Die fünf großen Irrtümer in der Rentendebatte

  24 Juli 2016    Gelesen: 478
Die fünf großen Irrtümer in der Rentendebatte
Wie können wir die Altersvorsorge in Zukunft finanzieren? Es ist endlich Zeit für eine nüchterne Betrachtung. Denn selbst Experten verbreiten gravierende Denkfehler.

Nur zwei Jahre, nachdem die große Koalition mit der Mütterrente und der abschlagsfreien Rente mit 63 zwei üppige Ausweitungen der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Kraft gesetzt hat, die über die nächsten Jahrzehnte insgesamt zu Mehrausgaben von etwa 300 Milliarden Euro führen, beginnt im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 schon wieder eine neue Debatte darüber, mit welchen Wohltaten man die alternde deutsche Bevölkerung noch beglücken könnte, um sich die Gunst der Wähler zu sichern. Die langfristige Perspektive, also die Frage, wie man das vorgeschlagene Leistungsniveau auch in 20 oder 30 Jahren noch finanzieren kann, wird von Politikern, die nur bis zum nächsten Wahltag blicken, souverän ausgeblendet.

Die Wähler - vor allem die jungen - sollten sich aber nicht täuschen lassen: Die Rechnung für die heute versprochenen Leistungssteigerungen kommt bestimmt - zu einer Zeit, in der auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung deutlich höher sein werden als heute. Die Frage sollte also nicht lauten: Womit können ältere Wähler gewonnen werden? Sondern: Was können wir uns langfristig leisten, ohne dass wiederum, wie im Zuge der Agenda 2010, Sozialleistungen massiv gekürzt werden müssen, weil der Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr gerät?

Eine solche Debatte erfordert eine nüchterne Betrachtung der Tatsachen und der ökonomischen Zusammenhänge. Wer aber die Debattenbeiträge in der jüngsten Zeit verfolgt, der stellt fest, dass selbst diejenigen, die es eigentlich besser wissen müssten, oftmals gravierenden Denkfehlern aufsitzen. Im Folgenden werden fünf der meistverbreiteten Irrtümer in der Rentendebatte benannt und richtiggestellt.

Riester-Rendite oft niedriger als gedacht

Erster Irrtum: Die umlagefinanzierte Rentenversicherung hat dem durchschnittlichen Versicherten eine ordentliche positive Rendite (von etwa drei Prozent im Jahr) beschert, während die Kapitalrendite gegen null tendiert. Damit ist das bestehende Umlagesystem der Kapitaldeckung überlegen, und jegliche Versuche, es zugunsten einer kapitalgedeckten Zusatzversorgung à la Riester einzuschränken, für die Bürger ein Verlustgeschäft.

Bei dieser Rechnung werden die Beiträge, die ein Versicherter im Lauf seines Erwerbslebens an die Rentenversicherung gezahlt hat, mit seinen Rentenansprüchen (bei mittlerer Lebenserwartung) verglichen. Aber das ist in zweifacher Weise eine Milchmädchenrechnung: Weder bestehen alle Einnahmen der Rentenversicherung aus Beiträgen der Versicherten, noch bestehen alle Ausgaben aus Altersrenten. Auf der Einnahmenseite schlagen die diversen Bundeszuschüsse im Jahr 2016 mit gut 85 Milliarden Euro zu Buche; das sind mehr als 30 Prozent aller Einnahmen, die nicht der Beitragszahler, sondern der Steuerzahler aufbringt.

Auf der Ausgabenseite muss man für einen Renditevergleich zwischen der umlagefinanzierten Rentenversicherung und einer kapitalgedeckten Rente wie der Riester-Rente die Kosten der Leistungen herausrechnen, die eine Riester-Rente nicht enthält, nämlich die Ausgaben für die Krankenversicherung der Rentner (etwa 18 Milliarden Euro), für Rehabilitationsleistungen (sechs Milliarden Euro) und für die Erwerbsminderungsrente (13 Milliarden Euro), so dass von den Gesamtausgaben von 272 Milliarden Euro noch 235 Milliarden Euro verbleiben, die die Altersrenten finanzieren. Diesen stehen derzeit Beitragseinnahmen der Versicherten in Höhe von 187 Milliarden Euro gegenüber. Um die Altersrenten (und nur diese) allein aus Beiträgen zu finanzieren, würde der heutige Beitragssatz von 18,7 Prozent also nicht ausreichen, sondern er müsste etwa 23,5 Prozent betragen. Entsprechend höher hätte er auch in den vergangenen Jahrzehnten sein müssen. Damit beträgt die Rendite jedoch nicht mehr drei Prozent, wie oft behauptet wird, sondern liegt deutlich niedriger bei nur knapp über null.

Quelle: sueddeutsche.de

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