EU fürchtet eine ganz neue Flüchtlingsroute

  26 Mai 2016    Gelesen: 904
EU fürchtet eine ganz neue Flüchtlingsroute
Die Balkanroute ist zu, vor Libyens Küste kreuzen Anti-Schlepper-Schiffe. Nun fürchtet Brüssel, dass die Flüchtlinge sich eine neue Route suchen – und will das verhindern. Doch Griechenland blockiert.
In der Europäischen Union herrscht große Sorge, dass sich die Flüchtlingsrouten in Richtung Ägypten verlagern und das Land zu einem der größten Transitstaaten für Migranten auf ihrem Weg nach Europa werden könnte. "Es gibt konkrete Hinweise darauf, dass die Migrationsströme aus Ägypten zunehmen", sagte ein EU-Spitzendiplomat. Wegen der neuen Entwicklungen haben nach "Welt"-Informationen mehrere Mitgliedsstaaten, darunter Italien und Frankreich, eine Ausweitung des EU-Militäreinsatzes "Sophia" nach Osten in Richtung Ägypten und Kreta gefordert.

Bisher operiert "Sophia" in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste. Die Pläne einer Ausweitung des Operationsgebietes wurden aber in der vergangenen Woche nach einem Treffen der für Verteidigungsfragen zuständigen Botschafter im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) zunächst wieder fallen gelassen. Darum konnten die EU-Außenminister in dieser Woche darüber auch nicht beraten.

Griechenland fürchtet neues Lager auf Kreta

Der Grund: Griechenland legte ein Veto ein. Die Regierung in Athen fürchtet, dass auf der Insel Kreta ein neues großes Flüchtlingslager entstehen könnte, das sich negativ auf die Stimmung in der Bevölkerung und auf den Tourismus auswirkt.

Kreta liegt auf der Seeroute von Ägypten auf das griechische Festland. Die griechische Argumentation ist, dass bei einer Ausweitung der Militäroffensive die aufgegriffenen Flüchtlinge auf die Mittelmeerinsel gebracht werden könnten.

Offen ist auch, ob die EU über genügend Schiffe verfügt, um den Kampf gegen kriminelle Schleuser-Netzwerke bis vor die Küsten Ägyptens und möglicherweise sogar in ägyptische Häfen auszuweiten.

Deutschland verlangte eine ausführliche Prüfung der Pläne, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Die Regierung in Kairo wiederum hat offenbar bisher in internen Gesprächen Vorbehalte gegen eine Bekämpfung von Schleusern in ägyptischen Häfen angemeldet, sie fürchtet eine Einschränkung ihrer Souveränitätsrechte. Hohe EU-Diplomaten wiesen aber ausdrücklich darauf hin, dass "die Ausweitung des Einsatzgebietes der EU-Mittelmeermission ,Sophia` in Richtung Ägypten und Kreta noch nicht vom Tisch ist".

Ägyptens Westen als Durchgangsregion für Flüchtlinge

Führende deutsche EU-Parlamentarier forderten die Europäer unterdessen zu einem schnellen Handeln auf. Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), sagte: "Es besteht die große Gefahr, dass nicht nur Libyen, sondern auch der Westen Ägyptens zu einer Durchgangsregion für Flüchtlinge wird."

Darum sollte die EU ihren Militäreinsatz "möglichst bald" in Richtung Ägypten ausweiten. Lambsdorff: "Es müssen alle an einem Strang ziehen. Die EU muss sofort handeln. Man kann nicht erst mit den Vorbereitungen beginnen, wenn die Flüchtlingsströme aus Ägypten schon eingesetzt haben."

Schmuggler versuchen sich in kleinen Häfen zu etablieren

Der mächtige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), sagte: "Wir müssen in allen Staaten, wo Flüchtlingsrouten entstehen können, Vorkehrungen treffen. Ägypten ist ein interessantes Transitland für Flüchtlinge aus dem Sudan, Eritrea und Somalia." Es müsse verhindert werden, dass Menschenschmuggler dort in großem Umfang Fuß fassten.

"Eine Ausweitung der EU-Mittelmeermission in Richtung Ägypten kann helfen, die Schleuser zu bekämpfen", sagte Brok. Er betonte, dass kriminelle Menschenschmuggler bereits heute systematisch versuchten, sich in kleinen Häfen im Westen Ägypten zu etablieren. Viele dieser Schleusernetzwerke werden schon jetzt vom Islamischen Staat (IS) kontrolliert.

Brok forderte, die Schleuser bereits in den Häfen zu bekämpfen. "Wenn Menschen erst einmal auf dem Meer sind, dann kann man sie nach meinem christlichen Verständnis nur noch retten." Wichtig sei, den Dialog mit den afrikanischen Ländern zu suchen: "Viele Flüchtlinge stammen aus Ländern, die nicht den Prinzipien des Bundesverfassungsgerichts folgen. Wir müssen aber mit diesen Staaten reden und kooperieren, auch im Interesse der Flüchtlinge."

Mission "Sophia" um ein Jahr verlängert

Die "Sophia"-Mission, an der sich die Bundeswehr mit bis zu 950 Soldaten beteiligt, war im vergangenen Jahr gestartet worden. Das bisherige Mandat läuft bis Ende Juli, es wurde am vergangenen Montag um ein Jahr verlängert. Die EU-Schiffe dürfen vor der Küste Libyens im Kampf gegen Schlepper verdächtige Boote stoppen, durchsuchen und beschlagnahmen. Zudem rettet "Sophia" Flüchtlinge aus Seenot.

Bisher wurden 70 Schleuser festgenommen, mehr als 100 Boote zerstört und rund 13.000 Menschen durch die Soldaten gerettet. Neben dem Kampf gegen Schleuser sollen sich die EU-Soldaten künftig auch um den Aufbau der libyschen Küstenwache und Marine kümmern, aber auch um die Durchsetzung eines Waffenembargos der Vereinten Nationen.

"Sophia" operiert bisher nur im Seegebiet außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer. In Brüssel hieß es übereinstimmend, das Mittelmeer sei "ein Gebiet, in dem Nato und EU enger als jemals zuvor zusammenarbeiten könnten, um die Region zu stabilisieren".

Quelle : welt.de

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