Unterhaus-Petition wurde manipuliert

  27 Juni 2016    Gelesen: 510
Unterhaus-Petition wurde manipuliert
Mehr als 3,5 Millionen Mal wird eine Petition an das britische Parlament unterzeichnet, die ein zweites EU-Referendum fordert. Allerdings kommen viele Unterschriften gar nicht von Briten.
Eine Online-Petition an das britische Unterhaus, die mehr als 3,5 Millionen Mal unterzeichnet wurde, wird vom Parlament auf Manipulationen untersucht. Der Petitionsausschuss des House of Commons teilte auf seinem Twitter-Account mit, dass 77.000 Unterschriften entfernt wurden, weil sie in betrügerischer Weise hinzugefügt worden seien.

In einem weiteren Tweet erklärte der Petitionsausschuss, seine Internetseite sei nicht gehackt worden. "Betrügerische Unterschriften wurden und werden entfernt, um die Integrität der Seite zu bewahren."

Normalerweise dürfen nur britische Staatsbürger sowie "UK residents", also Personen mit Hauptwohnsitz im Vereinigten Königreich, eine Petition unterzeichnen. Tatsächlich wurde der Antrag dem britischen "Guardian" zufolge aber auch von Personen unterstützt, auf die beides nicht zutrifft. So gab es mehr als 39.000 Unterschriften von Einwohner des Vatikan, obwohl der Zwergstaat in Rom nicht mehr als 800 Bürger hat.

Die Online-Petition fordert die britische Regierung auf, ein Gesetz einzuführen, wonach ein zweites Brexit-Referendum angesetzt werden muss, wenn die Entscheidung von weniger als 60 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von weniger als 75 Prozent herbeigeführt wurde. Genau das ist passiert: Die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent (was vergleichsweise hoch ist). Davon stimmten 51,9 Prozent für "Leave", also für den Austritt des Königreichs aus der Europäischen Union.

Für den Initiator ging der Schuss nach hinten los

Paradoxerweise ist der Initiator der Petition ein Brexit-Befürworter. William Oliver Healey startete die Abstimmung im Mai, als er davon ausging, dass die Mehrheit der Wähler sich gegen den Austritt aus der EU entscheiden würde. Jetzt, wo das Referendum in seinem Sinne ausgegangen ist, hält er seinen ursprünglichen Plan nicht mehr für eine gute Idee. Die Petition sei von der Gegenseite "gekapert" worden, schrieb Healey auf seiner Facebookseite. "Zugegeben, mein Handeln war voreilig", so Healey. Mittlerweile hat er auch kapiert, dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass ein Referendum eine Unterstützung von mindestens 60 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent erhält. Jetzt denkt er, das Ergebnis sei auf demokratische Art und Weise zustande gekommen. Er zeigte sich "erschüttert" vom Verhalten der EU-Befürworter, die mit Hilfe seiner Petition nun den Brexit stoppen wollen.

Dabei dachte er vermutlich an Briten, die in sozialen Netzwerken auch Unbefugte aufgerufen haben, die Petition zu unterstützen. Es ist nicht besonders kompliziert, die Sicherheitsmaßnahmen der Webseite des Petitionsausschusses auszutricksen. Man muss lediglich mit einem Häkchen bestätigen, dass man Brite oder "UK resident" ist. Und man muss eine gültige britische Postleitzahl eingeben. Einige Briten haben ihrem Aufruf, die Petition zu unterzeichnen, daher gleich ihre Postleitzahl hinzugefügt.

Ein konservativer Blog behauptet, 70 Prozent der Unterschriften seien von außerhalb Großbritanniens gekommen – aus Frankreich, Spanien, den USA, Australien und Deutschland und praktisch allen anderen Ländern der Welt. Erfolgreich wäre Healeys Initiative dann allerdings trotzdem gewesen: Das britische Parlament berät normalerweise über jede Petitionen, die mehr als 100.000 Unterstützer findet. Diese Marke wäre auch dann um das Zehnfache überschritten, wenn wirklich nur ein Drittel der Unterschriften von Briten kommen sollte.

Eine andere Frage ist, ob die Petition den Brexit aufhalten kann. Theoretisch könnte das Unterhaus sich zwar über das Referendum hinwegsetzen und "diesen Wahnsinn stoppen", wie ein Unterhaus-Abgeordneter am Wochenende erklärte. "Das Parlament muss jetzt entscheiden, ob wir mit dem Brexit fortfahren sollten, und dazu sollte es in der nächsten Woche eine Abstimmung im Parlament geben", forderte der Labour-Politiker David Lammy. Möglich ist ein solches Verfahren – wahrscheinlich ist es jedoch nicht.

Quelle: n-tv.de ,

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