg ist nicht Teil des Teams.

Trump kann auch mit Putin gut

Ein Verbündeter der Ukraine waren die USA auch zu Zeiten von Joe Bidens Präsidentschaft nicht, dazu reichte die Hilfe zu keinem Zeitpunkt aus. Unter Trump entwickeln sie sich innerhalb weniger Wochen vom unterstützenden Partner zum neutralen Moderator. Dealing Donald kann mit beiden Seiten gut.

Wer sich jetzt auf europäischer Ebene schockiert und überrascht gibt, hat wohl sehr viel Aufwand in den vergangenen vier Jahren betrieben, um die Warnungen vor einem solchen Szenario stoisch zu überhören. Nun wird es höchstwahrscheinlich Wirklichkeit. Das lässt die Ukraine nahezu blank dastehen.

Wenn die deutsche Außenministerin mit Blick auf die zwischen Trump und Putin vereinbarten Verhandlungen zum x-ten Mal sagt, Frieden werde "nur gelingen, wenn die Ukraine eine bestmögliche Verhandlungsposition hat", dann hat man schon fast Mitleid mit der Riege europäischer Regierungen, die drei Jahre lang in ihren Äußerungen redundant ukrainische Stärke beschworen, ohne diese auch nur einmal ausreichend mit Waffenlieferungen zu unterfüttern.

Statt den USA verantwortungsvoll und auf Augenhöhe zu begegnen, haben die Europäer sich selbst verzwergt. So passten sie - wie Olaf Scholz - bequem hinter den starken Partner aus Übersee. Die Baltenstaaten bildeten die Ausnahme.

Gemeinsam hat man die Ukraine am Leben gehalten, aber zu keinem Moment wirklich stark gemacht. Und - noch schwerer nachvollziehbar - sich selbst auch nicht.

150.000 Soldaten - keine Fantasiezahl

Die kommenden Monate und Jahre versprechen ungemütlich und rau zu werden. EU-Staaten, die 30 Jahre lang deutlich zu wenig für die eigene Wehrhaftigkeit taten, werden sich darauf einigen müssen, was sie von dem Wenigen zur künftigen Grenzsicherung der Ukraine abzwacken wollen. Wer 150.000 Soldaten für eine Fantasie-Zahl hält, sollte sich in Erinnerung rufen, dass die Friedenstruppe im kleinen Kosovo schon 50.000 Streitkräfte umfasste. Wo das Dreifache davon herkommen soll, ist schwer vorstellbar.

Ebenso fraglich ist, ob die Europäer nun in kurzer Zeit die Kraft entwickeln können, um sich auch für ihren eigenen Schutz unabhängiger von den USA zu machen. Denn Trumps positive Bilanz des Telefonats mit Putin zeugt kaum von dessen echter Verhandlungsbereitschaft.

Viel mehr deutet es darauf hin, dass zwischen beiden Staatschefs eine gewisse Chemie stimmt und der US-Präsident die kategorische Ablehnung Putins als skrupelloser Aggressor und Völkerrechtsbrecher nicht teilt. Wie dieser zukünftig in Europa in Schach gehalten wird, auch das wird Sache der Europäer sein.

Alles kommt anscheinend so, wie es in negativen Szenarien beschrieben wurde. Das sind solche Szenarien, auf die sich Politik vorbereitet. Falls die Verantwortlichen vorausschauend handeln. Tun sie das nicht, dann versuchen sie auf den letzten Drücker, bei den Akteuren ihren kaum mehr vorhandenen Einfluss geltend zu machen. Aller Voraussicht nach ohne Effekt. Zu wenig und spät - sie könnten es also ebenso gut bleiben lassen - etwa am kommenden Wochenende in München.

Quelle: ntv.de


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