Digitalisierung heißt nicht Massenarbeitslosigkeit

  06 Mai 2016    Gelesen: 633
Digitalisierung heißt nicht Massenarbeitslosigkeit
Die Angst geht um vor einer neuen Gefahr im Jobmarkt: Selbst Fachkräfte könnten durch die digitale Revolution überflüssig werden. Doch stimmt diese These überhaupt?
Auch wenn es aktuell keinen flächendeckenden Fachkräftemangel gibt, so treten doch deutliche Engpässe in einzelnen Bereichen auf. Bekannte Beispiele sind Metall- und Elektroberufe. Bislang war weitgehend Konsens, dass zur Vermeidung künftiger Engpässe eine kontinuierliche Fachkräftesicherung nötig sei. Nun aber steht die These im Raum, dass die Arbeitskräftenachfrage aufgrund der Digitalisierung der Wirtschaft in den kommenden Jahren massiv sinken wird – Stichwort Industrie 4.0. Damit würde sich das Thema Fachkräftesicherung also von alleine erledigen. Was ist dran an dieser These?

Viele Prognosen gingen in der Vergangenheit davon aus, dass das Potenzial an Arbeitskräften schon in der laufenden Dekade bedingt durch den demografischen Wandel zurückgehen würde. Diese Prognosen haben sich nicht bewahrheitet. Vielmehr steigt das Potenzial an Erwerbspersonen seit Jahren. Auch 2016 wird vermutlich wieder ein Allzeithoch erreicht. Zum Ende der Dekade liegt das Potenzial an Erwerbspersonen wohl höher als zu Beginn.

Das liegt zum einen daran, dass die Beteiligung insbesondere von Frauen und Älteren im Arbeitsmarkt insgesamt gestiegen ist. Vor allem aber ist die Zuwanderung viel stärker ausgefallen als ursprünglich vermutet. Das gilt sowohl für die innereuropäische Zuwanderung als auch für die Flüchtlingsmigration.

Das Potenzial an Erwerbspersonen wird allerdings tatsächlich zurückgehen, wenn die Zuwanderung wieder deutlich abnehmen sollte. Aber selbst dann muss es nicht zwangsläufig zu einem Mangel an Fachkräften kommen. Vielmehr wäre mit einem niedrigeren Kapitalstock, schwächeren wirtschaftlichen Aktivitäten und einer geringeren Arbeitsnachfrage zu rechnen.

Die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme wird dann jedoch schwierig – Stichwort Rente. Auch für die Attraktivität Deutschlands als Standort für Investitionen wäre eine schrumpfende Wirtschaft ungünstig. Die Fachkräftesicherung dient daher vor allem der Stärkung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Dynamik.

Immer wieder ist zu lesen, dass die Digitalisierung der Wirtschaft die Hälfte der Arbeitsplätze gefährde. Die Meldungen beruhen auf einer Studie aus den USA, in der abgeschätzt wurde, welche Berufe durch technische Entwicklungen verdrängt werden. Dazu ist allerdings anzumerken: Schwierigkeiten und Kosten technischer Umsetzungen werden häufig zunächst unterschätzt. Nicht alles, was technisch machbar wäre, rechnet sich in der Praxis.

Hinzu kommt, dass neue Techniken nicht nur Rationalisierung ermöglichen, sondern auch Preis- und Wettbewerbsvorteile sowie Innovationen generieren. Das erhöht dann die Nachfrage nach Produkten, wodurch wiederum neue Arbeitsplätze entstehen. Unterm Strich lautet die Bilanz: Aus heutiger Sicht ist ein massiver Rückgang der Arbeitskräftenachfrage infolge der Digitalisierung eher unwahrscheinlich.

Gewinner und Verlierer

Das heißt nicht, dass es keine Arbeitsplatzverluste gibt. Sie werden aber voraussichtlich an anderer Stelle durch neue Arbeitsplätze ausgeglichen. Die Veränderungen werden durchaus gewaltig sein, und für den Einzelnen und auch die Gesellschaft bringen solche großen Umbrüche durchaus Risiken und Belastungen mit sich. Es wird bei der Entwicklung Gewinner und Verlierer geben, und es bedarf erheblicher Anstrengungen, damit die Verlierer nicht völlig abgehängt werden, sondern neue Chancen erhalten.

Wer wird gewinnen, wer wird verlieren? Aller Voraussicht nach werden in Folge der Digitalisierung im verarbeitenden Gewerbe weniger Arbeitskräfte nötig sein. Dagegen dürfte der Dienstleistungsbereich profitieren.

Neben den Geringqualifizierten sind vermutlich auch Personen mit Berufsausbildung gefährdet, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Da auf der Fachkraftebene gleichzeitig das Arbeitskräfteangebot schrumpft, könnte dieser Rückgang durch digitale Techniken teilweise ausgeglichen werden.

Hinzu kommen dafür neue Tätigkeitsfelder. Sie erfordern in hohem Maße digitale Kompetenzen, aber auch viele nicht-digitalisierbare Kompetenzen wie beispielsweise Kreativität, Kommunikations- oder Teamfähigkeit.

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