Volkswagen ist zwar irgendwie eine Marke fürs Volk (auch wenn die Preise meist nicht volkstümlich sind), aber es gab mal ein anderes Volkswagen als heute. Vor dem Downsizing- und Elektrotrend war im stärksten Golf einst ein Sechszylinder. Gab es Cabrios mit hubraumstarken V6, und im Passat war dieses Triebwerk ebenfalls. Und es gab mal den luxuriösen Phaeton mit Acht- und Zwölfzylindern.
Und heute? Dominieren in der Markenwahrnehmung vor allem die ID-Modelle sowie Offerten wie Golf, Passat oder Tiguan respektive T-Roc mit jenen wenig emotionalen Motoren. Überhaupt fragt man sich, wie lange es noch Verbrenner und vor allem begehrenswerte Verbrenner bei Volkswagen gibt.
Noch jedenfalls kann Volkswagen mitnichten bloß Brot- und Butter-Autos. Da wären beispielsweise die burschikosen sowie die feinen Allradler à la Amarok und Touareg. Und hier setzen die Wolfsburger sehr wohl weiterhin auf Sechszylinder. Doch welchen nehmen, Amarok oder Touareg?
Abgesehen vom Allradantrieb und der Zylinderzahl, die nach wie vor eine große Fanbase mobilisiert, sieht es mager aus mit verbindenden Elementen. In einem Punkt stehen sich die beiden Offerten sogar diametral gegenüber, was aber gut ist für die Entscheidungsfindung. Dass der aktuelle Amarok ein Kooperationsprodukt gemeinsam mit Ford ist, erkennen übrigens nur Interessenten mit Ford-Markenkenntnissen. Armaturentafel und Display tragen die Ford-Handschrift, während die üppigen Sitze typisch Volkswagen sind. Ist nicht so glamourös gelöst wie im Touareg (dazu später mehr), aber geht schon klar.
Der Amarok ist komfortabel, aber mitunter störrisch
An Sitzkomfort mangelt es dem Amarok jedenfalls nicht, wenngleich das Handling- und Komfortkapitel modellspezifisch völlig unterschiedlich abgeschlossen wird. Was an der Motorisierung sowie am Fahrwerk respektive der ganzen Fahrzeugart liegt. Lass also mal den sechszylindrigen Ford-Dreiliter starten. Richtig gelesen, der Treibsatz entstammt samt angeflanschter Zehngang-Wandlerautomatik dem Ford-Regal. Macht nichts, schnarrend-zurückhaltenden, ja, kultivierten Sound liefert er, und darum geht es doch.
Burschikos aber agiert die nichtsdestotrotz nobel ausstaffierte Doppelkabine trotzdem, denn das stabile Leiterrahmen-Ungetüm ist sozusagen primär für schwierige Wegstrecken (800 Millimeter Wattiefe) ausgelegt. Mit den erweitert zuschaltbaren Allradmodi samt diversen Differenzialsperren liegen die Skills mehr beim Bewältigen unwegsamer Passagen als bei der gepflegten Fortbewegung auf glattem Asphalt.
Die Lenkung indifferent, der Wendekreis riesig mit 13 Metern. Ein Parkhaus steuere ich besser nicht an mit dem cool aussehenden 2,4-Tonnen-Arbeitstier (nicht zuletzt der Riesenradstand von 3,27 Metern macht ihn sperrig), das dank 600 Newtonmetern mühelos 3,5 Tonnen hinter sich herzieht und noch rund 1 Tonne einladen darf on top. Dafür schlucken die langen Federwege Bodenwellen aller Art so derart mühelos weg, dass du unverschämt schnell über Temposchwellen wetzen kannst (was ungut wäre in der 30er-Zone).
Touareg ist Gentleman
Zugegeben, an den Coolnessfaktor des 241 PS starken Amarok kommt der Touareg nicht heran, wenngleich das alternde Modell (im siebten Jahr auf dem Markt) seit der letzten Auffrischung ein paar Gimmicks verpasst bekommen hat, die definitiv Aufmerksamkeit auf der Straße erheischen: Das rot illuminierte Markenlogo auf dem Heckdeckel mitsamt dem beleuchteten Band gehört dazu. Dafür ist der konservativ-zurückhaltend gezeichnete Geländewagen so ein ultrafeiner Gentleman, dass er als Alternative für besonders kultiviertes Reisen in Betracht gezogen werden könnte.
Was der aktuelle Touareg so kann bezüglich leiser und sämiger Fortbewegung, liegt durchaus im Bereich dessen, was einst der ungleich edlere Phaeton zustande brachte. In dem 4,90-Meter-SUV sitzt du nicht bloß komfortabel in den Sesseln; es herrscht auch Ruhe selbst bei Autobahntempos jenseits der Richtgeschwindigkeit. Und die erreicht der hier angetretene Hybrid in der R-Version (462 PS Systemleistung und 700 Newtonmeter Drehmoment) ziemlich flugs. Bis 100 km/h braucht er lediglich 5,1 Sekunden - Topspeed 250 km/h. Dagegen ist der Amarok mit 8,8 Sekunden und 190 Sachen eine Wanderdüne. Dabei fühlt sich der Geländegänger nicht sportlich-ruppig, sondern maximal sanft an. Etikettenschwindel? Immerhin klingt "Touareg R" ja schon rau. Fehlanzeige.
Verrückterweise lässt sich im Konfigurator für den "R" weder Hinterachslenkung noch Wankausgleich anwählen, dafür ist die adaptive Luftfederung serienmäßig. Anderseits animiert der 2,5-Tonner nicht dazu, ihn besonders fetzig um die Ecken zu werfen. Er fährt in jeder Hinsicht gediegen, vor allem aber lässt sich dieses Adjektiv auf den Antriebsstrang anwenden. Denn immerhin müssen der 340 PS starke Dreiliter-Sechszylinder-Benziner sowie ein 136 PS starker Elektromotor über eine Achtgang-Automatik zusammengebracht werden. Da ist schon reichlich Potenzial für Zugkraftunterbrechungen vorhanden. Passiert aber nicht, der Riese agiert souverän. Und das bei sonorer bis kerniger Soundkulisse, falls das komplette Drehzahlband genutzt wird.
An dieser Stelle ist natürlich auch über den elektrischen Part zu sprechen. Oder vielleicht lieber doch nicht? Weil er ein nur halbherziger Plug-in-Hybrid ist für heutige Verhältnisse, dessen rund 18 kWh Brutto-Akkukapazität im Nu aufgebraucht ist. Schließlich wandert die Power durch den kompletten Strang inklusive Verteilergetriebe. So kommt der stromernde Touareg zwar auf 135 Sachen, aber in der Praxis fährt er kaum 50 Kilometer weit. Da geht heute mehr. Dass bei dem älteren Elektropackage keine DC-Schnellladefunktion implementiert wurde, kann man wohl verschmerzen.
Riesiger Screen im Touareg beeindruckt
Der Touareg ist am Ende ein ziemlich geräumiger Tourer. Aber nicht nur deshalb macht es Laune, in der ersten Reihe links zu hocken. Das etwas zum Fahrer hingewandte übergroße Display in der Mittelkonsole (wie vor langer Zeit bei BMW) verschmilzt quasi mit dem Kombiinstrument - die Rede ist von einem einzigen Monitorkomplex. Hier läuft übrigens das gleiche Betriebssystem wie inzwischen bei ID, Tiguan und Co. - bloß, dass die Menüs viel ausladender sind aufgrund der Screen-Größe. Und das macht die ohnehin schon intuitive Bedienerstruktur noch angenehmer in der Handhabe.
Ein paar versprengte physische Tasten ergänzen die Kommandozentrale. Witzig sind die Drehregler - nicht nur für den Fahrmodus verantwortlich, sondern auch zum Verstellen des Fahrzeugniveaus. Schön zum Spielen an der Ampel (man kann den Touareg auf diese Weise anheben und wieder absenken). Übrigens bekräftigen knapp 1700 Liter Gepäckraumvolumen und 3,5 Tonnen Anhängelast auch noch einmal den Nutzwertfaktor eines Touareg.
Mit Amarok V6 TDI und Touareg R (V6 TSI) bietet das Volkswagen-Portfolio jedenfalls zwei emotionale Topmodelle - in völlig unterschiedlicher Positionierung. Für den 5,35 Meter langen Pick-up musst du schon Fan sein, es mögen, wenn der störrische Halb-Personenwagen (die andere Hälfte ist Transporter) beim Lenkeinschlag verspannt und damit bedeutet, lieber im unbefestigten Terrain unterwegs zu sein. Dennoch verfügt das Topmodell über permanenten Allrad.
Der geschmeidige Touareg gibt dagegen den unscheinbaren Kandidaten, den auch jeder spielend fahren kann ohne Einbußen im Handling. Dabei sind beide unglaubliche Arbeitsesel, wenn es sein muss. Zum Schluss noch fix das unangenehmste Kapitel abgehandelt, die Preispolitik. Für einen Basis-Amarok werden mindestens 50.444 Euro fällig, während der hier als V6 TDI Aventura antretende Kandidat stramme 74.799 Euro kostet. Darüber können Touareg-Kunden nur müde lächeln: Als "R" müssen sie gewaltige 100.280 Euro an den Händler überweisen. Wobei es günstiger geht, denn die Baureihe startet ab 73.765 Euro. Volkswagen kann also nicht nur volkstümlich, sondern auch veritablen Luxus.
Quelle: ntv.de
Tags: