Die Schäden, die dabei entstehen, sind hoch – inzwischen zu hoch für den Geschmack der Landesverkehrsminister und der betroffenen Bahnen, allen voran der Deutschen Bahn (DB). Deshalb hat nun eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Bahnbranche, der Fußballverbände und der Bundespolizei ein neues Beförderungskonzept erarbeitet. Es sieht mehr Züge für Fans vor, vor allem aber Züge, die nur noch Fans befördern – und die über deutlich mehr und größere Toiletteneinrichtungen verfügen.
1,5 Millionen Euro kostete es die Bahnen und damit am Ende auch den Steuerzahler schätzungsweise jedes Jahr, um die Schäden in und an den Zügen, die im Pulk der Fußballfans angerichtet werden, zu beseitigen. Die Kosten, die entstehen, wenn nach Ausschreitungen Bahnanlagen gesperrt werden müssen, also der Fahrplan anderer Bahnen aus dem Takt gerät, sind da noch gar nicht berücksichtigt. Der Aufwand für die Verstärkung des Sicherheitspersonals schlägt mit rund 700.000 Euro jährlich zu Buche.
Zwar bereitet nach DB-Angaben dem Unternehmen nur weniger als ein Prozent der Fahrgäste im Umfeld der Fußballfans Sorge, sei also für die Schäden verantwortlich. Doch dieses Prozent wütet bisweilen derart, dass Züge zum Teil wochenlang aus dem Verkehr gezogen und wieder instand gesetzt werden müssen. Der Bahnbetreiber Metronom hatte daraufhin nach schweren Ausschreitungen im vergangenen Jahr am Rande des Nordderbys zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV ein Beförderungsverbot für sogenannte Ultra-Fan-Gruppen verhängt.
Vier reine Fußballzüge
Doch das löst das Problem nicht, daher sollen Teile der Fans nun eigene Züge bekommen, die nicht gegen Extrageld gechartert werden müssen. "Wir haben Vereinen, Verbänden und Fanklubs in der Vergangenheit Angebote gemacht, Züge für Fans zu chartern zu können. Aber das wurde oft nicht angenommen, denn diese Lösung ist oft aus organisatorischen und preislichen Gründen nicht zur Umsetzung gekommen", sagt Dirk Horn, Beauftragter für Fanreisen bei der Deutschen Bahn.
Geplant ist nun, dass aus dem Bestand der DB Züge für alle Bahnbetreiber bereitgestellt werden, die nur noch Fans zu den Spielen fahren. Die Bahner haben errechnet, dass an Bundesligaspieltagen 140 Verbindungen bedient werden müssen, um das Gros der Spielbesucher zu befördern. Dafür sollen vier reine Fußballzüge mit 24 bis 32 Waggons zum Einsatz kommen.
Das reicht natürlich nicht, um das Gros der Fans zu befördern, aber die Kickerzüge sollen auch nur ein erster Schritt sein. Zunächst musste geklärt werden, ob das Konzept umsetzbar ist. "Wir haben das überprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ein zusätzliches Angebot zur Beförderung von Fußballfans grundsätzlich möglich ist. Es gibt auf dem Markt derzeit noch die nötigen Wagen, die für oder durch den jeweiligen Beförderungsdienstleister angeschafft und genutzt werden könnten. Und es ist möglich, die Wagen für die bestimmten Bedürfnisse der Fans umzugestalten, wenn das finanziert wird", sagt Horn.
Mit den Bedürfnissen der Fans ist jenes Bedürfnis gemeint, das regelmäßig zum Ausfall der Toiletten führt. Denn die kapitulieren, wenn viele Fußballfans an Bord sind, regelmäßig vor dem übergroßen Andrang – großer Bierkonsum bedeutet eben am Ende großen Harndrang. Dafür sind die Toilettentanks aber nicht ausgelegt und müssen daher außerplanmäßig abgesaugt werden. Oder die Becken sind verstopft, weil allerlei Gegenstände dort entsorgt werden. Davon abgesehen gibt es in Zügen mit vielen Fans regelmäßig zu wenig Toiletten.
Das soll mit den neuen Zügen nur für Fans anders werden. "Eine erfolgte Erstprüfung sieht vor, diese mit deutlich größeren Toiletten-Kapazitäten auszustatten. Konkret könnte das so aussehen: Ein Teil eines Wagens im Zug würde durch Urinalrinnen ergänzt", sagt Horn.
Pflegeleichte Edelstahl-Urinalrinnen
Dort, wo üblicherweise Fahrräder oder Kinderwagen abgestellt werden, sollten parallel zu den Außenwänden pflegeleichte Edelstahl-Urinalrinnen eingebaut werden, empfehlen die Experten. In der Mitte des Wagens seien entsprechend die Stehflächen und der Durchgang vorzusehen. Ein solcher Wagen je Fußballzusatzzug sollte eingeplant werden, hat die Arbeitsgruppe errechnet.
Das Konzept steht also, die Waggons dafür kämen aus dem Wagenpark der Deutschen Bahn, die dafür aufgearbeitete, rot lackierte "Silberlinge" zur Verfügung stellt. Bleibt die Frage, wer dafür zahlt. "Fanzusatzzüge einzusetzen ist eindeutig ein Zuschussgeschäft. Das macht man, damit nicht-fußballbegeisterte Fahrgäste in Ruhe ihre Reise genießen können und Fans ihr Fußballerlebnis haben – getrennt voneinander", heißt es bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonen-Nahverkehr (BAG SPNV), die die Besteller von regionalen Bahnverbindungen vertritt. Es könne nicht sein, dass nun nur die Bahnen und Bestellorganisationen, also die öffentliche Hand, für die Kosten aufkommen müssten.
Man sieht die Politik in der Pflicht, die Länder, die den Regionalverkehr in aller Regel bezahlen, und den Bund – denn bei den geplanten Fanzügen würde es sich um ein länderübergreifendes Angebot handeln.
Dass sich die Politik dem Finanzierungsproblem nicht so ohne Weiteres entziehen will, zeigt die Tatsache, dass es die Länderverkehrsminister waren, die das Fanzug-Konzept nach einem erfolgreichen Pilotversuch in Nordrhein-Westfalen vor zwei Jahren angestoßen hatten. Das Land NRW ist es nun auch, das dafür Sorge tragen soll, dass die neuen Fanzüge am Ende rollen.
Fangruppen trennen
Nun muss man nur noch die entsprechenden Bahnunternehmen finden, die sich auf die Fanzüge einlassen. Wie geschildert, ist das eine schwierige Klientel, die häufig mehr Kosten verursacht, als man damit verdienen kann. Die errechneten 140 Verbindungen sollen – wie im Regionalverkehr üblich – im Wettbewerb vergeben werden. Und die Treiber des Konzepts sind zuversichtlich, dass die verschiedenen Bahnunternehmen im Land sich tatsächlich um die Fanzüge bemühen.
Zum einen bekommen sie damit vier Züge gestellt, die abseits der Einsätze zu Fußballspielen als Reserve genutzt werden können. Und Fern- wie Regionalzüge sind Mangelware in Deutschland. Darüber hinaus kann die Bahn so die Fans leichter von den Zügen mit nicht-fußballbegeisterten Menschen trennen, also dem Gros der Fahrgäste die Fantumulte ersparen.
Und zuletzt kann man spezielle Fanzüge so disponieren, dass sie Fußballfans möglichst direkt, also ohne Umstiege, zu den Stadien fährt. Damit schwindet die Gefahr, dass unterschiedliche Fangruppen auf den Bahnhöfen aneinandergeraten und den Zugverkehr stören.
Quelle : welt.de
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