Deutscher Spaziergang durch Oslo

  05 September 2016    Gelesen: 412
Deutscher Spaziergang durch Oslo
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft beginnt die WM-Qualifikation mit einem 3:0 über Norwegen. Müller (2) und Kimmich treffen für Löws dominierende Auswahl.
Unter all den Erklärungsversuchen, warum es bei Thomas Müller nicht mehr klappte mit dem Toreschießen, hatte es einen nicht ganz ernst gemeinten gegeben. Müller könne halt nur WM, hieß es während der Europameisterschaft in Frankreich, bei der ihm partout nichts Zählbares gelingen wollte. Sechs Spiele lang warteten und hofften die Deutschen auf ein Müller-Tor – bis es zu spät und Joachim Löws Mannschaft im Halbfinale ausgeschieden war. Am Sonntagabend, im ersten Pflichtspiel nach der Niederlage gegen die Franzosen, dauerte es gerade einmal eine Viertelstunde, dann war Müller wieder in altbekannter Manier zur Stelle. Mit seinen Treffern zum 1:0 (15. Minute) und später zum 3:0 (60.) hatte er erheblichen Anteil an einem ansehnlichen, wenngleich nicht mitreißenden Erfolg gegen Norwegen zum Auftakt der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 in Russland.

Ob Müller dort seinen bislang zehn WM-Treffern weitere wird hinzufügen können, ist noch Zukunftsmusik, die Ouvertüre jedoch hätte ihm kaum trefflicher gelingen können. Denn der Bayern-Stürmer bereitete am Sonntagabend im Ullevaal-Stadion von Oslo auch noch den zweiten deutschen Treffer durch Joshua Kimmich vor (45.); für seinen Münchner Klubkollegen war es das Premierentor im Nationaltrikot.

Insgesamt war es ein dominanter Auftritt der Deutschen, die auch immer wieder mal ihre Qualitäten in der Offensive aufblitzen ließen, dies dann aber doch nicht mit der letzten Konsequenz verfolgten. Ein paar Fehler und Abstimmungsprobleme in der Abwehr blieben von der norwegischen Offensive, zu denen die wohlklingenden Namen King und Diomande gehörten, ungenutzt, so dass sich zur besten deutschen Krimizeit kein Spannungsbogen abzeichnete.

Wichtig, das hatten Löw und seine Spieler vorher betont, war der Sieg an sich. Anders als vor zwei Jahren haben sich die Deutschen vorgenommen, in dieser Qualifikation vorneweg zu schreiten. Das erste Etappenziel ist also erreicht. Anfang Oktober geht es weiter mit den Gruppenspielen gegen Tschechien in Hamburg sowie in Nordirland. San Marino und Aserbaidschan heißen die weiteren Gegner auf dem Weg nach Russland, der anders als die EM-Qualifikation nicht allzu viele Schlenker erlaubt: nur der Erste qualifiziert sich direkt.

Neun Weltmeister plus Hector und Kimmich
„Wir sind nicht nach Norwegen gefahren, um die wunderbare Natur anzuschauen und zu genießen“, hatte der Bundestrainer am Tag vor dem Spiel gesagt – was in gewisser Weise auch ein Jammer war angesichts der wunderbaren Spätsommertage in Oslo. Die deutschen Anhänger zog es am Sonntag in Scharen zum Holmenkollen, der einen bestechenden Blick über die Hauptstadt bot; die deutschen Fußballspieler hatten dann am Abend immer noch das Vergnügen, ihrer Arbeit unter äußerst angenehmen Bedingungen nachgehen zu können – und von den Norwegern nicht über Gebühr verleidet, der Qualitätsunterschied zwischen den beiden Teams war wie erwartet erheblich.

Ladehemmung beendet: Müller ist wieder der Torschütze vom Dienst im deutschen Team
Löws Startelf bestand aus guten Bekannten. Neun Weltmeister plus Jonas Hector und Joshua Kimmich, das war den Namen nach ein stattliches Aufgebot. Klassisch mutete auch die deutsche Grundformation an, aber jenes 4-2-3-1 hatte nur defensiv einigermaßen Bestand. Offensiv schob Löw nach vorne, was nur ging – so dass sich bisweilen nur Mats Hummels als letzte Absicherung hinten aufhielt, partiell unterstützt von Benedikt Höwedes. Zu Beginn führte das noch zu zwei Schrecksekunden nach eher läppischen Fehlern, vor allem ein missratener Rückpass von Hummels hätte den Deutschen Unheil bescheren können, wäre King gegen Höwedes entschlossener zu Werke gegangen. Und etwas später strich ein brachialer Schuss von King nur knapp über das Tor. Ansonsten aber war es eine ziemlich einseitige Angelegenheit.

Müllers Rückkehr zur alten Routine

Ohne allzu sehr ins Tempo gehen zu müssen, kam Löws Team dem Tor nahe – weil das Positionsspiel stimmte, und viele Anspieloptionen geschaffen wurden, auch dank der aufrückenden Außenverteidiger Hector und Kimmich und den dann nach innen ziehenden Draxler und Müller. Eine erste Großchance von Höwedes parierte Jarstein, der Torwart von Hertha BSC, noch spektakulär mit dem Fuß. Wenig später aber war er bezwungen. Özil hatte Müller im Strafraum freigespielt, dessen erster Versuch fand noch nicht den Weg ins Tor, doch Müller, der dabei zu Boden gegangen war, rappelte sich auf, setzte mit links nach – und durfte endlich mal wieder jubeln. Er hatte sich und seine Teamkollegen hatten ihm diesen schnellen Treffer gewünscht, der möglichst eine Rückkehr zur alten Routine markieren soll. Vor dem 2:0 dann zeigte sich Müller von seiner anderen guten Seite: als umsichtiger Vorbereiter, der Kimmich den Ball so präzise in den Lauf legte, dass der mit einem einzigen Berührung, einem trockenen Flachschuss ins linke Eck, vollenden konnte.

Mit diesem Zwei-Tore-Vorsprung unmittelbar vor dem Pausenpfiff war alles für eine sorgenfreie zweite Hälfte bereitet. Aber weil es schon einmal so schön lief, hatte Müller noch eine Zugabe in petto. Nach Khediras Flanke von rechts war er diesmal per Kopf zur Stelle. Was nebenbei noch einmal unterstrich, über welch breites Repertoire dieser Mann verfügt. Normalerweise.


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