Dieser Vorwurf wird schon lange erhoben. Doch jetzt liefert die ESMT dem Bericht zufolge in einem 24-seitigen Papier zum ersten Mal eine detaillierte Berechnung. Demnach haben sich die Ökonomen jede einzelne Kredittranche angeschaut und über Wochen geprüft, an wen die knapp 216 Milliarden Euro der ersten beiden Rettungspakete geflossen sind.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur 9,7 Milliarden Euro und damit weniger als fünf Prozent landeten im griechischen Haushalt - und kamen somit den Bürgern direkt zugute. Der große Rest wurde für die Bedienung von alten Schulden und Zinszahlungen genutzt.
"Mit den Hilfspaketen wurden vor allem europäische Banken gerettet", sagte ESMT-Präsident Jörg Rocholl, der auch dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium angehört, dem "Handelsblatt". So wurden mit 86,9 Milliarden Euro alte Schulden abgelöst, 52,3 Milliarden Euro gingen für Zinszahlungen drauf und 37,3 Milliarden Euro wurden für die Rekapitalisierung der griechischen Banken genutzt.
In jedem Staatshaushalt gehört die Bedienung von Schulden und Zinsen zu den großen Ausgabeposten, Griechenland hat von den Hilfsprogrammen also auch profitiert. Doch wecken die neuen ESMT-Berechnungen dem Bericht zufolge Zweifel, ob die Hilfsprogramme richtig konstruiert wurden: Mit den Rettungskrediten wurden in den vergangenen Jahren Schulden bedient, obwohl Griechenland de facto seit 2010 pleite ist. "Die europäischen Steuerzahler haben die privaten Investoren herausgekauft", sagte Rocholl dem Blatt.
Vor allem die Rettung der griechischen Banken hat sich als katastrophales Geschäft für die Steuerzahler herausgestellt. Insgesamt flossen laut ESMT-Berechnungen aus beiden Rettungspaketen 37,3 Milliarden Euro in die griechischen Finanzhäuser. Doch diese Bankenhilfen wurden inzwischen fast vollständig vernichtet. Die Institute haben seit ihrer Rekapitalisierung 2013 rund 98 Prozent ihres Börsenwertes verloren.
Ein Schuldenschnitt für Griechenland schon zu Beginn der Kreditprogramme 2010 wäre vermutlich sinnvoller gewesen. Zwar hätte die Bundesregierung dann möglicherweise auch deutsche Banken mit Staatshilfe stützen müssen. "Aber es wäre zumindest deutlich geworden, wo das Geld hinfließt", sagt Rocholl. Viel Streit zwischen den Regierungen in Athen und Berlin wäre vermieden worden - und auch die deutschen Steuerzahler wären günstiger dabei weggekommen.
Tags: