Mittelschicht schrumpft in Deutschland

  07 Mai 2016    Gelesen: 374
Mittelschicht schrumpft in Deutschland
Wenn man Mittelschicht sagt, schwingt in Wahlkampfzeiten schnell das Wort Abstiegsangst mit. Eine neue Studie zeigt: Deutsche und US-amerikanische Verhältnisse sind nicht mehr so weit voneinander entfernt.
Die Mittelschicht in Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich geschrumpft. Vor allem der Anteil jüngerer Menschen nahm stark ab. Diese Entwicklung in Deutschland ist vergleichbar mit der in den USA. Das sind Ergebnisse einer in Berlin veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

In den USA betrifft der Abstieg vor allem Menschen, die aus Lateinamerika stammen. Sie seien verstärkt in den unteren Einkommensbereich abgewandert, sagte Markus Grabka, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Infrastruktureinrichtung Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) die Untersuchungen am DIW begleitet hat. "Währenddessen ist zum Beispiel die weiße Bevölkerung in den USA aus der Mittelschicht vermehrt in den oberen Einkommensbereich aufgestiegen. In Deutschland sind in den letzten Jahren zunehmend die Ausländer aus der Einkommensmittelschicht abgestiegen."

Überraschend war für die Forscher in Deutschland, dass der deutliche Beschäftigungszuwachs der vergangenen Jahre die Mittelschicht kaum gestärkt hat. Der relativ starke Beschäftigungsaufbau, den es seit etwa 2006 in Deutschland gab, habe bislang nicht zu einer Stabilisierung oder einer Zunahme des Anteils der Bezieher mittlerer Einkommen in Deutschland geführt, so das Urteil der Wissenschaftler. "Das wäre üblicherweise das, was man erwartet hätte, aber die Vielfalt unterschiedlicher und vielfach auch schlecht bezahlter Beschäftigungsformen hat zugenommen", erläutert Grabka.

Zwischen 1991 und 2013 sank in beiden Ländern der Anteil der Mittelschicht an der Gesamtbevölkerung um rund sechs Prozentpunkte. Der Anteil der 18- bis 30-Jährigen an der Mittelschicht ging in Deutschland seit 1983 von 69 auf 52 Prozent, der der 30- bis 45-Jährigen von 78 auf 64 Prozent zurück. Menschen im Rentenalter sind dagegen deutlich stärker in der Mittelschicht vertreten.

Der deutlichste Unterschied zu den USA liegt in der Vermögensentwicklung. In den USA verloren die mittleren Einkommensbezieher seit Anfang der 2000er Jahre Real-Vermögen in einer Größenordnung von etwa einem Viertel. Währenddessen gab es in Deutschland bei der Gruppe der mittleren Einkommensbezieher einen Zuwachs von etwa 15 Prozent seit 2002.

Für ihre Studie haben die Forscher neueste Zahlen der Langzeitstudie Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) mit Daten aus den USA verglichen. Betrachtet wurden dabei die gesamten, realen Haushaltseinkommen inklusive Renteneinkünften und staatlichen Transfers. Das mittlere Einkommen stieg in den USA von rund 55.000 Dollar im Jahr 1970 auf etwa 77.000 Dollar im Jahr 2000. Bis 2014 ging es allerdings wieder um etwa vier Prozent zurück. In Deutschland stieg es von 1991 bis 2000 um vier Prozent auf rund 31.000 Euro und sank bis 2013 um rund fünf Prozent auf 29.500 Euro.

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