Entsetzen und Fragen in Afghanistan

  13 Juni 2016    Gelesen: 590
Entsetzen und Fragen in Afghanistan
Afghanische Politiker verurteilen den Anschlag von Orlando, fragen aber auch nach der Bedeutung der US-Waffenkultur und des sozialen Umfelds des Attentäters. Dieser hat zwar afghanische Wurzeln - der Anschlag sei aber kein "afghanisches Problem".

Die USA sind seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 der wichtigste Partner Afghanistans. Ohne die militärische und finanzielle Unterstützung der USA wäre der neue afghanische Staat kaum überlebensfähig. Omar Mateen, der 29-jährige Terrorschütze von Orlando, hatte afghanische Wurzeln.

Es war dieses biografische Detail, das den Verdacht eines möglichen islamistischen Hintergrunds nährte. Afghanistans langjähriger Präsident Hamid Karsai hält sich derzeit in den USA auf. Im Interview mit dem Fernsehsender CNN drückte er der amerikanischen Bevölkerung sein Mitgefühl aus. "Wir verurteilen dieses Verbrechen auf das schärfste", sagte Karsai. Und fügte an: "Wir in Afghanistan leiden täglich darunter. Seit langer Zeit."

"Kein afghanisches Problem"

Karsai betonte auch, dass der Anschlag von Orlando kein afghanisches Problem sei: "Wenn der Täter in Afghanistan im Krieg geboren worden wäre, wäre die Ausgangslage anders. Aber er wurde in den USA geboren und hier erzogen. Er ging hier zur Schule. Wenn er wirklich vom IS beeinflusst wurde, dann müssen wir uns das aus der US-Perspektive anschauen, aus dem sozialen Umfeld hier."

Karsais Nachfolger, Präsident Ashraf Ghani, gehörte zu den ersten, die gestern am späten Abend Ortszeit in Kabul auf den Terrorakt reagierten. Über sein offizielles Twitter-Account teilte Ghani mit: "Ich verurteile die Schießerei in Orlando unmissverständlich. Nichts kann das Töten von Zivilisten rechtfertigen." Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah sprach von einer "menschlichen Tragödie". Terrorismus kenne keine Grenzen, so Abdullah, Terror-Anschläge richteten sich "gegen jeden, überall".

Welche Rolle spielt die US-Waffenkultur?

Ali Latifi, ein junger Journalist aus Kabul, der unter anderem für die "Los Angeles Times" schreibt, twitterte: "Ja, seine Eltern stammen aus Afghanistan. Aber offenkundig hatte die waffenverliebte Kultur der USA einen größeren Einfluss auf ihn als alles andere." Latifi schreibt weiter: "Anstatt sich darauf zu konzentrieren, dass er Afghane ist, sollten sich die Leute lieber fragen, warum er diese Waffen kaufen konnte und mit ihnen in den Nachtclub kam." Frauenrechtlerin Wazma Frogh schreibt auf Twitter: "Meine Gedanken sind in Orlando. Darum unterstütze ich Madam President (Hillary Clinton). Es sind die Waffen, die verboten werden müssen."

Vater Unterstützer der Taliban?

Andere Reaktionen aus Afghanistan konzentrieren sich auf den Vater des Terrorschützen. Auf dessen Facebook-Seite finden sich nach afghanischen Angaben viele Videos, in denen er die afghanische Regierung beschimpft und Unterstützung für die Taliban äußert. In einigen Clips inszeniert sich der Vater auch als afghanischer Präsident.

Omar Mateen, der 29-jährige Todesschütze von Orlando, hat im Gegensatz zu seinen Eltern nie in Afghanistan gelebt. Seine Eltern verließen die Heimat in den 1980er-Jahren, als Afghanistan von der Sowjetunion besetzt war. Damals erlebte das Land seinen ersten großen Massenexodus. Millionen Afghanen flohen in die Nachbarländer Pakistan und Iran, Europa und Nordamerika.

Viele sind, wie die Eltern von Omar Mateen, nie in ihre Heimat zurückgekehrt. Der Attentäter von Orlando kam in New York zur Welt und wuchs in den USA auf. Er hatte einen Waffenschein und arbeitete für eine Sicherheitsfirma in Florida.

Quelle: tagesschau.de


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