Papst Franziskus auf Kuba: Der Hoffnungsträger

  19 September 2015    Gelesen: 681
Papst Franziskus auf Kuba: Der Hoffnungsträger
Die katholische Kirche war jahrzehntelang verpönt im kommunistischen Kuba. Inzwischen hat sich die Lage entspannt, am Samstag landet Papst Franziskus auf der Insel. Die Erwartungen der Kubaner sind groß.
Es ist eine seltsame kleine Prozession, die sich nach dem Wolkenbruch und kurz vor der Dunkelheit auf den Weg macht. Zwei Seminaristen in weißer Kutte verlassen gemessenen Schrittes die Kirche Nuestra Señora del Carmen im Zentrum von Havanna. Der eine trägt ein Holzkreuz wie eine Monstranz vor sich, der andere die "Barmherzige Jungfrau von Cobre", Kubas Schutzheilige. Ihnen folgen rund 40 Gläubige, die meisten jenseits des Pensionsalters.


Passanten und Anwohner schauen fremdelnd, manche tuscheln, andere sind belustigt. Hin und wieder reichen die Menschen in der Prozession kleine Flyer an die Umstehenden. "Brief von Papst Franziskus", steht darauf.

Zehn Minuten braucht die Prozession bis zum nahegelegenen Spielplatz an der Ecke San Francisco und San José. Die Seminaristen hängen eine Leinwand an den Zaun des Spielplatzes. Pfarrer Misael Batista kommt mit dem Auto, packt Lautsprecher und Computer aus, streift sich die braune Soutane über und ruft: "Ladet die Nachbarn ein". Dann beginnt ein kleines Video über Leben und Wirken von Papst Franziskus. Langsam strömen Anwohner herbei, Balkone füllen sich.

Vor nicht allzu langer Zeit wären solche religiösen Akte unter freiem Himmel undenkbar gewesen. 55 Jahre lang seien seinem Vorgänger Straßenprozessionen verboten worden, erzählt Pfarrer Batista. Doch die Zeiten haben sich geändert: In den vergangenen Tagen fanden überall in Kuba kleine Stadtteil-Feiern zu Ehren des Papstes statt. Am Samstag wird Franziskus in Havanna erwartet.

Batista, ein junger Pfarrer des Karmeliter-Ordens, steht seit drei Jahren der "Parroquia Nuestra Señora del Carmen" im Zentrum Havannas vor. Er sieht eine Öffnung im Verhältnis zwischen katholischer Kirche und der kommunistischen Regierung Kubas. Batista sucht kurz nach den richtigen Worten und sagt dann: "Es gibt weniger Feindschaft und mehr Freundschaft".

Seit der Revolution hatten die Kommunisten ihre liebe Mühe mit dem Katholizismus - und umgekehrt. Jesuiten-Zögling Fidel Castro schloss nach der Revolution 1959 katholische Schulen und verstaatlichte Krankenhäuser, er verwies 130 Priester und einen Weihbischof des Landes. Die katholische Amtskirche galt damals als Verbündete der konservativen wirtschaftlichen und politischen Eliten und avancierte nach der Revolution zum Hort der Opposition. Von 1975 bis 1992 definierte sich Kuba als atheistischer Staat.

Erste Annäherungen folgten nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II. vor 17 Jahren. Und spätestens 2010 wich die Konfrontation der Kooperation. Seinerzeit half Kardinal Jaime Ortega, Erzbischof von Havanna, entscheidend mit, 52 Dissidenten aus den Gefängnissen zu holen, die allesamt während des "Schwarzen Frühlings" 2003 festgenommen und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren.

Mittlerweile spielt die Katholische Kirche eine wichtige Vermittlerrolle bei den Wirtschafts- und Sozialreformen. Vor allem übernahm sie die Initiative bei der historischen Annäherung Havannas an Washington Ende vergangenen Jahres. Papst Franziskus schrieb Briefe an die Präsidenten Raúl Castro und Barack Obama, erste Vorverhandlungen fanden damals im Vatikan statt.

Raúl Castro hat erkannt, dass die Kirche ein strategischer Partner sein kann bei dem schwierigen Versuch, das Modell Kuba zu reformieren, ohne es grundsätzlich zu verändern. Für die Kirche wiederum ist diese Allianz von Vorteil, weil sie auf der Insel nur eine Rolle als Protagonist einnehmen kann, wenn sie sich in Maßen mit der Macht verbündet.

"Ich bin zwar Atheist, aber wir sind dem Papst ewig dankbar für die Vermittlung mit den USA", sagt Leoncio González, Biologe an einem staatlichen Forschungsinstitut. Franziskus passe nicht in das übliche Schema, findet González. "Er ist doch ein politischer und kein religiöser Papst", sagt er und drückt damit aus, was die meisten Kubaner denken. Sie knüpfen enorme Erwartungen an den dreitägigen Besuch. Der Papst werde für mehr Freiheiten sorgen, die Wirtschaftslage verbessern, die Castros zu Zugeständnissen bewegen und sogar helfen, dass das Wirtschaftsembargo aufgehoben wird, hört man dieser Tage in Havanna.

Selten war der Besuch eines Papstes in einem Land so überfrachtet wie dieser. Ob Kommunist oder Katholik - alle verbinden "Esperanza", Hoffnung, mit der Visite von Franziskus.

300.000 Menschen werden am Sonntag zur großen Messe auf dem Platz der Revolution erwartet. Viele von ihnen wurden von der Regierung verpflichtet, andere aber gehen aus freien Stücken zu der religiösen Zeremonie. Seit Wochen lässt die Regierung Tribünen bauen, schmückt die großen Straßen mit den gelb-weißen Fahnen des Vatikans. An der Nationalbibliothek am Rande des Revolutionsplatzes prangt ein gigantisches Abbild von Jesus: "Vengan a mí", steht darunter. "Kommt zu mir".

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