Der syrische Präsident, Baschar al-Assad, unternimmt einen neuen Versuch, den von Rebellen gehaltenen Ostteil Aleppos zu erobern. Die Versuche, den Bürgerkrieg, der bereits ins sechste Jahr gegangen ist, diplomatisch zu lösen, kommen unterdessen nicht voran.
US-Außenminister John Kerry sprach in der Nacht nach gescheiterten Gesprächen am Rande der UN-Vollversammlung von wachsender Frustration, sein russischer Amtskollege, Sergej Lawrow, räumte ein, dass man nicht vorangekommen sei.
Wer profitiert davon? Zuallererst der syrische Machthaber Assad – und das aus vielen Gründen.
Erstens: Solange die Diplomatie nicht vorankommt, bleibt es in Syrien beim Status Quo. Und der ist: Assad, der sich vom Einsatz chemischer Waffen über Folter bis hin zu gezielten Attacken auf Zivilisten unzähliger Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat, bleibt im Amt.
Je länger das Chaos anhält, desto größer scheint gar die Wahrscheinlichkeit, dass er selbst dann Präsident bleibt, wenn sich Russland, die USA und die vielen regionalen Mächte, die in den Konflikt verwickelt sind, endlich einigen. Selbst aus Reihen der türkischen Regierung, die von allen Beteiligten am vehementesten den Sturz Assads gefordert hat, waren in den vergangenen Wochen Andeutungen zu hören, Assad könne zumindest vorübergehend im Amt bleiben. Aussichtslosigkeit macht kompromissbereit.
Zweitens: Während Russland und die USA vergeblich nach einer gemeinsamen Lösung suchen, kann Assad darauf hoffen, den Aufständigen in Aleppo doch noch den entscheidenden Schlag zu versetzen. Es gilt zwar als unwahrscheinlich, dass er je wieder ganz Syrien kontrollieren wird, doch mit der Unterstützung Russlands, des Irans und diverser weiterer Mächte des schiitischen Islams kann er seine Einflusssphäre ausbauen.
Drittens: Selbst wenn es Assad nicht gelingt, Aleppo zu erobern, kann er die fortwährenden Kämpfe als Erfolg verbuchen. Je länger in Syrien gebombt wird, desto überzeugender klingt Assads Narrativ seines Krieges gegen die eigene Bevölkerung. Von Anfang an nannte er auch die friedlichen Demonstranten, die sich gegen seine autoritäre Herrschaft stellten, "Terroristen".
Dass sich die Aufständigen im verwüsteten Ostteil Aleppos überhaupt noch halten können, hat vor allem einen Grund: Verschiedenste Milizen und Rebellengruppen bündeln ihre Kräfte – allen Widersprüchen zum Trotz. Eher säkulare Gruppen paktieren mit radikalen Salafisten und Dschihadisten. Dabei spielt auch der Al-Kaida-Ableger Nusra-Front eine Rolle, der sich kürzlich zwar von der Terrorgruppe distanziert hat und sich nun Jabhat Fatah al-Sham (Front zur Eroberung der Levante) nennt. Doch dabei handelt es sich wohl vor allem um eine Marketing-Kampagne. Die Gruppe bleibt radikal und sie ist nicht die einzige, für die das gilt. Am Kampf um Aleppo sind auch Milizen beteiligt, die bereits durch Entführungen von humanitären Helfern auf sich aufmerksam gemacht haben.
Moskau zerstört Früchte der eigenen Diplomatie
Zwar macht sich auch Russland im Ringen mit dem alten Rivalen USA diese Lesart zu eigen. Als US-Kampfjets am Wochenende statt IS-Kämpfern versehentlich syrische Streitkräfte trafen, was bei komplizierten Frontverläufen trotz modernster Technik immer wieder passiert - auch den Russen -, hieß es aus dem Kreml: "Da haben wir`s. Washington verteidigt die IS-Terroristen."
Doch dass Russland sich daraufhin von der Waffenruhe verabschiedete, schadet den eigenen Zielen. Denn Ziel der Vereinbarungen zwischen Moskau und Washington war nicht nur wie bei früheren Versuchen die Waffenruhe und ein ausgesprochen vager Pfad für einen Friedensprozess. Nach einer Übergangszeit sollte auch ein koordinierter Kampf gegen den IS folgen. Das zusehends isolierte Russland wäre wieder ein Partner – weitgehend auf Augenhöhe mit den USA. Dass Moskau in Syrien weiterhin eine Rolle spielen würde - das Land ist der einzige verbliebene Brückenkopf Russlands im Nahen Osten - wäre damit eher wahrscheinlicher als unwahrscheinlicher geworden.
Der Moskau-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" schrieb dazu, dass "in der Hitze des Gefechts und der überhitzten Propaganda die Erfolge der eigenen Diplomatie zerstört" worden seien, als Russland entschied, Assad eine Aufkündigung der Waffenruhe zuzugestehen.
Obama hinterlässt ein düsteres Vermächtnis
In Moskau kann man sich vielleicht noch damit trösten, dass es keine Lösung des Konflikts ohne den Kreml geben kann, vor allem aber damit, dass die USA in Syrien noch grandioser scheitern als man selbst. Die "New York Times" widmete bereits dem Umstand einen Artikel, dass Präsident Barack Obama stets seinen Außenminister auf diplomatische Mission schickt und nie persönlich beteiligt ist. Der Grund: Der Syrien-Konflikt wirft ohnehin schon einen dunklen Schatten auf seine Präsidentschaft. Bis zum Ablauf seiner Amtszeit Ende dieses Jahres werden die USA diplomatisch nicht mehr viel in Syrien erreichen können. Ein stärkeres militärisches Engagement hält Obama zugleich seit jeher für falsch. Selbst nachdem Assad 2013 Zivilisten mit Giftgas tötete und damit Obamas "rote Linie" überschritt, wagte er es nicht einmal, die moderaten Rebellen, von denen es damals noch eine nennenswerte Zahl gab, so aufzurüsten, dass sie wirklich eine Chance gegen das Regime gehabt hätten.
Die Bilanz von Obamas Nahost-Politik wird sein, dass er seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin einen offenen Konflikt mit amerikanischer Beteiligung übergibt – obwohl er das Ziel hatte, sich nach den US-Interventionen in Afghanistan und im Irak militärisch aus der Region zurückzuziehen.
Tags: