Die Sevillistas hingegen haben sich an diesem Mittwochabend vor 34.429 Zuschauern im ebenso schmucken wie ausverkauften St. Jakob-Park endgültig selbst zu den Königen der Europaliga gekrönt. Mit ihrem 3:1 (0:1) in diesem Finale gewannen sie zum dritten Mal hintereinander diese zweite Liga des Kontinents - und dürfen nun als erneuter Champion in der gleichnamigen Liga antreten. Für Klopp und seinen FC Liverpool war es ein ganz bitterer Abend. Nach Platz acht in der englischen Liga haben sie nicht nur ein Endspiel verloren, sondern auch ihre allerletzte Chance verspielt, wieder auf der internationalen Bühne auftreten zu dürfen. "In der nächsten Saison werden wir mehr Zeit haben, um zu trainieren", sagte Klopp - und sah nicht sehr glücklich aus. Doch dienstags, mittwochs und donnerstags hätten er und seine Spieler dann ja in der Regel frei. Falls das auch nur ansatzweise humorvoll gemeint war, kam das so nicht rüber.
"Come on! Come on!"
Dabei hatte für die Liverpooler alles so schön angefangen, geradezu wie gemalt. Angreifer Daniel Sturridge war es, der den Außenseiter nach 35 Minuten scheinbar ins Glück schoss. Mit dem Außenrist seines linken Fußes zauberte er den Ball an Sevillas Torhüter David Soria ins Tor und kompensierte so die fehlende spielerische Klasse seines Teams mit einer Technik der Extraklasse. Doch weil die Spanier so gar nicht ins Spiel kamen, auch, weil die aggressiven, zweikampfstarken und kompromisslosen Roten sie nicht ließen, hatte Liverpool in den ersten 45 Minuten alles im Griff. Und als alle dachten, Klopps Eleven hätten den Titel als Europaligasieger so gut wie sicher, widerfuhr ihnen das Dümmste, was hätte passieren konnte.
Exakt 17 Sekunden, nachdem der schwedische Schiedsrichter Jonas Eriksson die Partie nach der Pause wieder angepfiffen hatte, schlug Sevilla zu. Der Brasilianer Mariano Ferreira hatte den Ball von der Grundlinie aus in die Mitte direkt vor die Füße Kevin Gameiros serviert, und der beste Torschütze der Spanier ließ es sich nicht nehmen, aus fünf Metern das 1:1 zu erzielen. Und ja, natürlich: Alles war wieder offen. Mehr noch: Sevilla drehte auf. Das sah auch Klopp, ging ans linke Ende seiner Coaching-Zone und schrie in Richtung Fans der Liverpooler: "Come on!" Zweimal tat er das und sah nicht fröhlich dabei aus. "Come on!" Hinterher sagte er, dass er nicht enttäuscht gewesen sei. "Ich habe nur versucht, das Publikum mit einzubinden."
Handwerkertruppe gegen Künstlerkollektiv
Allein, es half nichts. In der zweiten Halbzeit sahen nicht nur die Zuschauer im St. Jakob-Park eine Handwerkertruppe von der Insel, die dem spanischen Künstlerkollektiv gnadenlos unterlegen war. Liverpool wirkte wie eine mittelmäßige Mannschaft, die vor der Pause am Limit gespielt und viel richtig gemacht hatte, nun aber nichts mehr zusetzen konnte, weil die anderen nun Ernst machten. Der FC Sevilla zeigte schlicht und ergreifend, wer besser Fußball spielen kann. Und ging in der 64. Minute durch einen feinen Schuss Cokes aus 16 Metern in Führung. Was tat Klopp? Wandte sich wieder an die Fans, noch etwas lauter, noch etwas leidenschaftlicher, das Gesicht noch ein wenig mehr verzerrt. Er war nicht der einzige, der ahnte, dass es an diesem Abend nur über die Leidenschaft geht. Wieder einmal. Wenn überhaupt. Und nach 70 Minuten dann wusste Klopp, dass er als Trainer sein fünftes Endspiel hintereinander verloren hatte. Was ihm blieb, war, beim Abpfiff um 22.37 Uhr kurz innezuhalten und dann sofort seinem Kollegen Unai Emery zu gratulieren.
Die Ehrung der Sieger muss eine Qual gewesen sein, wie so oft, wenn der Verlierer ausharren muss, um zu gratulieren. Die Fans der Liverpooler hatten dazu keine Lust. Als Sevillas Kapitän, eben jener Coke, den Pokal emporhob, hatten die allermeisten von ihnen das Stadion längst verlassen. "You`ll never walk alone." Und Klopp? Konnte es sich dann nicht verkneifen, mit einigen Entscheidungen des Schiedsrichters zu hadern. "Ich habe jetzt zwölf Interviews gegeben, und jeder hat mir von zwei Handspielen in der ersten Halbzeit berichtet. Es gab insgesamt vier sehr offensichtliche Entscheidungen gegen uns." Es sei doch so: In all seinen fünf verlorenen "Finals gab es keine Fehlentscheidung zu meinen Gunsten. Das wird sich auch mal ändern, irgendwann. Wir müssen wohl noch mehr Endspiele erreichen. Dafür werde ich alles tun". Außerdem gebe es im Lieben wichtigeres als Fußball. "Im Moment fühlt es sich nur nicht so an."
Ansonsten hatte er durchaus erkannt, woran es seiner Mannschaft mangelt: "Die Reaktion auf den Ausgleich war bescheiden. Wir haben jedes Zutrauen in unser Spiel und unsere Ordnung verloren. Das zeigt, dass wir noch nicht weit genug sind, um solche Rückschläge wegzustecken." Ihn selbst habe der Ausgleich so früh nach der Pause zwar nicht aus der Bahn geworfen. Aber: "Vielleicht war die Mannschaft geschockt, vielleicht waren es auch die Zuschauer." Doch eine Spieler würden aus dieser Erfahrung lernen, hart arbeiten und stärker als zuvor zurückkehren. "Ich bin mir sicher, dass wir wieder in einem Finale stehen werden." Nur in einem europäischen nicht, zumindest nicht in der kommenden Saison. Aber er ist ja ein guter Trainer.
Quelle: n-tv.de
Tags: