Eine Zukunft, 27 Meinungen

  16 September 2016    Gelesen: 718
Eine Zukunft, 27 Meinungen
Was passiert mit Europa nach dem Brexit? Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich am Freitag erneut ohne die Briten. Doch ihre Vorstellungen über die Zukunft der EU gehen weit auseinander.
Europas Staats- und Regierungschefs tagen, und die Briten müssen draußen bleiben. Zwar kommen die Staatenlenker am Freitag in Bratislava nur zu einem informellen Treffen zusammen, auf dem keine offiziellen Beschlüsse gefasst werden können - schließlich ist Großbritannien trotz Austrittsvotum immer noch EU-Mitglied. Doch es werden wichtige Weichenstellungen für die Zukunft der Europäischen Union erwartet.

Wie die aussehen soll, ist heftig umstritten. Klar ist nur eines: Ein großer Teil der Bürger ist unzufrieden mit der EU oder überhaupt nicht mehr an ihr interessiert. Wie das geändert werden kann, ist offen. Im Großen und Ganzen ist die EU in zwei Lager gespalten: Die einen wollen nach dem Motto "Jetzt erst recht" die europäische Integration forcieren, wie etwa Deutschland und Frankreich. Die anderen - allen voran Polen und Ungarn - wollen die Position der Nationalstaaten stärken.

Worum geht es beim Gipfel in Bratislava?

Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Deutschland und Frankreich haben innerhalb weniger Wochen zwei Vorstöße unternommen. Im August machten sie zunächst weitreichende Vorschläge für die europäische Zusammenarbeit bei innerer Sicherheit und Terrorabwehr, vor einigen Tagen wurde dann eine gemeinsame Initiative zu mehr Kooperation im militärischen Bereich öffentlich. Kernpunkte der Pläne, die in Bratislava besprochen werden sollen, sind ein EU-Militärhauptquartier und eine Abstimmung bei Rüstungsausgaben.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das Vorhaben in seiner Rede zur Lage der Union am Mittwoch bereits befürwortet, am Freitag warb auch der italienische Außenminister Paolo Gentiloni auf "Politico" für eine gemeinsame EU-Verteidigungsstrategie. Derartige Pläne wären bisher prompt am Widerstand Londons gescheitert. Sollte die EU hier Fortschritte erzielen, wäre das ein klares Signal, dass es in manchen Bereichen ohne die Briten sogar besser vorangehen könnte.

Einwanderung: Sie ist laut Umfragen die derzeit größte Sorge der EU-Bürger, zugleich ist die Union in dieser Frage besonders weit von Einigkeit entfernt. Vor etwa einem Jahr wurde die Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen beschlossen - gegen den Widerstand osteuropäischer Staaten. Doch bisher ist nur ein Bruchteil davon verteilt, und eine Besserung ist kaum absehbar. Ungarn etwa klagt vor dem Europäischen Gerichtshof gegen den Beschluss und will im Oktober ein Referendum über EU-Quoten zur Aufnahme von Flüchtlingen abhalten. In Bratislava wollen die Viségrad-Staaten Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien ihre restriktive Position geschlossen vertreten. Deshalb rechnet sowohl in Brüssel als auch in Berlin niemand damit, dass es zu nennenswerten Fortschritten in dieser Frage kommt.

Wirtschaftliche Lage: Auch sie dürfte in Bratislava eine Rolle spielen. Hier dreht sich der Streit vor allem um die Sparpolitik, die Deutschland und andere nordeuropäische Staaten befürworten. Wie in der Flüchtlingspolitik gibt es auch hier eine Koalition gegen Nord- und Westeuropa: Die südeuropäischen Länder, die meisten davon Mittelmeeranrainer, wollen in Bratislava gemeinsam ein Wachstumsprogramm fordern. Damit wird auch die Aufweichung des Stabilitätspakts ein Thema.

Quelle : spiegel.de

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