Damit die Visaerleichterung erteilt werden kann, müssen insgesamt 72 Bedingungen erfüllt sein. Knackpunkt ist vor allem die türkische Terrorismusgesetzgebung. Die EU fordert, dass die Türkei das Terrorismusgesetz reformiert und konkretisiert, bevor die Visa-Freiheit eintritt. Das bislang breit angelegte Gesetz erlaubt etwa die Verfolgung von Journalisten und Akademikern ohne präzise Terrorismus-relevante Vorwürfe. Merkel sagte, Erdogan habe auch mit Blick auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK noch einmal betont, eine Änderung der Gesetze stehe für ihn nicht zur Debatte.
Merkel versicherte, "der Kampf gegen die PKK sei richtig und notwendig". Die PKK gelte auch in Deutschland als Terrororganisation. Auf der anderen Seite müssten Kurden in der Türkei eine faire Chance in der Gesellschaft bekommen, damit sie auch am Wohlstand teilhaben können.
Die Kanzlerin versichterte, sie habe bei dem rund einstündigen Gespräch mit Erdogan auch über Rechtstaatlichkeit, die Menschenrechtslage und Pressefreiheit gesprochen. "Wir brauchen eine unabhängige Justiz, unabhängige Medien und ein starkes Parlament", sagte sie. Die Aufhebung der Immunität vieler Abgeordneter sei für sie "ein Grund tiefer Besorgnis". In der Hinsicht blieben Fragen offen, sagte Merkel. Am Freitag hatte das türkische Parlament auf Betreiben Erdogans die Immunität Dutzender Abgeordneter aufgehoben, besonders betroffen ist davon die pro-kurdische Oppositionspartei HDP – 50 von ihren 59 Abgeordneten droht Strafverfolgung.
Den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei verteidigte Merkel dennoch. Dass der Weg zur Erfüllung des Abkommens mühsam sein würde, sei ihr von Anfang an klar gewesen. Das Abkommen sei "in beiderseitigem Interesse" unter anderem was die Lastenteilung angehe, so die Kanzlerin. Erdogan habe zudem versichert, dass die Türkei für Flüchtlinge in Not weiter offen bleibe. Zum Abkommen gehört unter anderem, dass die Türkei nach Griechenland gelangte syrische Flüchtlinge zurücknimmt, im Gegenzug nimmt die EU direkt syrische Flüchtlinge aus der Türkei auf. Merkel hob auch hervor, dass zuletzt weniger Menschen durch "die Skrupellosigkeit der Schlepper" umgekommen sind, als noch in den ersten Monaten des Jahres.
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