Sven Lau, der sich selbst „Abu Adam“ nennt, gilt schon lange als einer der begabtesten Selbstdarsteller und Wichtigtuer der Salafistenszene in Deutschland. Mit maximaler medialer Wirkung gelang es ihm vor genau zwei Jahren, eine Missionierungsprovokation zu erzielen. In orangefarbenen Warnwesten mit der Aufschrift „Sharia Police“ ging Lau gemeinsam mit einer Handvoll seiner Anhänger in Wuppertal „auf Streife“. Besucher von Spielhallen, Diskotheken und Sonnenstudios forderten die selbsternannten Sittenwächter dazu auf, keinen Alkohol zu trinken, kein Glücksspiel zu betreiben, keine Musik zu hören. Sogar die Bundesregierung sah Anlass zu scharfen Reaktionen. Von Gewalt distanzierte sich Lau öffentlich und wurde auch vom Verfassungsschutz lange Zeit nicht dem dschihadistischen Teil der Salafistenszene in Deutschland zugerechnet.
Wegen Terrorverdacht vor Gericht
Doch von diesem Dienstag an muss sich der Prediger vor einem der Staatsschutzsenate des Oberlandesgerichts Düsseldorf wegen Terrorverdachts verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft Lau vor, ein aktiver Unterstützer der Terrorvereinigung „Armee der Auswanderer und Helfer“ (JAMWA) gewesen zu sein, die eng mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) verbunden ist. Nach Überzeugung der obersten deutschen Ankläger war Lau von Deutschland aus als verlängerter Arm von JAMWA tätig. Lau habe als „eine Anlaufstelle für Kampf- und Ausreisewillige, insbesondere aus der salafistischen Szene im Großraum Düsseldorf“, gewirkt.
Zwei Salafisten soll Lau mit Hilfe eines der bekanntesten dschihadistischen Schleuser zu JAMWA nach Syrien gelotst haben. Bei einem der beiden Männer handelt es sich um den zwischenzeitlich in Stuttgart zu viereinhalb Jahren Haft verurteilten Ismail I., der Lau in den Vernehmungen schwer belastet hat. Lau soll die Terrorvereinigung unter dem Deckmantel humanitärer Hilfeleistungen unterstützt haben - unter anderem soll er mehrere Fahrzeuge besorgt haben. „Helfen in Not“ heißt ein Verein, den Lau unterstütze. Verfassungsschützer hatten den vor drei Jahren gegründeten Verein schnell im Verdacht, nicht nur humanitäre Hilfe zu leisten, sondern auch als eine Art Reisebüro für Dschihad-Willige zu fungieren. Bald fiel den Ermittlern auf, dass auch aus Laus Umfeld junge Männer und Frauen nach Syrien verschwanden.
Ende September 2013 war Lau dann auch selbst in Syrien, wo er 250 Euro an Ismail I. übergeben und den Auftrag erhalten haben soll, Nachtsichtgeräte im Wert von mehr als 1400 Euro für die Terroreinheit zu kaufen. Diese brachte er laut Anklage wenig später entweder selbst oder über eine islamistische Hilfsorganisation in das JAMWA-Basislager nach Syrien.
Laus Anwalt, der Bonner Strafverteidiger Mutlu Günal, weist die Vorwürfe „mit Nachdruck“ zurück. Die Anklage werde wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Günal spielt damit auch auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart an. Schon im Herbst 2013 war Lau nämlich ins Visier der Ermittler geraten. Damals hatte die Polizei auf einer Autobahnraststätte im schwäbischen Gruibingen Ismail I. und einen weiteren Amateur-Gotteskrieger festgenommen. Die Stuttgarter Ermittler erhoben damals wegen der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“ nach Paragraph 89 a auch gegen Lau Anklage, Anfang 2014 wurde der Salafistenprediger festgenommen. Damals hatte sich Laus Anwalt Günal im Gespräch mit dieser Zeitung überzeugt gezeigt, dass das Verfahren gegen seinen Mandanten im Fiasko für die Ermittler enden werde.
Dass der Generalbundesanwalt zwar die Ermittlungen im Fall Gruibingen, nicht aber im Fall Lau an sich gezogen habe, zeige, wie „wenig gerichtsverwertbar“ die Beweise gegen Lau seien. Solange die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen nicht an sich ziehe, mache er sich keine Sorgen. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach Paragraph 89 a eng auszulegen sei, nahm die Staatsanwaltschaft Stuttgart tatsächlich wenig später ihre Anklage gegen Lau zurück und setzte ihn auf freien Fuß. Es sei nicht zu belegen, dass Lau schon fest entschlossen zu einer schweren staatsgefährdenden Straftat gewesen sei, teilte die Behörde damals mit. Das scheint nun anders zu sein.
„Einladung zum Paradies“
Die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft umfasst 80 Seiten. Die Ermittler haben mehrere Zeugenaussagen, aber auch Video-Botschaften, Chat-Dateien und Fotos von Laus Computern in großem Umfang ausgewertet. Auch im Internet gibt es Videos, die Lau im Jahr 2013 in Syrien zeigen. Auf einem Foto ist „Abu Adam“ mit fünf weiteren jungen Männern auf einem Panzer zu sehen; über einer Schulter trägt er ein Gewehr.
Neben Pierre Vogel war der frühere Berufsfeuerwehrmann Sven Lau bisher einer der einflussreichsten Salafistenführer und Salafistenorganisatoren in Deutschland. Sein Verein „Einladung zum Paradies“ (EZP) in Mönchengladbach war eine Zeitlang einer der wichtigsten salafistischen Treffpunkte in Deutschland. Regelmäßig trafen sich EZP-Mitglieder in ihren salafistischen Phantasiegewändern in einem Stadtteil, um demonstrativ auf einem Marktplatz zu beten.
Mann der radikalen Missionierung
Nach heftigen Bürgerprotesten in Mönchengladbach löste sich EZP zwar selbst auf, und das Zentrum des organisierten Salafismus verschob sich zeitweilig nach Solingen zum Verein „Millatu Ibrahim“ des Hasspredigers Mohamed Mahmoud, der später in den „Heiligen Krieg“ zog und sich dem IS anschloss. Lau entschied sich für einen anderen Weg. Auf die Frage, ob er seine Glaubensbrüder verstehe, die in den „Heiligen Krieg“ ziehen, antwortete Lau im März 2013 der Zeitschrift „Spiegel“ vieldeutig. Natürlich habe er das Bedürfnis, zu helfen, aber er sei nicht ausgebildet für den Kampf. „Ich bin kein Kämpfer, ich schicke lieber Geld und Medikamente.“
Jedenfalls blieb Lau ein ideologisches Bindeglied der Szene. Gutachter bescheinigen ihm aufgrund seiner „emotionalen Rhetorik“ eine „hohe suggestive Wirkung“ auf junge Leute. Der frühere Brandmeister Lau ist ein Mann der radikalen Missionierung, ein geistiger Brandstifter, der junge Leute radikalisierte. Ob und wie er einige von ihnen anstiftete, in den „Dschihad“ zu ziehen, sind zwei der Fragen, die von diesem Dienstag an am Oberlandesgericht Düsseldorf zu klären sind. Ein schneller Prozess wird es nicht werden: 30 Verhandlungstage hat der Senat bis Mitte Januar angesetzt.
Warum in Düsseldorf so viele Terrorprozesse stattfinden
Der Strafprozess gegen Sven Lau findet in der Außenstelle des Oberlandesgerichts Düsseldorf statt. Es handelt sich um eine schwer bewachte Festung mit zwei Sitzungssälen, einem Hausgefängnis und einem Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Bei dem 2003 fertiggestellten Hochsicherheitstrakt, der zwischen den Stadtteilen Hamm und Bilk am Rande von Gemüsefeldern gelegen ist, handelt es sich um die derzeit modernste Anlage ihrer Art in Deutschland. Dass sich Düsseldorf, wie der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) Mitte August bei einem Ortstermin formuliert, zum „herausragendsten Prozessstandort für terroristische Verfahren in Deutschland entwickelt hat, liegt auch an dem Gebäude“. Zudem gilt das Düsseldorfer OLG als besonders „terrorerfahren“. Die Bundesanwaltschaft jedenfalls gibt Verfahren, bei denen ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Zuständigkeit besteht (bei Straftaten, die im Ausland begangen wurden), jedenfalls auffällig oft nach Düsseldorf. Am OLG Düsseldorf arbeiten mittlerweile drei Staatsschutzsenate mit insgesamt 22 Richtern. Für gewöhnlich hat jeder Senat fünf Richter. Doch Staatsschutzverfahren sind besonders aufwändig, und wegen der häufig besonders langen Verfahrensdauer brauchen Staatsschutzsenate entsprechend mehr Ergänzungsrichter. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Staatsschutzverfahren stark zugenommen: Waren es 2007 noch zwei, so gingen im vergangenen Jahr 15 Anklageschriften des Generalbundesanwalts bei den im Düsseldorfer Hochsicherheitsgericht tagenden Richtern ein. Nicht nur Justizminister Kutschaty rechnet mit einer weiteren Zunahme. Auch Bayern wappnet sich für eine wachsene Zahl von Prozessen im Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus, aber auch gegen Mitglieder der organisierten Kriminalität: Am Montag eröffnete der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) einen Hochsicherheitsgerichtssaal in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim. (reb.)
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