Ford in Köln muss sich in letzter Zeit den Vorwurf gefallen lassen, keine günstige Einstiegsmobilität mehr anzubieten. Das mag auf den ersten Blick zutreffend sein, zumal ehemalige Topseller wie Fiesta oder Ka längst aus dem Programm flogen - zu geringe Margen, wenn man Ford fragt. Aber plötzlich muss das europäische Modellprogramm aus CO2-Gesetzgebungsgründen viel mehr an batterieelektrischen Modellen bieten, margentechnisch auch nicht optimal.
Untersucht man die Ford-Website allerdings auf passende Modelle, stellt man fest, dass es sehr wohl attraktive Ware gibt. Autos, die Nutzwert und ein verlockendes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Und überdies auch noch ansehnlich ausfallen. Wie wäre es mit einem Tourneo Courier? Den gibt es neuerdings übrigens auch vollelektrisch.
Äußerlich hat der mit 4,34 Metern recht kompakt ausfallende, eher kastig gezeichnete Alleskönner etwas Futuristisch-Technisches, erinnert gar ein bisschen an Land Rover. ntv.de hatte für die erste Fahrt mit dem 136 PS starken Stromer zwar eine fensterlose Kastenwagen-Ausführung (Transit) erwischt, aber um dem Antrieb so ein bisschen auf den Zahn zu fühlen, ist auch die fein.
An Drehmoment mangelt es dem Stromer nicht
Und der Courier beweist, dass es nicht immer die hochperformanten Maschinen sein müssen, um ordentlich voranzukommen. Wenn 290 Newtonmeter Drehmoment prompt anliegen, kann das die Vorderreifen an die Haftgrenze bringen. Klar beschleunigt dieser Ford nicht feurig, aber die Ansatzlosigkeit des Strangs gleicht die Minderleistung wieder aus.
Zur ehrlichen Beurteilung gehört aber auch, darauf hinzuweisen, dass die 43 kWh große Batterie nicht für jeden Einsatzzweck taugt. Bei 74 Prozent Ladestand hat der Testwagen noch 186 Kilometer Reichweite übrig, allerdings nicht bei konstant hoher Autobahngeschwindigkeit um 130 km/h, sondern auf der gebirgigen Landstraße, wo das Tempolevel etwas geringer ist und auch viel Bremsenergie zurückgewonnen wird. Lange Reisen dürften mit etlichen Ladestopps verbunden sein und 100 kW Ladeleistung sind auch nicht die Welt. Ford ist sich bei der Ladezeit selbst noch nicht schlüssig, nennt mal 23, mal aber auch 35 Minuten, um den Akku von 10 auf 80 Prozent zu bringen. Welcher Wert realistischer ist, wird ein späterer Test zeigen müssen. Die werksangegebene WLTP-Reichweite liegt übrigens bei maximal 288 Kilometern.
Zu punkten hingegen weiß der Ford mit seinem Fahrwerk. Das federt nämlich ausgewogen selbst auf Rumpelstrecken, ohne eine gewisse Fahrdynamik zu verweigern - immer im Verhältnis zum Segment betrachtet, versteht sich. Denn beim Van kommt hinten eine einfachere Verbundlenkerachse zum Einsatz. Aber mit seinen 1,82 Metern Höhe zirkelt der Fronttriebler recht flink durch die Kehre. Hier hilft eben ein schwerer Akku unter dem Blech - und ein bisschen die präzise Lenkung.
Courier ist praktisch und sieht sexy aus
Was macht den eigentlich sachlichen Courier sexy? Vielleicht die Verbindung aus hoher Praxistauglichkeit einerseits und der schicken Optik andererseits. Liegen die Lehnen flach, passt Gepäck im Äquivalent von 2162 Litern in das hintere Abteil. Hinzu kommen clevere Details wie ein Fach, um schmutzige Gegenstände separat verstauen zu können.
Der Platz für die menschliche Fracht in der zweiten Reihe hingegen hält sich in Grenzen, aber eng ist auch anders. Nun sind 2,69 Meter Radstand aber auch nicht Weltklasse. Vorn gibt es neben zahlreichen USB-Anschlüssen etliche Ablagen für Kleinkram, der unterwegs eben so anfällt. Und seitliche Schiebetüren sind noch immer genial, um den Innenraum maximal bequem zu entern.
Junge Familien mit Lust auf den Courier dürften sich darüber hinaus auf das Infotainment freuen. Ein gerüttelt Maß an Display macht die Nutzwert-Offerte diesbezüglich State of the Art. Viele physische Tasten gibt es übrigens nicht mehr, man muss also durch das Menü wandern, um die meisten Funktionen anzusteuern. Auch das ist dem Zeitgeist geschuldet. Lediglich auf dem Lenkrad finden sich tatsächlich richtige Drucktasten und keine schlecht rückmeldenden Touchflächen. So lässt sich beispielsweise der Tempomat simpel aktivieren, das ist ein dicker Pluspunkt.
Peppige Farben und die Möglichkeit, das Dach in Weiß zu ordern als Kontrast zur Wagenfarbe, machen den Courier on top attraktiv. Allerdings wäre da neben der mauen Reichweite noch ein zweiter Wermutstropfen bei der rein elektrisch angetriebenen Variante: die teure Anschaffung. So ruft Ford für den elektrischen Tourneo Courier 36.000 Euro auf. Das ist zu teuer mit einem Aufpreis von rund 10.000 Euro gegenüber dem (günstigen) Einstiegsbenziner. Den elektrischen Opel Frontera gibt es zum Beispiel schon unter 30.000 Euro.
Immerhin lockt Ford die Kunden mit 285 Euro monatlicher Leasingrate, sodass der Stromer für Doppelverdiener-Familien irgendwie bezahlbar wird. Doch da braucht es schon eine Portion Idealismus - denn warum sollte man die unpraktischere Version mit langen Ladezeiten nehmen, wenn sie auch noch teurer ist? Hier müsste sich vonseiten aller Beteiligten etwas tun. Ganz nach dem Motto des längst vergangenen Werbeslogans "Ford, die tun was".
Quelle: ntv.de
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