Von dort kehren viele dann heim. Sie meiden die gefährlichen Gewässer der Ägäis und setzen auf dem Evros über, dem Grenzfluss zur Türkei. Doch er hat tückische Strömungen.
Jede Nacht versammeln sich Gruppen von Flüchtlingen am Bahnhof des griechischen Grenzorts Didimoticho, bauen kleine Zelte auf und warten auf ihre Chance zur Überfahrt. Unter ihnen ist Atia al-Dschassem, ein 27-jähriger Friseur aus Damaskus. Nach Monaten an der griechisch-mazedonischen Grenze will er gemeinsam mit seiner Frau und der einjährigen Tochter zurückkehren. "Ich gehe in die Türkei, ich will Europa nicht mehr. Ende", sagt er.
Er, seine Frau Jasmine Ramadan und Tochter Ledschine hoffen, dass es ihre letzte Nacht in Griechenland sein wird. "Wir sind wirklich müde. Ich bitte Gott, dass er mir hilft, zurück in die Türkei zu gelangen. In Syrien unter den Bomben ging es uns besser als hier." Die Familie kam am 24. Februar über die Ägäis nach Griechenland und machte sich auf den Weg nach Norden. Doch ihre Reise nach Deutschland wurde an der Grenze zu Mazedonien gestoppt.
Griechenland wegen hoher Arbeitslosigkeit wenig attraktiv
Die EU und die Türkei einigten sich inzwischen auf ein Abkommen, wonach Flüchtlinge, die nach dem 20. März auf den griechischen Inseln ankamen, zurück in die Türkei gebracht werden. Jene, die vorher kamen, sitzen auf dem Festland fest. Nach der Schließung der Balkanroute betrifft dies etwa 57.000 Menschen. In Griechenland, wo die Arbeitslosigkeit bei 24 Prozent liegt, wollen die wenigsten bleiben.
Al-Dschassem und seine Familie blieben monatelang im provisorischen Flüchtlingslager Idomeni an der Grenze zu Mazedonien. Das Lager wurde im Mai evakuiert, die Familie mit Tausenden anderen in ein offizielles Lager gebracht. Doch die Monate unter prekären Lebensbedingungen in Idomeni setzten ihnen zu. Sie gaben ihren Traum von einem Leben in Deutschland auf.
"Wir haben nicht erwartet, dass wir in Europa so behandelt würden", sagt al-Dschassem. "Wir dachten, sie würden human sein, sich um uns und unsere Kinder kümmern, unsere Kinder schützen. Wir dachten, uns würde geholfen, aber wir haben das Gegenteil erlebt. Europa hat überhaupt kein Gefühl für uns."
Sie beschlossen, in die Türkei zu gehen, wo al-Dschassems Bruder lebt. Doch wie viele andere mussten sie feststellen, dass das nicht einfach ist. Der legale Weg ist langwierig und bürokratisch. Deshalb wenden sich viele an Schleuser, die Flüchtlingen zufolge für den Weg Richtung Osten nur wenige Hundert Euro verlangen statt Tausende in die andere Richtung. "Seit Kurzem beobachten wir einen umgekehrten Strom von Migranten und Flüchtlingen aus Idomeni in Richtung unserer nördlichen Grenze", sagt Ilias Akidis, Leiter der Polizeigewerkschaft von Didimoticho.
Vizebürgermeister Ioannis Topaloudis erklärt, etwa 20 bis 40 Personen brächen täglich zur Grenze auf. Da der Landweg durch einen Zaun versperrt ist, bleibt nur der Fluss. Im Lauf der vergangenen Jahre hat dessen Strömung viele Migranten das Leben gekostet. Wen die Behörden ertappen, halten sie auf. Nach Polizeiangaben wurden in den vergangenen zwei Monaten rund 150 Menschen beim Versuch festgenommen, illegal in die Türkei überzusetzen. "Zu dieser Jahreszeit ist der Evros sehr gefährlich", sagt Gewerkschafter Akidis. "Wegen der Regenfälle ist der Wasserstand sehr hoch."
Rückkehr mithilfe einer Landkarte
Unter denen, die die Hoffnung auf ein Leben in Europa aufgegeben haben, ist auch Madschd Hamed, ein 21-jähriger Kunststudent aus Damaskus. Nach drei Monaten in Idomeni beschloss er Mitte Mai, heimzukehren. "Ich will nach Syrien gehen und mein Studium an der Kunstschule fortsetzen. Selbst wenn sich die Grenzen öffnen, kehre ich zurück. Ich bin sehr wütend auf die Europäer wegen der Situation, in der wir hier leben." Er habe sich bei den UN um Unterstützung für eine Heimkehr bemüht, doch "sie haben mir gesagt, es sei nicht sicher, nach Syrien zurückzukehren".
Deshalb machte er sich mithilfe einer Landkarte auf den Weg nach Saloniki, um von dort nach Didimoticho zu gelangen. "Von dort überquere ich den Fluss, wie andere Syrer es mir erzählt haben." Von der Türkei wollte er in den Libanon fliegen und sich dann nach Damaskus durchschlagen. "Ich habe nie versucht, die Grenze zu Mazedonien illegal zu überqueren. Ich wollte legal nach Deutschland gelangen, aber jetzt bin ich gezwungen, auf diese Art in mein Land zurückzukehren."
Quelle : welt.de
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