So wohlig schnodderig, wie sich Gerard Depardieu als Taro das Kokain durch die Nase jagt, bleibt kein Zweifel: Hier wird ein Mann porträtiert, der mächtig ist, etwas gebrochen, aber gewillt zu kämpfen. "Ich bin ein Krokodil", wird er in einer späteren Folge durch die gefletschten Zähne hindurch schießen. "Immer auf der Lauer, bereit, zuzubeißen, zu töten, zu verschlingen." Wenn er sich da mal nicht zu sicher ist.
Offensichtlich ekelhaft, vielschichtig fies
Ein bisschen fühlt sich "Marseille" an wie die europäische Antwort auf Netflix` großes Aushängeschild "House of Cards" - nur sonniger und mit mehr Armut. Während das amerikanische Format jedoch von Anfang an von der Durchtriebenheit der Hauptcharaktere lebte, besteht das französische Pendant von Dan Franck auf integere Figuren - jedenfalls in der ersten Reihe.
Man mag Depardieu als unsympathisch bis siffig verdammen: Als Robert Taro ist er nicht nur Bürgermeister, sondern auch liebender Ehemann und Vater, charmant, so aufmerksam, wie es der Job eben zulässt, und nur dann grausam, wenn es auch nötig scheint. "Marseille" braucht eine Weile, um die offensichtliche Ekelhaftigkeit von Antagonist Lucas Barrès (Benoît Magimel) zu einem vielschichtigen Fies zu demontieren. Doch man muss es der Serie lassen: Ganz so vorhersehbar, wie sie zu Beginn scheinen mag, ist sie nicht.
Sex hier, Sex da, Sex überall
Es ist ein ehrliches Interesse an den versteckten Motiven der Charaktere, das den Zuschauer am Wegschalten hindert. Das ganze Rumgeficke hätte man sich sparen können, aber so sind sie halt - die Franzosen: Sie schlemmen, zum Mittag gibt`s bereits mehr als ein Glas Rotwein und man kann sich eben nicht nur im Bett, sondern auch im Meer oder unter der Dusche oder auf dem Balkon oder auf der Toilette oder ... Nun ja.
Mit dem Machtkarussell von Marseille fahren Politiker, Journalisten, Gangster und all solche, die die Fahrt noch ein bisschen bunter gestalten können - eine Cellistin zum Beispiel und eine Gefängnisinsassin. Wenn dem schwitzenden Depardieu nicht auf halber Strecke die Puste ausgeht, wird das noch ein wilder Ritt.
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