Am Montag kam die Nachricht, dass ein Hamburger Staatsanwalt gegen Facebook-Manager wegen des Umgangs mit rechten Parolen ermittelt. Es geht um Volksverhetzung, das macht auch in den USA Schlagzeilen.
Am Dienstag ordnete das oberste Gericht in Irland an, dass Facebooks Datentransfer in die USA untersucht werden müsse. Es ist die direkte Folge eines historischen Urteils vor zwei Wochen, zu dem Facebook als Erstes einfiel, dass das Urteil Facebook nicht betreffe. Ein Irrtum.
Zwar ist es nicht neu, dass sich der alte Kontinent gegen die Techgiganten aus Amerika zu wehren versucht. Gerade in Deutschland gehört es zum guten Ton, die Politik von Facebook zu kritisieren. Zuletzt häuften sich allerdings die Probleme - und Facebook reagiert auf eine ungewohnte Weise.
Betrifft uns nicht? Betrifft uns wohl
Die Ereignisse vom Dienstag deuten sowohl die steigende Nervosität als auch die Richtung an, in die sich das schwierige Verhältnis Europa/Facebook in den kommenden Wochen entwickeln könnte.
Möglich gemacht hat das der Europäische Gerichtshof mit seinem historischen Urteil vor zwei Wochen. Die Richter erklärten den Datentransfer in die USA im Rahmen der Safe-Harbor-Regelung für ungültig, weil die Informationen der Europäer nicht ausreichend vor dem Zugriff der NSA geschützt seien (hier finden Sie die Hintergründe.). Geklagt hatte ein junger Österreicher - und zwar gegen die Praxis von Facebook.
Facebooks Reaktion nach dem Urteil: "Dieser Fall betrifft uns nicht." Zwar kann sich der Konzern darauf berufen, dass tatsächlich andere Regelungen zur Datenweiterleitung in Kraft sind, dennoch irritierte das Statement: Ein historisches Urteil des EuGH zur Praxis von Facebook soll Facebook nicht betreffen?
Nun klingt die Linie des Konzerns anders. Bei der Anhörung am Dienstag vor dem irischen High Court wollte sich Facebook aktiv einbringen. Zur Begründung hieß es: Es sei wichtig, "dass wir akkurate Informationen über unsere Abläufe und Prozesse vermitteln sowie bestehende ungenaue Vorstellungen korrigieren". Das klingt eher nach: Dieser Fall betrifft uns doch.
Eine auffällige Wortmeldung von Facebooks Sicherheitschef
Noch rätseln alle Beteiligten, was genau die Entscheidung des EuGH für Folgen hat. Facebook muss fürchten, sich nun mit den Datenschutzbehörden der Einzelstaaten - und in Deutschland gar denen der Bundesländer - auseinanderzusetzen. In einer deutschen Behörde heißt es, jetzt werde es für Facebook "richtig eng".
An Auseinandersetzungen mit Europas Datenschützern und Wettbewerbshütern ist Facebook zwar gewöhnt. Der Konzern hat Anwälte und Lobbyisten, die im Stillen Einfluss nehmen wollen - in der Öffentlichkeit hält man sich gern bedeckt. Dort begnügt sich die Firma in der Regel mit dem Hinweis, man halte sich an geltendes Recht.
Umso stärker fiel ein Beitrag von Facebooks Sicherheitschef Alex Stamos auf, mit dem er vergangene Woche ein Verfahren in Belgien in aller Öffentlichkeit kommentierte. Dort haben Datenschützer das Netzwerk wegen des Einsatzes eines Cookies verklagt, den auch Nichtnutzer in ihren Browser gepflanzt bekommen.
Stamos nutzte die nahende Entscheidung für einen Beitrag, den man als Erklärung und als Drohung interpretieren kann, der aber in jedem Fall untypisch ist. Ein Verbot des betreffenden Cookies, schrieb er, "könne die Sicherheit der Accounts der belgischen User gefährden", man müsse Besuche aus Belgien künftig argwöhnisch überprüfen, belgische Nutzer müssten überdies mit mehr Spam rechnen.
Deutsche Debatte um Facebook-Hetze geht weiter
Und dann ist da noch die Situation in Deutschland. Facebook selbst verwies auf die Möglichkeiten, Hasspostings zu melden, statt zu Anzeigen zu greifen. Das hatte der Anwalt, dessen Anzeige nun zu Ermittlungen gegen die Firma führte, in dem Fall allerdings ohne Erfolg versucht - der Prozess funktioniert einfach nicht gut. Nun fürchtet der Konzern Nachahmer und weitere Anzeigen gegen Unternehmensvertreter.
Im Sommer wurde aus der Diskussion über Hetze im Netz irgendwann eine Diskussion über Hetze bei Facebook. Das Netzwerk stand im Zentrum, weil es so groß ist, weil hier viele Leute aus unterschiedlichen Schichten aufeinanderprallen. Weil Politiker dort ebenso vertreten sind wie Normalbürger, Linksextremisten ebenso wie Neonazis. Dass andere Netzwerke wie YouTube durchaus ähnliche Probleme haben, trat dabei ein wenig in den Hintergrund. Die Debatte um Facebook jedenfalls ist nun wieder da.
Als Justizminister Heiko Maas im September Vertreter von Facebook aus Dublin einfliegen ließ, um über das Problem zu sprechen, gab der Konzern kurz vor dem Treffen bekannt, was er künftig zu tun gedenke. Man wolle besser mit NGOs zusammenarbeiten und die deutschen Nutzer für das Modell der counter speech begeistern - Gegenrede statt Hasskommentare löschen.
Es war, ähnlich wie beim Thema Datenschutz, wieder einmal eine Geste, die deutlich hinter dem zurückblieb, was die Politik gefordert hatte. Die neueren Entwicklungen zeigen, dass das künftig nicht mehr reichen könnte.
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