TV-Moderatorin nach 5000-Kilometer-Radtour im Koma

  19 Auqust 2016    Gelesen: 635
TV-Moderatorin nach 5000-Kilometer-Radtour im Koma
Fast 5000 Kilometer ist Charlie Webster für eine Benefizaktion nach Rio geradelt. Nun liegt die Moderatorin im Koma. Doch die Britin ist eine Kämpferin – speziell für Missbrauchsopfer wie sie selbst.
Am Tag vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro feierte Charlie Webster ihren ganz eigenen Triumph: Fast 5000 Kilometer hatte die TV-Moderatorin per Fahrrad zurückgelegt. Von London bis Lissabon, weiter ab Recife bis zum berühmten Maracanã-Stadion. 39 Tage dauerte die Wohltätigkeitstour an der Seite von Mike Tomlinson, dem Witwer der britischen Sportlerin Jane Tomlinson, die 2007 an Krebs starb.

Am Tag der Ankunft stand Webster auf der Dachterrasse des Außenstudios des TV-Senders ITV. Blauer Himmel über ihr, im Hintergrund der olympische Park. Berauscht von Endorphinen hüpfte die 33-Jährige um die eigene Achse, warf die Hände in die Luft, lachte beseelt in die Handykamera. "Ich hab es geschafft!", schrieb sie zu dem Video, als sie es auf Twitter veröffentlichte.

Zwei Wochen später kämpft Webster um ihr Leben: Sie liegt im Koma. "Am Samstag, 6. August, ist Charlie erkrankt und wurde in ein Krankenhaus in Rio de Janeiro eingeliefert", heißt es in einem Statement auf ihrem Twitter-Account. "Was ursprünglich wie Dehydration aufgrund ihrer Radtour nach Rio erschien, hat sich mittlerweile als ernsthafte Komplikation durch eine Bakterieninfektion herausgestellt."

Wie mehrere britische Zeitungen berichten, soll es sich hierbei um eine besondere Art von Malaria handeln. Experten vom Tropeninstitut in London seien konsultiert worden.

"Ich schaff das schon", beruhigte sie ihre Fans

"Charlie hat bei der Eröffnungszeremonie angefangen, sich zu übergeben", sagte ein Freund der "Sun". Webster hätte vermutet, dass dies die Folgen der Strapazen der vergangenen Wochen gewesen seien – während der Tour gab es nur einen Ruhetag pro Woche. Besorgt über ihre Symptome hätte sie aber kurz nach Ende der Feier einen Arzt aufgesucht.

Webster selbst twitterte am folgenden Sonntag ein Foto von sich aus dem Krankenhaus. Sie wirkte blass, ein Infusionsschlauch lief seitlich zu ihrem Körper, die Beine waren mit einem Laken bedeckt. "Sechs Wochen auf der Straße enden so", kommentierte sie. "Sehr harter Tag. Schwere Dehydration und Infektion. Zwei Infusionen und Antibiotika."

Zwei Tage später ein weiteres Foto. Noch mehr Schläuche, ein Krankenbett – aber auch ein leichtes Lächeln. "Ich schaff das schon", schrieb sie dazu. "Furchtbare Tage mit einer ernsthaften Erkrankung."

Direkt danach schickte sie eine weitere Nachricht: "Ich freu mich so, Teil von Team GB hier in Rio zu sein." Eigentlich sollte Webster zu der Zeit als "Botschafterin" das Medienteam der britischen Mannschaft unterstützen.

Mittlerweile ist die Situation lebensbedrohlich. "Am Freitag wurde Charlie in ein künstliches Koma versetzt", zitierte die "Sun" am Donnerstag einen Freund. "Charlie kämpft im Moment um ihr Überleben. Aber sie ist so stark und eine fitte, gesunde Person, sodass wir positiv bleiben müssen."

Der "Sun" zufolge hatte Webster während der Reise keine vorbeugende Anti-Malaria-Medizin genommen. "Sie hatte sich über die medizinischen Risiken informiert", wurde der Freund weiter zitiert. Die Gegend, durch die sie fahren wollte, galt nicht als Gefährdungsgebiet. "Ihr wurde gesagt, dass sie keine Medikamente bräuchte."

Über ein Jahrzehnt verschwieg Webster den Missbrauch

Webster ist in Großbritannien eine bekannte Sportjournalistin. Seit über einem Jahrzehnt moderiert sie für Sender wie BBC, Sky Sports oder Real Madrid TV. 2014 war sie die erste Frau im britischen Fernsehen, die einen Boxkampf im Schwergewicht kommentierte – damals verteidigte Wladimir Klitschko seinen Titel gegen Alex Leapai.

Im Herbst desselben Jahres sorgte sie für weitere Schlagzeilen: Aus Protest gegen die Entscheidung von Sheffield United, den wegen Vergewaltigung verurteilten Fußballer Ched Evans zu verpflichten, trat sie von ihrem Posten als Wohltätigkeitsbotschafterin der Sheffield United Community Foundation zurück.

Im Zuge dessen enthüllte sie, dass sie mit 15 Jahren selbst sexuell missbraucht worden war. Täter war ihr damaliger Trainer; als Teenager hatte sie Leistungssport betrieben.

Mit Sport will Webster Gutes für andere tun

"Ich stand meinem Lauftrainer sehr nahe", sagte sie damals der BBC. "Er hat mein Vertrauen missbraucht und den Umstand, dass ich eine arglose Person war, die seine Unterstützung brauchte, sein Mitgefühl und seine Sorge."

Sie selbst hatte jedoch nicht die Kraft, den Missbrauch anzuzeigen. "Ich habe es nicht verstanden. Ich hatte kein Selbstbewusstsein. Ich wusste nicht, dass er etwas Falsches tat", sagte Webster der BBC. Es sei ein Tabu gewesen. Erst dank der Aussage eines weiteren Opfers kam der Mann für zehn Jahre in Haft.

Durch die Evans-Kontroverse habe sie schließlich den Mut gefunden, öffentlich über den Missbrauch zu sprechen. "Es hilft vielleicht jemand anderem, es ans Tageslicht zu bringen."

Webster engagiert sich seitdem verstärkt für wohltätige Zwecke, speziell mit Fokus auf den Kampf gegen Missbrauch und Krebs. Zehn Marathonrennen lief sie bisher. Im Juli 2015 nahm sie erstmals am Iron Man im nordenglischen Bolton teil, absolvierte 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen in 15.08.59 Stunden.

Die Radtour von London nach Rio – von der vergangenen zur neuen Olympiastadt – sollte ein weiterer Meilenstein werden. Nun führt sie einen anderen Kampf. "Vielen Dank für eure Unterstützung", postete Websters Familie auf Facebook. "Sie bedeutet viel."

Quelle : welt.de


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