Heute offenbart sich der Steuerwahnsinn

  12 Juli 2016    Gelesen: 555
Heute offenbart sich der Steuerwahnsinn
Am Dienstag ist es soweit. Ab dem 12. Juli arbeiten die Deutschen in die eigene Tasche und nicht mehr für den Fiskus. Das Datum sorgt für immer mehr Frust. Schnell ändern wird sich wohl nichts.

Seit Jahren schon findet der Steuerzahlergedenktag erst in der zweiten Jahreshälfte statt. Der durchschnittliche Bundesbürger muss also länger als sechs Monate arbeiten, um Steuern und Sozialabgaben abzugelten. Erst ab diesem Tag arbeitet er rechnerisch in die eigene Tasche.

"Von einem Euro bleiben nur 47,1 Cent. Den Rest behalten Fiskus und Sozialversicherungen", sagt Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler. 52,9 Cent von jedem verdienten Euro wandern in die öffentlichen Kassen und werden so der Verfügungsgewalt des Bürgers entzogen.

Doch anders als früher ist der Steuerzahlertag kein Aufreger mehr. Fast vergessen sind die Zeiten, als die Freien Demokraten im Bundestagswahlkampf 2009 mit dem Versprechen deutlicher Steuererleichterungen fast 15 Prozent der Stimmen holten. Heute ist die FDP im Bund außerparlamentarische Opposition – kurz APO. Vielen im politischen Berlin erscheint der Steuerzahlergedenktag wie ein sinnentleertes Ritual.

Union verspricht Steuerentlastungen für Bürger

Das muss nicht so bleiben, denn 2017 steht eine neue Bundestagswahl an. Und ausgerechnet die Union plant, mit dem Versprechen von Steuerentlastungen den Bürger für sich zu gewinnen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will zum Beispiel mittlere Einkommen entlasten. Er will die Schwelle, ab der der Spitzensteuersatz von 42 Prozent greift, deutlich über die jetzigen 53.000 Euro im Jahr anheben. Es ist eine Überlegung, einfach mal in den öffentlichen Raum gestellt. Mehr nicht. Ein echtes Versprechen jedenfalls ist es noch nicht.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wenn ausgerechnet der Bundesfinanzminister anderthalb Jahre vor der Wahl andeutet, er könnte sich vorstellen, die Steuerzahler von ihrer Bürde zu entlasten. Ausgerechnet Wolfgang Schäuble, der die FDP mit ihren vollmundigen Steuerversprechen so kleingekriegt hat, dass sie nach vier Jahren Koalition mit der CDU erst einmal aus dem Bundestag flog. Der gleiche Schäuble, der zum Anfang seiner Amtszeit klarmachte, wie wenig er von Steuersenkungen hält.

Steuerzahlerbund-Präsident Holznagel sieht wachsenden Handlungsbedarf. Die Belastung der Bürger habe in den vergangenen Jahren durch heimliche Steuererhöhungen zugenommen.

"Tax Freedom Day" anderswo auf der Welt schon früher

In anderen Ländern findet sich der nationale Steuerzahlergedenktag zum Teil viel früher im Kalender. Die Briten feiern ihren Tax Freedom Day (wie der Steuerzahlergedenktag auf Englisch heißt) bereits am 3. Juni. In den USA sind die Bürger rechnerisch sogar schon am 24. April frei von Steuern und Abgaben. Das rührt daher, dass die fiskalische Belastung dort deutlich niedriger ausfällt, sei es durch geringere Steuersätze oder durch weniger Quasi-Steuern und Abgabenarten.

Auch in der deutschen Geschichte war der Tag, der das Arbeiten für den Staat und die Sozialkassen vom Arbeiten für die eigene Tasche teilt, nicht immer so spät. Noch Anfang der Siebzigerjahre fiel der Steuerzahlergedenktag auf den 9. Juni, lag also mehr als einen Monat früher als heute.

Nach einer repräsentativen Umfrage, die der Bund der Steuerzahler durchgeführt hat, wächst die Unzufriedenheit der Deutschen mit der Abgaben- und Steuerlast: Schon 86 Prozent der Befragten halten die allgemeine Steuer- und Abgabenlast für zu hoch. Ihre eigene, individuelle Belastung empfinden 77 Prozent als zu hoch. Im März 2015, als die Umfrage zum ersten Mal durchgeführt wurde, sahen das erst 63 Prozent der Befragten so.

Klassische Wähler sollen wieder stärker bedient werden

Der Stimmungswechsel in der Bevölkerung könnte dazu führen, dass das Thema Entlastung doch noch an Dynamik gewinnt. Denn 2017 ist ein Wahljahr. Auch dem Finanzminister ist klar, dass die Union ihre klassischen Wähler wieder stärker bedienen muss als zuvor. Ohnehin bleibt die Frage, was sich der Finanzminister denn als Volumen einer Entlastung vorstellt.

"Das dringendste Problem ist der Mittelstandsbauch", sagte Schäuble kürzlich auf einem Steuerberaterkongress. "Mittlere Einkommen erreichen viel zu früh die höchste Progressionsstufe." Nach Informationen der "Welt" taxiert Schäuble den Spielraum für Steuerentlastungen auf rund zwölf Milliarden Euro. Es wäre kein großer Wurf. Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2013 war die Steuerpolitik für die Union kein großes Thema. Die Ambitionen waren gering.

Einfachere Steuererklärung als Erfolg der Koalition

Die SPD hingegen ging 2013 mit einem anspruchsvolleren Konzept in den Wahlkampf: Sie präsentierte eine voll durchgerechnete Reform. Die sah allerdings keine Steuersenkungen, sondern ausschließlich Steuererhöhungen für Besserverdiener vor. Jeder, der mehr als 64.000 Euro im Jahr verdiente, sollte mehr zahlen. Die Idee verfing nicht; die Sozialdemokraten fuhren auch deshalb ein schlechtes Wahlergebnis ein.

Weil Union und SPD sich nicht auf eine gemeinsame Steuerpolitik einigen konnten, vereinbarten sie, möglichst wenig zu tun. Als größte Reform feiern die Koalitionäre das gerade beschlossene Gesetz zur "Modernisierung des Besteuerungsverfahrens", das die Steuererklärung digitaler und damit einfacher machen soll.

Holznagel ist vor allem der Solidaritätszuschlag ein Dorn im Auge. Die Abschaffung der 1995 in der jetzigen Form eingeführten Zusatzsteuer sei nicht nur deshalb geboten, weil es die fiskalischen Spielräume durch die robuste deutsche Konjunktur und historisch niedrige Zinsen gebe. "Der Wegfall des Solis wäre auch ein Akt steuerlicher Hygiene", sagt der Verbandschef. Der Solidaritätszuschlag sei in den Neunzigerjahren als zeitlich befristeter Beitrag zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt worden. Werde er jetzt einfach umgewidmet, sei das fiskalisch kein sauberes Vorgehen.

Auch nächste Legislaturperiode ohne Überraschungen?

Spielraum für Entlastungen gibt es durchaus. Deutschlands Steuereinnahmen sind auf Rekordhöhen. Selbst in den Reihen der Sozialdemokraten erkennen einige an, dass es jetzt nicht die Zeit sei, über höhere Steuern nachzudenken. Da Parteichef Sigmar Gabriel allerdings über große Konjunkturmaßnahmen für Europa nachdenkt, ist auch nicht auszuschließen, dass er dafür weitere Finanzierungsquellen suchen wird.

Nun ist nach Lage der Dinge auch bei der nächsten Wahl eine große Koalition aus Union und SPD nicht ausgeschlossen. Wenig überraschend wäre es daher, wenn die nächste Legislaturperiode in der Steuerpolitik ähnlich ereignislos verliefe.


Quelle: n24.de


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