Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, jedes Blutvergießen müsse vermieden werden. Es ist in diesem Zusammenhang bekmerkenswert, dass sich US-Außenminister Kerry gerade in Moskau aufhält. Den ganzen Tag über hatten Journalisten und Beobachter in Washington über den Zweck des Besuchs gerätselt. Es ist zur Stunde unklar, ob Russland und die USA im voraus Informationen über den Putsch gehabt hatten. Die Türkei ist ein Nato-Staat – es ist unklar, ob die Putschisten besonders Nato-treu sind und dementsprechend die Nato über ihre Pläne auf dem laufenden gehalten haben.
Sollte dies der Fall gewesen sein, ist es naheliegend, dass Kerry nach Moskau gereist ist, um Putin über die bevorstehenden Entwicklungen zu informieren. Dies ist unerlässlich, weil es sonst zu einer globalen Konfrontation hätte kommen können. Erdogan hatte zuletzt versucht, mit Russland wieder eine Gesprächsbasis zu etablieren. Russland und die USA arbeiten in Syrien eng zusammen, um den außer Kontrolle geratenen Söldner-Krieg zu beenden. Erdogan hatte bis zuletzt seine eigene Agenda in Syrien verfolgt.
US-Außenminister John Kerry äußerte die Hoffnung auf Frieden, Stabilität und „Kontinuität“ in der Türkei. Von Moskau aus sagte er, noch versuche er, sich eine Übersicht über die sich schnell entwickelnden Ereignisse zu verschaffen. US-Präsident Barack Obama wurde von seinen Beratern über die Entwicklung in der Türkei auf dem Laufenden gehalten, wie der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats mitteilte.
Von griechischer Regierungsseite hieß es, die Lage in der Türkei werde „aufmerksam und mit kühlem Kopf“ verfolgt. Griechenland und die Türkei sind beide Nato-Mitgliedsstaaten, gelten aus historischen Gründen aber als Rivalen.
Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Anadolu meldete unter Berufung auf „glaubhafte Quellen“, der Generalstabschef Hulusi Akar sei in Ankara eine Geisel der Putschisten. In einer im Staatssender TRT verlesenen Erklärung des „Rats für den Frieden im Land“ verkündeten die Putschisten, sie würden „nicht erlauben, dass die öffentliche Ordnung in der Türkei gestört werde“.
Zuvor hatte Ministerpräsident Binali Yildirim einen „illegalen Versuch“ von Teilen des Militärs verurteilt. Die Beteiligten an dem „illegalen Akt“ würden „den höchsten Preis“ zahlen, sagte Yildirim NTV am Telefon. Die Regierung werde „den Versuch“ nicht zulassen. Es sei aber nicht richtig, von einem „Putsch“ zu sprechen. Die türkischen Nachrichtensender sprachen dagegen von einem „versuchten Staatsstreich“.
Der türkische Präsident Erdogan verurteilte einen „Aufstand einer Minderheit in der Armee“. Der Staatschef rief die Bevölkerung am späten Freitagabend im Nachrichtensender CNN-Türk auf, sich auf öffentlichen Plätzen und an den Flughäfen zu versammeln, um sich der versuchten Machtübernahme entgegenzustellen. Die „Putschisten“ würden keinen Erfolg haben, sagte Erdogan dem Sender per Telefon.
Aus dem Umfeld der Präsidentschaft verlautete, Erdogan sei an einem sicheren Ort. In Ankara war eine heftige Explosion zu hören. Der Grund war zunächst unklar. Kampfflugzeuge und Militärhelikopter waren am Himmel über der Hauptstadt zu hören.
CNN-Türk berichtete über eine außergewöhnliche Mobilisierung von Sicherheitskräften vor dem Sitz des Generalstabs in Ankara. Zuvor waren die beiden Bosporus-Brücken in Istanbul teilweise gesperrt worden. Die Sicherheitskräfte schlossen die beiden Bosporus-Brücken in Istanbul für sämtlichen Verkehr von der asiatischen Seite der Millionenmetropole in Richtung der europäischen Seite, wie NTV berichtete.
Zuletzt hatte es in der Türkei 1997 einen sogenannten kalten Militärputsch gegeben, bei dem eine Machtdemonstration der Armee die damalige Regierung zum Rücktritt gezwungen hatte. Die Armee, die sich als Garant und Verteidiger der säkularen türkischen Republik sieht, hatte zuvor bereits 1960, 1971 und 1980 geputscht.
Die derzeitige islamisch-konservative Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan, dessen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) seinerzeit aus der politischen Bewegung des islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan hervorging, kämpft seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2002 darum, den politischen Einfluss der Armee zu beschneiden.
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