Der Mann mit den langen Haaren und vielen Tattoos hieß in Wahrheit allerdings gar nicht Mark Stone, sondern Mark Kennedy. Er tarnte sich als Aktivist, um die linke Szene Europas im Auftrag einer britischen Spezialeinheit zu bespitzeln.
Als er im Jahr 2010 von Aktivisten enttarnt wurde, war das Milieu in Europa geschockt - auch weil sich herausstellte, dass Stone/Kennedy im Rahmen seiner Spitzeltätigkeit viele sexuelle Beziehungen mit Aktivistinnen eingegangen war.
Jetzt kommt neue Bewegung in den Fall des britischen Romeo: In Großbritannien untersucht eine Kommission seit knapp einem Jahr die Einsätze verdeckter Ermittler in politischen Szenen und dabei auch die sexuellen Beziehungen, die sie dabei eingegangen sind. Die Bundesregierung hat nach Informationen des SPIEGEL die Briten jetzt aufgefordert, ihre Ermittlungen auf die Umtriebe der verdeckten Ermittler in Deutschland auszudehnen.
Spitzel hatte mehrere Affären in Großbritannien und Berlin
Darauf hat Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, den britischen Polizeiminister Mike Penning in einem Brief vom 31. Mai gedrängt. Damit reagierte der CDU-Politiker wiederum auf wiederholtes Nachfragen der Abgeordneten Andrej Hunko (Linke) und Hans-Christian Ströbele (Grüne).
Die Entwicklung kommt überraschend. Schließlich hatte die Bundesregierung seit der Enttarnung Kennedys im Jahr 2010 sehr zurückhaltend agiert - was auch nicht verwundert: So hatten mindestens zwei deutsche Landeskriminalämter den Einsatz des Briten Kennedy, der viele rechtliche und ethische Fragen aufwirft, bei zwei Großereignissen selbst angefordert.
Kennedy, der mittlerweile an Sicherheitsberater in den USA arbeiten soll, war insgesamt sieben Jahre lang in der europäischen Linksaktivistenszene unterwegs, nach bisherigen Erkenntnissen in mehr als zehn Ländern. Dabei war der verheiratete Mann zeitgleich mehrere Beziehungen eingegangen, eine seiner damaligen Freundinnen beschrieb die Enthüllungen über die wahre Identität ihres früheren Partners später als "lange, qualvolle Folter". Auch in Berlin hatte Kennedy, der in Szene-WGs ein- und ausging, mehrere Sexualkontakte. Eine Britin gab an, in Berlin zwei Jahre mit Stone eine intime Beziehung gehabt zu haben.
Polizei entschuldigte sich für "manipulative Beziehungen"
Der Linken-Abgeordnete Hunko fordert die Bundesregierung auf, "es nicht bei dem Schreiben zu belassen und die internationale Ausweitung der Untersuchung mit dem nötigen Druck zu verfolgen." Er vermutet, dass es immer noch Frauen in der Szene gebe, die nicht wüssten, dass es sich bei ihrem früheren Partner um einen Spitzel handelte.
Das Innenministerium müsse deshalb "bei den britischen Behörden Erkundigungen einholen, mit welchen Personen britische verdeckte Ermittler/innen in Deutschland rechts- bzw. pflichtwidrig emotionale Bindungen und Sexualität praktizierten".
Auch deutsche Ermittler, die verdeckt in links-autonomen Szene recherchiert haben, sind wiederholt sexuelle Beziehungen eingegangen - obwohl dies offiziell untersagt ist. Das Ausmaß der Scotland-Yard-Agenten übersteigt das aber: In Großbritannien haben mittlerweile acht Frauen, mit denen Undercover-Polizisten Sexualbeziehungen eingegangen waren, gegen die Polizei geklagt. Eine bekam 400.000 Pfund (510.000 Euro) Schadenersatz zugesprochen, Polizeichefs mussten sich öffentlich für "manipulative Beziehungen" entschuldigen, die ihre Undercover-Leute eingegangen waren. Aus manchen dieser Verhältnisse entsprangen Kinder.
Heikel ist der Einsatz Kennedys nicht nur in der Hinsicht auf manipulative Beziehungen. Der Polizist soll Erkenntnisse über deutsche Aktivisten direkt an die britische Regierung übermittelt haben. Er beteiligte sich auch an Straftaten, wurde zu einer Geldstrafe wegen Brandstiftung verurteilt. Und nachdem der Fall aufgeflogen war, sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke in einer nicht öffentlichen Sitzung des Bundestag-Innenausschusses, Deutschland habe seinerseits verdeckte Ermittler in Großbritannien eingesetzt.
Weitere britischer Ermittler auf Deutschland-Einsatz
Kennedy ist dabei kein Einzelfall. Nach bisherigen Erkenntnissen der britischen Ermittler gab es mindestens fünf Undercover-Cops, die auch in Deutschland agierten. Der Polizist Peter Francis infiltrierte unter anderem die Leitung der deutschen Abteilung von Jugend gegen Rassismus in Europa. Er gab auch an, über die rechtlichen Rahmenbedingungen verdeckter Einsätze in Deutschland sei er nicht geschult worden.
Nach den Enthüllungen über Kennedy haben das Bundeskriminalamt und Innenministerkonferenz noch einmal festgelegt, dass Sexualkontakte für verdeckte Ermittler, die in Deutschland operieren, untersagt sind. In Berlin teilte der Senat im März auf eine Anfrage von Christopher Lauer (Piraten) mit, ausländische Undercover-Cops sollten künftig über diesen Umstand ausdrücklich belehrt werden.
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