Ein Brexit-Votum am 23. Juni würde für Deutschland drei gravierende Probleme schaffen. Erstens würde sofort an den Finanzmärkten, bei den Unternehmen und bei Konsumenten erhebliche Verunsicherung entstehen. Die Unsicherheit entsteht dadurch, dass erst darüber verhandelt werden müsste, wie die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU künftig aussehen. Unternehmen würden Investitionsprojekte auf Eis legen, bis geklärt ist, wie es weitergeht. Konsumenten würden ihre Ausgaben drosseln. An den Finanzmärkten hat die Flucht in sichere Anlagen wie Bundesanleihen oder Gold schon begonnen. All das dämpft die Konjunktur.
Zweitens wird es mittelfristig kaum zu vermeiden sein, dass Hemmnisse für grenzüberschreitenden Handel und Investitionen zunehmen. Für Deutschland ist Großbritannien der drittwichtigste Handelspartner. Eine Einschränkung dieses Wirtschaftsverkehrs wird das Wachstum in Deutschland beinträchtigen. Der Schaden wird nicht so groß sein wie in Großbritannien, aber doch spürbar. Nach Berechnungen des Ifo Instituts könnte die deutsche Wirtschaftsleistung im schlimmsten Fall langfristig um bis zu drei Prozent niedriger sein als ohne einen Brexit. Dass diese Schätzungen mit hoher Unsicherheit behaftet sind, verdeutlicht nur die mit dem Austritt verbundenen Risiken.
Das dritte Problem, vor dem Deutschland nach einem Brexit stehen würde, ist die Auswirkung auf die verbleibende EU. Die politischen Kräfteverhältnisse in Europa würden sich verschieben. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass der Einfluss Deutschlands zunimmt. Die verbleibende EU wäre kleiner, und das Gewicht Deutschlands würde wachsen. Trotzdem ist es ein Irrtum zu glauben, dass Deutschland seine Interessen dann besser zur Geltung bringen könnte.
Derzeit gibt es in der EU eine Gruppe liberaler, an Freihandel interessierter Staaten. Dazu gehören Großbritannien, die Niederlande und einige skandinavische und osteuropäische Staaten. Gemeinsam mit Deutschland verfügt diese Gruppe über eine Sperrminorität im Europäischen Rat. Wenn Großbritannien geht, reicht es nicht mehr für eine Sperrminorität. Nach einem Brexit würde die Politik der EU vermutlich protektionistischer, obwohl dies deutschen Interessen zuwiderläuft. Hinzu käme, dass die EU international an Gewicht verlieren würde und andere Mitgliedstaaten wie etwa die Niederlande oder Dänemark auf die Idee kommen könnten, Großbritannien zu folgen. Aus all diesen Gründen hat Deutschland ein großes Interesse daran, dass die britischen Wähler sich am 23. Juni für die EU entscheiden.
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