Jetzt legen Mock und seine Kollegen nach. "Fast alle Hersteller nutzen soweit möglich alle legalen Schlupflöcher zu ihren Gunsten, wenn es um die Verbrauchs- und CO2-Messungen für die Typzulassung geht", sagt Mock. Die ICCT-Leute haben sich hierzu einen wichtigen Teil der Zulassungsprozedur herausgegriffen. Bevor die Abgas- und Verbrauchswerte eines neues Modells unter Aufsicht von Prüforganisationen wie TÜV oder Dekra im Labor auf dem Rollenprüfstand gemessen werden, muss der "Fahrwiderstand" ermittelt werden. Das geschieht mit "Ausrollversuchen" bei den Herstellern. Dabei wird ein Auto auf eine bestimmte Geschwindigkeit beschleunigt, dann entkuppelt, und anschließend wird gemessen, wie weit das Auto rollt. Je weiter es rollt, desto geringer sind Fahrwiderstand und damit Spritverbrauch und CO2-Emissionen.
Die ICCT-Forscher verglichen jetzt bei 19 Modellen unterschiedlicher Hersteller – Audi, BMW, Dacia, Fiat, Mercedes, Mitsubishi, Opel, Peugeot, Renault und VW – die von unabhängigen Instituten gemessenen Werte mit denjenigen, die bei Zulassungsbehörden wie dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) oder seinem französischen Pendant hinterlegt waren. Und siehe da, "bei allen 19 untersuchten Fahrzeugen lagen die Fahrwiderstände unter den von unabhängigen Laboren ermittelten Werten", steht in der ICCT-Studie. Zwischen 0,7 und 14,5 Prozent lagen die Unterschiede, im Mittel bei 7,2 Prozent. Dies erkläre etwa ein Drittel der wachsenden Diskrepanz zwischen den Angaben zum offiziellen und realen Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen von Neufahrzeugen in Europa.
Wie beim Fahrwiderstand getrickst werden kann, ist bekannt. Da wird bei den Reifen das Profil abgeschliffen, das Gummi härter gemacht und der Druck erhöht, sodass der Rollwiderstand sinkt, Lüftungsschlitze werden abgeklebt, um die Aerodynamik zu verbessern. "Illegale Methoden" können auch Mock und Kollegen "nicht nachweisen", aber auch mit legalen Tricks ist den Herstellern geholfen. Schließlich haben die alle Mühe, die offiziellen CO2-Emissionsziele der EU zu erreichen, wonach die Werte der Pkw-Fahrzeugflotten im Schnitt von heute 130 Gramm CO2 pro Kilometer bis 2020/21 auf 95 Gramm sinken müssen. Sonst drohen saftige Strafen.
Besonders hart trifft es die deutschen Autobauer. Sie haben überproportional viele große Autos und einen zunehmenden Anteil wenig aerodynamischer und relativ schwerer SUVs in ihren Flotten. Je strenger die CO2-Ziele, desto gefährdeter ist ihr bisher so erfolgreiches Geschäftsmodell.
Klar, dass der Verband der Automobilindustrie abwiegelt. Im veralteten Labortest würden verbrauchserhöhende "Ausstattungen wie Klimaanlagen, Radios oder Sitzheizungen nicht berücksichtigt". Individuelle Fahrweise, Wetter, Verkehrslage sowie Topografie hätten erheblichen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch. In Zukunft werde es aber einen neuen realitätsnäheren Labortest geben.
In der Tat kommt 2017 ein realistischerer Fahrzyklus für die Zulassung, aber auch da dürften die Hersteller wieder Lücken finden, vermutet Mock. Helfen könnten nur Nachprüfungen der Behörden – wie in den USA. Für seine Verbrauchstrickserei musste Hyundai dort unlängst hohe Strafen zahlen, und auch beim CO2-Skandal um Mitsubishi in Japan seien jüngst manipulierte Fahrwiderstandswerte aufgedeckt worden, weiß Mock.
Tags: