Rückzug der Dschihadisten

  20 Mai 2016    Gelesen: 564
Rückzug der Dschihadisten
Der "Islamische Staat" ist in Syrien und im Irak in der Defensive. Doch das macht die Terrororganisation nicht weniger gefährlich. Denn ihren wichtigsten Trumpf kann sie noch ausspielen.

Der "Islamische Staat" (IS) hat rund ein Drittel seines Territoriums im Irak und in Syrien verloren. Gleichzeitig sind bei Anschlägen der Dschihadisten in der vergangenen Woche mehr als 200 Menschen in Bagdad gestorben. Wie passt das zusammen?

Internationale Beobachter sehen durchaus einen Zusammenhang: Gerade weil die Terrormiliz auf dem Schlachtfeld in der Defensive ist, verübt sie vermehrt Attentate. Auf diese Weise will sie von den eigenen Verlusten ablenken und ihre Gegner zwingen, sich auf deren Heimatfront zu konzentrieren. Manche befürchten, dass es auch außerhalb des Irak und Syriens erneut zu Anschlägen kommen könnte. Ob der IS hinter dem Absturz des ägyptischen Flugzeugs am Donnerstag steckt, ist noch unklar.

Die Anschlagserie im Irak zeigt, dass es viel zu früh ist, von einem Sieg über den IS zu sprechen. Zwar wurden in den vergangenen zwei Jahren Erfolge gegen die Dschihadisten erzielt. Doch in einem Punkt können sich die Extremisten nach wie vor sicher sein: Ihre Gegner sind schwach.

Der IS hat empfindliche Niederlagen erlitten

Die internationalen Luftschläge haben den IS-Gegnern zwar am Boden einen wichtigen Vorteil verschafft gegenüber den Dschihadisten, die keine Flugzeuge haben. Das US-Verteidigungsministerium geht davon aus, dass durch die Luftangriffe bis zu 26.000 IS-Kämpfer getötet wurden, darunter mehrere ranghohe Kader. Die Initiative "Airwars", hinter der ein Team von Journalisten steht, geht davon aus, dass dabei auch mindestens 1200 Zivilisten getötet wurden.

Die Einnahmen der Terroristen seien im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel zurückgegangen, weil auch Bargeldvorräte und Ölförderungsanlagen des IS bombardiert wurden, schätzt die Militärfachzeitschrift "IHS Jane`s". Die Löhne der Dschihadisten mussten bereits gekürzt werden. Allerdings ist der IS mit geschätzten Einnahmen von knapp 60 Millionen Dollar pro Monat - zur Hälfte durch Raub - noch immer die reichste Terrorgruppe der Welt.

Trotz aller Erfolgsmeldungen ist der Kampf gegen den "Islamischen Staat" also noch längst nicht entschieden: In Syrien hat der IS von der Maximalausdehnung seines Territoriums bisher lediglich zehn bis 15 Prozent verloren. Es fehlt dort schlichtweg an schlagkräftigen Gegnern. Keine Miliz kann den IS in diesem Gebiet alleine besiegen. Doch für eine Zusammenarbeit gegen die Dschihadisten ist das Misstrauen der Milizen untereinander zu groß.

In Syrien zum Beispiel kämpft eine von der YPG, dem syrischen Ableger der PKK, angeführte Koalition gegen den IS. Doch die Kurden allein können nicht den Osten des Landes erobern, auch weil sie in diesen arabischen Gebieten mit Ablehnung rechnen müssen.

Auch das Regime von Baschar al-Assad in Damaskus ist zu schwach, um den IS zu schlagen. Die Regierungstruppen sind ausgezehrt. Im März konnten sie nur mit der Hilfe einer Koalition russischer, iranischer und libanesischer Kämpfer die berühmte Stadt Palmyra zurückerobern. Doch derzeit ist der IS dabei, Gebiete bei Palmyra zurückzuerobern.

Im Irak hat der IS die größte Fläche verloren, etwa 40 Prozent seiner Maximalausdehnung. Noch Anfang des Jahres konnten irakisch-schiitische Milizen, irakisch-kurdische Milizen und die irakische Armee große Erfolge gegen die Dschihadisten verzeichnen.

Doch auch diese Fortschritte sind nun gefährdet: Rivalitäten zwischen den verschiedenen irakischen Milizen nehmen zu und drohen den Kampf gegen den gemeinsamen Feind zu überlagern.

Quelle : spiegel.de

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