Ein Despot zu Besuch im Kanzleramt
Der bizarre Kult um Berdimuhamedow ist Ausdruck eines Regimes, das Menschenrechtler zu den repressivsten weltweit zählen - vergleichbar etwa mit Nordkorea. An diesem Montag empfängt Kanzlerin Angela Merkel den „Arkadag“ (Beschützer) von Turkmenistan in Berlin. Dessen Wüstenstaat mit 5,24 Millionen Einwohnern grenzt politisch sensibel an den Iran und an Afghanistan. Außerdem verfügt er über die viertgrößten Gasreserven der Welt.
Vor dem Besuch des turkmenischen Präsidenten Gurbanguli Berdimuchamedow in Berlin hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch deutliche Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert. Merkel sollte das Treffen mit Gurbanguly Berdimuhamedow nutzen, um Unterdrückung in der früheren Sowjetrepublik anzusprechen, sagte Hugh Williamson, Leiter der Abteilung Europa und Zentralasien, der Deutschen Presse-Agentur. Er prangerte insbesondere drei Missstände in dem zentralasiatischen Land an: Das Verschwindenlassen Dutzender Menschen in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren, die Einschränkungen der Pressefreiheit sowie willkürliche Ausreiseverbote.
Das Festhalten goldener Worte in einem Buch hat sich Berdimuhamedow von seinem Vorgänger Saparmurad Nijasow abgeschaut. Der „Turkmenbaschi“, übersetzt „Führer der Turkmenen“, machte seine Philosophie im Buch „Ruchnama“ zur Pflichtlektüre. Unter dem ehemaligen Parteifunktionär und ersten Präsidenten Turkmenistans stieg Berdimuhamedow auf, wurde dessen Leibarzt und Gesundheitsminister. Nach Nijasows Tod 2006 übernahm er selbst die Macht. Beim Personenkult hat Berdimuhamedow seinen Ziehvater Nijasow inzwischen fast eingeholt. Seit 2015 zeigt ein goldenes Denkmal in der Hauptstadt Aschgabat den Präsidenten auf einem Pferd der Achal-Tekkiner-Rasse. Die schlanken Wüstenrenner sind der Stolz Turkmenistans.
Der Präsident im Prunkbau, die Einwohner in Plattenbauten
Der Präsident kümmert sich als Pferdekenner auch um die Zucht an sich und hat verboten, dass je bei einem im Stammbuch verzeichneten Pferd der Name geändert wird. Auch um andere Details kümmert sich der Präsident am liebsten höchstselbst: Videos zeigen, wie er durch Paläste schreitet und Untergebene herunterputzt, die angeblich geraucht haben. Und nach den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro wies er seinen Sportminister Kaakbai Sejidow während einer Live-Übertragung im Fernsehen zurecht, weil die neun angetretenen Athleten – trotz neu gebauter Sportstätten mit Kosten in Milliardenhöhe – bereits in den Vorrunden ausgeschieden waren.
Die turkmenische Hauptstadt Aschgabat ist unter dem ehemaligen Präsidenten Nijasow und seinem Nachfolger zu einer geteilten Stadt geworden. Es gibt einen menschenleeren Repräsentationsteil mit Prunkbauten, eine Mischung aus Moskau und Las Vegas. Die Menschen leben dagegen in einfachen Plattenbauten. In keiner anderen ehemaligen Sowjetrepublik kommt von einem hohen Nationaleinkommen so wenig bei der Bevölkerung an, ließ sich aus dem UN-Index für menschliche Entwicklung 2015 herauslesen. Die Parallelelen zum nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un sind auffällig. 2012 ließ Berdimuhamedow sich im Amt bestätigen in einer Wahl, die – wie alle anderen – von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa als weder frei noch fair eingestuft wurde.Im Gegensatz zu Jong-un bemüht sich der turkmenische Präsident allerdings um internationale Kontakte. Gerade in den ersten Jahren seiner Herrschaft verfolgte er eine vorsichtige Öffnung und bahnte internationale Geschäfte an.
Quelle:faz.net