Famose Puig zerstört Kerbers Gold-Traum
Nach 2:09 Stunden hieß es schließlich 4:6, 6:4, 1:6. Als die 22-jährige Puig, Puerto Ricos erste Medaillengewinnerin überhaupt bei Olympischen Spielen, nach einem epischen siebten Spiel im dritten Satz schließlich ihren vierten Matchball nutzen konnte, bezeichnenderweise durch einen Fehler von Kerber, schlich die Deutsche teilnahmslos zum Netz. Dort verharrte sie und wartete auf die fassungslose Puig. Die hatte als erste Reaktion ihren Schläger weggeworfen, war vor Freude über ihren Sensationssieg auf der Stelle gehüpft. Nach einer kurzen Gratulation packte Kerber ihre Sachen und verschwand in den Katakomben.
Als sie wenige Minuten später zur Siegerehrung auf den Platz zurückmusste, wirkte ihr Gesicht noch immer wie versteinert. Während die sichtlich bewegte Puig und auch Bronze-Gewinnerin Petra Kvitova (Tschechien) strahlten, fiel Kerber das Lachen schwer. Die Ehrenrunde, das Posieren für die Fotografen, es schien eine Qual für die 28-Jährige. Dass sie mit Silber als erste deutsche Tennisspielerin seit Steffi Graf 1992 eine olympische Einzelmedaille gewann, war kein Trost. Gold war das Ziel, wie es Graf 1988 in Seoul als bislang einzige Deutsche gewonnen hatte.
Und auf dem Papier hatte die letzte Hürde vor olympischer Augenhöhe mit ihrem Idol für Kerber vergleichsweise niedrig gewirkt. Puig, Nr. 34 der Tennis-Weltrangliste, ungesetzt ins Turnier gestartet, für eine wie sie wurde das Wort Überraschungs-Finalistin erfunden. Auf dem Platz erwies sie sich aber von Beginn an als unangenehm. Noch mehr, als es Kerber selbst vorhergesagt hatte. "Ich habe ein richtig hartes Match erwartet, weil sie eine großartige Woche gespielt hat", sagte Kerber, als alles verloren war: "Und auch heute hat sie das beste Tennis gespielt."
Gott und Talent
Die 22-jährige Puig kämpfte nicht nur, sie spielte auch richtig gut, phasenweise spielte sie groß auf. Eben wie eine, die vor ihren Matches zwar zu Gott betet, aber dabei nicht etwa um Beistand bittet. Sondern darum, dass sie "das große Talent nutzen kann, das er mir gegeben hat". So hatte es sie nach ihrem überraschenden Dreisatzsieg im Olympia-Halbfinale gegen Petra Kvitova erzählt, ihres Zeichens zweifache Wimbledon-Siegerin. Zuvor hatte sie in Rio schon Laura Siegemund und French-Open-Siegerin Gabriele Muguruza glatt besiegt.
Kerber, die im Olympia-Turnier zuvor nur in der 1. Runde einen Satz abgegeben hatte, wirkte hingegen wie ihr schlechteres Selbst aus früheren Jahren. Nicht wie die Australian-Open-Siegerin 2016, die Wimbledon-Finalistin, die beste und konstanteste Spielerin neben US-Star Serena Williams. Kerber spielte fehlerhaft, passiv, verkrampft, verkopft. Fast leblos nahm sie Winner ihrer Gegnerin hin, die das ganze Spektrum ihres Talents mit ihren gefürchteten Grundlinienschlägen, aber auch gefühlvollen Stopps zeigte. Puig spielte mutig, nach 37 Minuten hatte sie den ersten Satz mit 6:4 gewonnen. Das entscheidende Break gelang ihr beim Stand von 4:4.
Auszeit zahlt sich aus
Kerber nahm nach dem Satz eine Auszeit, ließ sich am Rücken behandeln - und kehrte wie verwandelt auf den Platz zurück. Rasch führte sie mit 2:0. Sie spielte jetzt mit, dominierte Ballwechsel. Doch Puig blieb cool und hielt dagegen. Sie machte zwar weiter mehr Fehler als Kerber, aber ihr gelangen auch deutlich mehr direkte Gewinnschläge. Und was für welche! Longline, Cross, Stopps - die Präzision, die Wucht, das Gefühl der Puerto Ricanerin war beeindruckend, und sie beeindruckte auch Kerber. Die kämpfte und zeigte ihre Klasse, es wurde sogar ein großes Spiel vor leider erneut kleiner Kulisse auf dem Centre Court. Nach 51 Minuten gewann Kerber den Tenniskrimi im zweiten Satz schließlich mit 6:4 und erzwang einen finalen Durchgang.
Doch dort zeigte sich Puig in den entscheidenden Punkten als die bessere Spielerin, die sie an diesem Abend in Rio im Duell mit der Gold-Favoritin auch war. Beim Stand von 0:5 im dritten Durchgang servierte Kerber um den Ehrenpunkt, sie holte ihn. Anschließend schien sogar noch einmal ein Comeback denkbar, bei Aufschlag Puig führte Kerber mit 40:0. Beim Stand von 2:5 hätte der Deutschen nur noch ein Break gefehlt, um irgendwie aus dem Tal der Trauer ins Spiel zurückzufinden, auf dem Papier keimte wieder Hoffnung auf. Doch auf dem Platz war Kerber auf dem Weg zum Olymp längst falsch abgebogen.
Quelle:n-tv.de