Welche Folgen hat die neue Einstufung für die AfD?

  02 Mai 2025    Gelesen: 77
  Welche Folgen hat die neue Einstufung für die AfD?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bewertet die gesamte AfD neu. Sie wird jetzt als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Doch welche Folgen hat das für die Partei und ihre Mitglieder? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Auf welcher Grundlage fällt der Bundesverfassungsschutz die Entscheidung?

Der Verfassungsschutz ist als ein Element der wehrhaften Demokratie nicht nur für Spionageabwehr und die Aufklärung terroristischer Bestrebungen verantwortlich. Er soll auch eine Art Frühwarnsystem sein. Das bedeutet, er hat die Aufgabe, rechtzeitig Gruppierungen zu erkennen und zu benennen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten. Dabei geht es unter anderem um die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Außerdem wird betrachtet, welche Kontakte zu anderen extremistischen Gruppierungen bestehen. Wie aus der Mitteilung des Bundesamtes hervorgeht, stützt sich der Verfassungsschutz in seiner Neubewertung der AfD vor allem auf Äußerungen und Positionen, bei denen es um die Verletzung der Menschenwürde geht - etwa durch die Abwertung von Muslimen oder pauschal verwendete Begriffe wie "Messermigranten".

Muss die Partei mit einem Verbot rechnen?

Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV zwar vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.

Was steht in dem Gutachten?

Das Bundesamt hat vor der Entscheidung ein rund 1110 Seiten starkes Gutachten zu der Partei erstellt. Das Gutachten ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt. Es listet unter anderem Äußerungen auf, die der Verfassungsschutz als "fortlaufende Agitation" gegen Geflüchtete und Migranten wertet. Entsprechende Äußerungen von AfD-Politikern finden sich nicht nur in der internen Kommunikation, sondern auch in Reden und sozialen Medien. Sie reichen von Slogans wie "Abschieben schafft Wohnraum!" bis zu Sätzen wie "Jeder Fremde mehr in diesem Land ist einer zu viel".

Wer bekommt das Gutachten zu sehen?

Das Bundesinnenministerium hat es erhalten, außerdem die Verfassungsschützer in den Ländern. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen. Das Gutachten, das der Verfassungsschutz vor der Einstufung als "Verdachtsfall" erstellt hatte, war allerdings von dem auf digitale Freiheitsrechte spezialisierten Online-Medium netzpolitik.org veröffentlicht worden.

Bald kein Geld mehr vom Staat?

Zwei Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische Partei NPD, die sich 2023 in "Die Heimat" umbenannt hat, scheiterten: das erste Mal im Jahr 2003, weil sich herausstellte, dass der NPD-Führungsriege mehrere Informanten des Verfassungsschutzes - sogenannte V-Leute - angehörten. Das zweite Mal im Jahr 2017 - das Bundesverfassungsgericht urteilte, die NPD sei zwar eindeutig verfassungsfeindlich, politisch aber mittlerweile bedeutungslos. Im Januar 2024 gab das Bundesverfassungsgericht allerdings einem Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung statt, der Partei "Die Heimat" durch den Ausschluss von der Parteienfinanzierung den Zugang zu weiteren staatlichen finanziellen Mitteln zu verwehren. Seit einer Grundgesetzänderung von 2017 kann "Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden", die staatliche Finanzierung aus Steuergeldern gestrichen werden.

Neue juristische Auseinandersetzungen?

Wahrscheinlich ist, dass die AfD - wie bei früheren Einstufungen durch den Verfassungsschutz - auch diesmal wieder dagegen klagen wird. Die Gerichte müssen dann prüfen, ob und in welchem Maße die Partei gegen die Grundprinzipien der Verfassung verstößt.

Wird das der AfD politisch schaden?

Das wird sich zeigen. In drei ostdeutschen Ländern - Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt - wird der jeweilige Landesverband bereits als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Bei der zurückliegenden Bundestagswahl hat das der Partei dort nicht geschadet. In westlichen Bundesländern mag das anders aussehen. Die AfD hatte in Wahlumfragen in den vergangenen Wochen zugelegt und war an die Werte der CDU/CSU herangerückt, teils auch darüber hinaus. Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt die Union (27 Prozent) hingegen wieder mit deutlichem Abstand vor der AfD (23 Prozent). Im RTL/ntv-Trendbarometer erreicht die AfD mit 26 Prozent zwei Prozentpunkte mehr als die Union.

Bei der Bundestagswahl am 23. Februar war die AfD mit 20,8 Prozent auf dem zweiten Platz gelandet. Wie groß die Zustimmung für die Partei künftig sein wird, dürfte wahrscheinlich wesentlich auch davon abhängen, ob die neue schwarz-rote Koalition wie angekündigt positive Impulse für die deutsche Wirtschaft setzen, die Zahl der unerlaubten Einreisen reduzieren und dafür sorgen kann, dass Wohnen, Energie und Lebensmittel für alle bezahlbar sind.

Sollte das Gutachten nicht schon 2024 kommen?

Der frühere BfV-Präsident, Thomas Haldenwang, wollte das aktuelle Gutachten zur AfD eigentlich schon im vergangenen Jahr fertigstellen. Durch die vorgezogene Bundestagswahl und Haldenwangs Ausscheiden im Dezember änderte sich der Zeitplan jedoch. Derzeit führen die Vizepräsidenten Sinan Selen und Silke Willems den Inlandsdienst. Viel war zuletzt darüber spekuliert worden, ob das Gutachten womöglich zurückgehalten wurde, um einen politisch günstigen Zeitpunkt für die Neubewertung zu wählen. Nach Informationen der Agentur erreichte das Dokument das Bundesinnenministerium am vergangenen Montag, als die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf Dienstreise in Österreich war.

Unter den Bundestagsabgeordneten der anderen Fraktionen hatte es in den vergangenen Tagen Diskussionen darüber gegeben, ob man Abgeordnete der AfD zu Ausschussvorsitzenden wählen solle oder nicht. Der designierte Unionsfraktionschef Jens Spahn hatte unlängst eine heftige Kontroverse ausgelöst mit dem Vorschlag, mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien.

Was bedeutet die Entscheidung für einzelne AfD-Mitglieder?

Eine Mitgliedschaft in einer als rechtsextremistisch eingestuften Partei kann Zweifel an der Verfassungstreue begründen. Allerdings ist die Mitgliedschaft allein noch nicht ausreichend für dienstrechtliche Konsequenzen bei Beamten, sondern der Einzelfall wird betrachtet. Das Gleiche gilt für den Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis bei Jägern und Schützen.

Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa


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