11. September 2001 Wo war George W. Bush?

  11 September 2016    Gelesen: 696
11. September 2001 Wo war George W. Bush?
Nach den Attacken des 11. September 2001 flüchtete George W. Bush an Bord der Air Force One. Ein Journalist hat jetzt die dramatischen Stunden in der Präsidentenmaschine rekonstruiert.
Die Attacken des 11. September sind längst Geschichte, viele Bilder jenes Tages im kollektiven Gedächtnis der Welt verankert. Auch jenes von US-Präsident George W. Bush, der vor einer Schulklasse sitzt und aus einem Buch vorliest, als ihn die Nachricht der Angriffe ereilt. Was danach geschah, wo sich Bush dann aufhielt, darüber war bislang wenig bekannt. Es war einer der wenig ausgeleuchteten Aspekte dieses Tages, der die Welt veränderte. Bis jetzt.

Das US-Magazin "Politico" hat die Stunden nach den Attacken auf die Twin Towers, wie der US-Präsident sie fern New Yorks erlebte, minutiös nachgezeichnet. Autor Garrett M. Graff hat mit den Menschen gesprochen, die sich an jenem Tag an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One befanden. Und die Geschehnisse anhand der Gesprächsprotokolle rekonstruiert.

Denn George W. Bush befand sich nach den Angriffen nicht geschützt in einem Bunker, sondern dort, wo man ihn am sichersten wähnte. Hoch oben in der Luft. Mit ihm an Bord: seine Entourage, Pressevertreter, der Secret Service. Aus den Erinnerungen dieser Begleiter entsteht ein genauso gespenstisches wie lebendiges Bild jener Stunden.

Flucht in 14.000 Meter Höhe

Wie die sogenannte Motorcade, der Motorrad- und Limousinen-Korso des Präsidenten, nach dem Auftritt in der Schule zum Flughafen rast und wie Personenschützer Dave Wilkinson anordnet, die Kreuzungen entlang der Strecke nicht nur durch Streifenpolizisten, sondern doppelt und dreifach durch Streifenwagen zu blockieren. "Weil wir Angst vor einer Autobombe hatten."

Wie hilflos teils auf die Bedrohung reagiert wurde. "Noch nie war es so schwer, an Bord der Maschine zu kommen", schildert B. Alexander Kress, bildungspolitischer Berater des Präsidenten, die Ankunft am Flughafen. "Normalerweise reichte es, den Mitarbeiter- oder Presseausweis, den wir angeheftet hatten, vorzuzeigen. Diesmal mussten wir uns zusätzlich mit Pass ausweisen - obwohl uns die Secret-Service-Leute schon lange kannten."

In den Stunden danach irrt die Maschine in knapp 14.000 Metern Höhe über den amerikanischen Kontinent, weil die aktuelle Bedrohungslage nicht klar ist und niemand weiß, wo man sicher landen kann. Nur bruchstückhaft gelangen die Informationen in der Prä-Smartphone-Ära in den inneren Zirkel, Chaos prägt diese Stunden, alles scheint möglich, auch ein Angriff auf die Präsidentenmaschine. Jedes unidentifizierte Agrarflugzeug ist eine potenzielle fliegende Bombe.

Die Fassungslosigkeit angesichts der Tat ist durch diese sehr persönlichen Schilderungen stets greifbar. Und auch die Einsamkeit der Situation. Schon kurz nach den Attacken in New York wird der Luftraum über den USA geräumt und alle Flugzeuge an den Boden beordert. Bis auf Kampfjets, die patrouillieren - und die Präsidentenmaschine. "Hier oben, das ist doch der sicherste Ort, den es gerade gibt?", fragt Ellen Eckert, Stenografin im Weißen Haus, einen der mitfliegenden Personenschützer. Der antwortet: "Hängen Sie das nicht an die große Glocke, aber wir könnten uns auch ein großes, rotes Kreuz unten auf den Rumpf pinseln - wir sind das einzige Flugzeug am Himmel."

Ein selten intimer Blick auf George W. Bush

Die Riege derjenigen, die sich von Autor Graff haben interviewen lassen, ist beeindruckend. Vom F-16-Kampfjet-Piloten, der die Air Force One eskortierte, bis hin zum innersten Zirkel der Macht - Stabschef Andy Card, sein Vize Karl Rowe, Pressesprecher Ari Fleischer - standen dem Journalisten die Protagonisten dieses seltsamen Fluges Rede und Antwort. Und füllen so Stück für Stück, Erinnerung für Erinnerung, eine der letzten Lücken in der Geschichtsschreibung dieses Ereignisses.

"Ich war selber Pilot bei der Nationalgarde", sagt George W. Bush seinem Stabschef, nachdem er von der Air Force One aus den Befehl gegeben hat, weitere entführte Passagierjets im Zweifelsfall vom Himmel zu schießen. "Ich hätte diesen Befehl auch bekommen können. Und ich kann mir nicht vorstellen, so einen Befehl zu bekommen", sagt Bush.

Vor allem diese hochrangigen Gesprächspartner ermöglichen durch ihre Erinnerungen auch einen genaueren Blick darauf, was den Präsidenten in jenen Stunden bewegte. Denn eine Person hat nicht mit Graff gesprochen. George W. Bush.

Quelle : spiegel.de

Tags:


Newsticker