Merkel gesteht Fehler in der Flüchtlingspolitik ein

  19 September 2016    Gelesen: 670
Merkel gesteht Fehler in der Flüchtlingspolitik ein
Nach der Wahlniederlage in Berlin übernimmt Kanzlerin Merkel eine Mitverantwortung und gesteht Fehler in ihrer Flüchtlingspolitik ein. „Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen“, sagte sie – bei ihrem Kurs will sie trotzdem bleiben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Versäumnisse der Regierung im Umgang mit der Flüchtlingskrise 2015 eingeräumt. Wenn sie könnte, würde sie die Zeit zurückdrehen, damit Deutschland besser auf die Entwicklungen vorbereitet gewesen wäre, sagte Merkel am Montag in Berlin. Sie werde dafür kämpfen, dass eine solche Krise nicht mehr passieren könne. „Die Wiederholung der Situation will niemand, auch ich nicht.“ Es müsse aber auch gesehen werden, dass immer weniger Flüchtlinge nach Deutschland kämen.

Merkel reagierte mit ihren Äußerungen auf den Ausgang der Landtagswahl in Berlin vom Sonntag, bei der die CDU ihr bislang schlechtestes Ergebnis eingefahren hat. Als Bundesvorsitzende der Partei trage auch sie dafür eine Verantwortung, betonte Merkel. Die Wahl in Berlin habe für die CDU ein „sehr unbefriedigendes Ergebnis, ein enttäuschendes Ergebnis“, so Merkel. Dass die CDU gegenüber dem letzten „schon nicht guten Ergebnis“ noch einmal fast sechs Prozent eingebüßt habe, sei „sehr bitter“.

Merkel sagte, manch einem in Deutschland gefalle es nicht, dass Ziel, Richtung und Grundüberzeugung der Flüchtlingspolitik der Regierung „nicht ausreichend erklärt worden“ sei. Deshalb wolle sie sich künftig darum bemühen, dies besser zu tun. In ihren Satz „Wir schaffen das“ sei „viel hineingeheimnist“ worden, sagte Merkel, „so viel, dass ich ihn kaum noch wiederholen mag, weil er beinahe zur Leerformel geworden ist“. Mancher habe sich sogar von ihm „provoziert“ gefühlt, dabei sei das von ihr nie so gemeint gewesen. „Ich habe den Satz dezidiert anerkennt gemeint“, so Merkel. „Weil ich von der Hilfsbereitschaft der hier lebenden Deutschen überzeugt bin.“

„Ich habe mich zu lange auf Dublin verlassen“

„Das alles sagt sich schnell, es geht aber nicht schnell, auch weil wir nicht alles richtig gemacht haben“, sagte Merkel weiter. „Wir waren nicht gerade Weltmeister bei der Integration und haben zu lange gewartet, bevor wir uns der Flüchtlingsfrage genähert haben.“ Auch sie selbst habe sich „lange Zeit auf das Dublin-Verfahren verlassen. Das war nicht gut.“

Eine Kursänderung in ihrer Flüchtlingspolitik lehnte Merkel trotz des Eingeständnisses von Versäumnissen abermals ab. So hätten in einer Umfrage 82 Prozent der Befragten eine Kursänderung gefordert. „Wenn ich dieser schieren Zahl präzise entnehmen könnte, welche Kursänderung sich die Menschen wünschen, dann würde ich darüber gerne in eine Diskussion eintreten“, so Merkel. Wenn damit gemeint sei, dass die Menschen schlichtweg keine Fremden und speziell keine Fremden islamischen Glaubens in Deutschland wollten, dann könne sie als Kanzlerin dem nicht folgen, weil das Grundgesetz und das „ethische Fundament“ der CDU dem widerspreche, so Merkel. „Wenn die 82 Prozent mir aber sagen wollen, die Situation aus dem vergangenen Jahr soll sich nicht noch einmal wiederholen, dann kämpfe ich genau dafür. Diesem Ziel dienen alle Maßnahmen der letzten Monate.“ Merkel fügte hinzu, sie stehe „weiter voll„ zu ihrer Entscheidung aus dem letzten Herbst, die Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland einreisen zu lassen.

Noch (zweck-)optimistisch vor der Wahlschlappe von Berlin: Merkel und der Berliner CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel am vergangenen Mittwoch in Berlin
Sie wolle nichts „versprechen, das ich nicht halten kann“, aber schon jetzt habe sich die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtligne deutlich reduziert, sagte Merkel weiter. Das sei ein Resultat der Schließung der Balkanroute, aber vor allem des EU-Türkei-Abkommens, auch wenn dieses umstritten sei. „Ich halte das Abkommen nach wie vor für sehr sinnvoll, auch wenn es noch nicht komplett ausverhandelt ist.„ So habe es bereits dazu beigetragen, das Schlepper-Wesen in der Ägäis wirksam zu bekämpfen.

Merkel kritisierte die fehlende Solidarität in der EU in der Flüchtlingspolitik. Diese sei „derzeit nicht gut verfasst“. „Wir haben in Europa noch immer kein gemeinsames Verständnis davon, die Flüchtlingskrise als das zu erkennen, was sie ist: als globale und moralische Herausforderung. Daraus müssen wir in Europa die notwendigen Schlussfolgerungen tun.“

„Deutschland wird sich verändern“

„All das wird niemanden überzeugen, der nur und ausdauernd ,Merkel weg` schreit“. Einige im Land hätten das Gefühl, sie treibe das Land in die Überfremdung, Deutschland sei bald „nicht mehr wiederzuerkennen“. „Es wäre unlogisch, da mit Fakten zu kontern, auch wenn ich sofort in der Lage, sie herunterzubeten“, sagte Merkel.

Stattdessen habe sie das „absolut sichere Gefühl, dass wir aus dieser komplizierten Phase besser hinausgehen werden als wir hineingegangen sind.“ Deutschland wird sich verändern, es wird sich aber in seinen Grundfesten nicht erschüttern lassen.“ Das sei selbst in dem „einschneidenden, verunsichernden vergangenen Jahr nicht passiert. „Das sind meine Gedanken, um das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen, die es verloren haben.

In Richtung CSU, die Merkel wegen ihrer Flüchtlingskrise in den vergangenen Monaten immer wieder heftig angegriffen hatte, sagte Merkel, CDU und CSU einten „sehr viele Dinge: die Sicherheitspakete, die Integrationspolitik, die Bekämpfung von Fluchtursachen“. Trotzdem habe man im Verhältnis zur CSU noch „ein Stück Arbeit vor uns“.


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