Schulz hat bessere Chancen gegen Merkel

  12 Oktober 2016    Gelesen: 558
Schulz hat bessere Chancen gegen Merkel
Um bei der Bundestagswahl 2017 gut abzuschneiden, braucht die SPD einen aussichtsreichen Kanzlerkandidaten. Den Zahlen zufolge sollte dieser nicht Sigmar Gabriel heißen.
Im Fußball entscheidet die Tordifferenz, wenn es nicht anders geht. Und in der Politik? Auch für Parlamentarier und Parteien sind am Ende häufig Zahlen ausschlaggebend, um schwierige Entscheidungen zu treffen. Das gilt auch dann, wenn es etwa darum geht, wer von mehreren möglichen Spitzenkandidaten der geeignetere ist, eine Partei in einen Wahlkampf zu führen. Im Fall der SPD wären die Dinge dann eigentlich ziemlich klar. Martin Schulz müsste im kommenden Jahr als Kanzlerkandidat antreten.

Denn der EU-Parlamentspräsident, der parteiintern für diesen Posten zurzeit heiß gehandelt wird, hätte deutlich bessere Chancen in einem Wahlkampf gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel als SPD-Chef Sigmar Gabriel. Das zeigen die Zahlen des neuen Stern-RTL-Wahltrends. So würden sich zwischen Gabriel und Merkel nur 18 Prozent der Deutschen für den Sozialdemokraten entscheiden und 45 Prozent für die CDU-Vorsitzende. Schulz schneidet in der Kanzlerfrage deutlich besser ab. 29 Prozent würden sich für ihn entscheiden, 45 für Merkel.

Die Zahlen werden die ungelöste Kandidatenfrage der SPD so schnell nicht lösen, Beachtung finden dürften sie trotzdem. Die Union stürzte in den Umfragen zuletzt heftig ab, aber die Genossen konnten davon kein bisschen profitieren. Sie stehen unverändert schlecht da, bei 22 bis 23 Prozent. Umso wichtiger ist es, eine möglichst aussichtsreiche Person ins Rennen zu schicken. Für Schadensbegrenzung und Stimmenmaximierung. Der Kandidat könnte am Ende den Unterschied machen, ob die Partei bei der Bundestagswahl in einem Jahr bei 25 bis 30 Prozent landet oder nur bei 20 bis 25.

In beiden Fällen würde man wohl zweitstärkste Kraft hinter der Union bleiben. Aber dennoch macht es für eine stolze Partei wie die SPD einen wichtigen Unterschied. Die Forsa-Umfrage belegt, was offenbar viele in der SPD glauben, nämlich, dass Schulz beliebter ist als der Parteichef und deshalb die bessere Wahl wäre. Für Gabriel ist das bitter. Er führte seine Partei 2013 in die Große Koalition. Dabei ging er auf die Zweifler zu, indem er ein Mitgliedervotum initiierte. Anschließend setzte er viele Herzensangelegenheiten der Partei durch. Er hat sich aufgerieben, dennoch ist es ihm nicht gelungen, das Image des oft wankelmütigen und manchmal pöbelnden Politikers abzustreifen.

"Ich bin jedenfalls ganz entspannt"

Und nun? Von Gabriel hängt alles ab. Als Vorsitzender hat er den ersten Zugriff. Er muss entscheiden, ob er selbst antritt oder die Aufgabe einem anderen überlässt. Die Partei wartet. Gabriel hat dabei viel zu verlieren, egal wie er entscheidet. Wenn er die Kanzlerkandidatur nicht übernimmt, müsste er den Parteivorsitz wohl abgeben. Die Ära Gabriel wäre beendet. Er wäre zwar noch Minister, aber vielleicht nur noch ein Jahr, denn eine Fortsetzung der Großen Koalition ist keineswegs sicher.

Gabriel gibt sich betont lässig. Er sagt, es sei eine komfortable Lage, dass bei den Sozialdemokraten mehreren Personen für geeignet gehalten würden. "Ich bin jedenfalls ganz entspannt", sagte er, als er kürzlich darauf angesprochen wurde. In der SPD wird auch eine Urwahl ins Spiel gebracht. Bei mehr als einem Bewerber könne man über den Kanzlerkandidaten abstimmen, heißt es. Aber dazu wird es nicht kommen. Wenn der Niedersachse zugreift, wird ihm dies niemand streitig machen. Schulz wird vermutlich nicht gegen seinen Freund Gabriel antreten, sondern nur, wenn dieser zurückziehen sollte. Eine verfahrene Situation. Viel Sozialdemokraten sind verärgert über die neue Personaldiskussion. Darüber, dass viele in der Partei dazu beitragen, indem sie öffentlich laut nachdenken, ob Schulz nicht der bessere Kandidat wäre. Das schadet nur, sagt ein Bundestagsabgeordneter. Er und andere fürchten, dass die Kandidatenfrage zur monatelangen Hängepartie werden könnte. Vielen graut es vor einem Chaos wie 2012, als Peer Steinbrück überstürzt ausgerufen worden war.

Also das Thema lieber gleich klären? Die Parteispitze will nichts überstürzen. Fraktionschef Thomas Oppermann verweist auf Anfang 2017. Generalsekretärin Katarina Barley sagte der "Welt", Merkel "weiß ja selbst offenbar nicht einmal, ob sie antreten will, geschweige denn darf". Warum soll das nicht auch für die SPD gelten? Zeit hat auch Martin Schulz. Er ist schließlich flexibel. Noch immer ist unsicher, ob seine Amtszeit als EU-Parlamentspräsident Anfang des Jahres endet. Eigentlich gibt es eine Vereinbarung, dass dann ein Konservativer das Amt übernimmt. Ein Wechsel in die Bundespolitik böte die Chance für einen reibungslosen Übergang, ob als Kanzlerkandidat oder in anderer Funktion.

In einem Interview mit der "Zeit" wich Schulz dem ungeliebten Thema gerade gekonnt aus. Auf die Frage, ob man für die Kanzlerkandidatur bessere Nerven brauche als für den EU-Parlamentsvorsitz, entgegnete er: "Wissen Sie, für welchen Job Sie die stärksten Nerven brauchen: Fan des 1. FC Köln. Ich bin seit Jahren Fan des 1. FC Köln, in allen seinen Höhen und Tiefen. Wenn Sie mich also nach meinen Nerven fragen, die sind ziemlich gut."

Das lässt sich auch so verstehen: Schulz fühlt sich für jede Herausforderung gerüstet - sogar für die Aufgabe, Kanzlerkandidat der SPD zu werden.

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