Es gehe nicht, dass die Landesregierung und die sächsische Justiz allein bestimmten, sagte die Grünen-Politikerin, die zugleich Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses ist, der "Berliner Zeitung". Sie sprach sich für einen Untersuchungsausschuss aus.
Linken-Chefin Katja Kipping warf der Landesregierung erneut "völliges Versagen" vor und nannte die CDU in Sachsen ein "Sicherheitsrisiko für das ganze Land". "Der Justizminister wiegelt ab und flüchtet sich in absurdeste Erklärungsversuche, anstatt einfach mal die Verantwortung zu übernehmen - und zu gehen", sagte die Dresdner Politikerin. Kritik kam sogar aus den eigenen Reihen: Er sei in Haft wie ein "Kleinkrimineller" behandelt worden, kritisierte selbst Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD).
Justizminister: JVA-Mitarbeiter handelten "nach den Regeln der Kunst"
Sachsen Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) hat in einem Interview mit dem Deutschlandfunk einen Rücktritt erneut ausgeschlossen, "weil es ein Stehlen aus der Verantwortung wäre". Die Justizvollzugsbeamten und Angestellte in der Anstalt, in deren Obhut sich Albakr mit seinem Anstalts-T-Shirt selbst tötete, hätten "lege artis, nach allen Regeln der Kunst, gehandelt". Gemkow räumte ein: "Heute würden wir einiges anders machen."
Er sagte auch, die JVA-Mitarbeiter hätten von den Ergebnissen der Ermittlungen über einen verhinderten islamistischen Anschlag keine Kenntnis gehabt. Man habe es mit einem "anderen Tätertypus" zu tun gehabt als sonst. Verhalten und Aussagen Albakrs im Gespräch mit der Anstaltspsychologin hätten nicht auf eine "akute Selbstmordgefahr" hingedeutet.
Forderung nach permanenter Überwachung
Albakr hatte sich am Mittwochabend in seiner Zelle stranguliert, eine Auszubildende entdeckte den 22-Jährigen gegen 19.45 Uhr bei einem Kontrollgang. Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow und JVA-Leiter Rolf Jacob hatten auf einer Pressekonferenz den Tod des Terrorverdächtigen bedauert. Allerdings machten sie auch deutlich, dass aus ihrer Sicht keine Fehler passiert seien. Man habe alles getan, um einen Suizid zu verhindern, sagte Gemkow. Es sei eigentlich alles nach Vorschrift gelaufen, sagte Jacob.
Daran haben aber auch Polizisten und Wissenschaftler ihre Zweifel. Der Kriminologe Christian Pfeiffer aus Niedersachsen äußerte sich "entsetzt" über die Zustände bei Polizei und Justiz in Sachsen. Über Albakr sagte er der "Neuen Presse": "Eigentlich wollte er einen Heldentod sterben. So einer ist hochgradig selbstmordgefährdet." Dies hätte klar erkannt werden müssen. Albakr hätte in einer Zweierzelle mit einem anderen Untersuchungshäftling untergebracht oder ihn seiner Zelle lückenlos überwacht werden müssen, sagte Pfeiffer.
Der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, forderte eine permanente Überwachung mutmaßlicher Selbstmordattentäter durch Videokameras oder Sitzwachen in Haftanstalten. "Nicht nur die Polizei, alle Sicherheitsbehörden müssen sich stärker auf die Denkweise eines Selbstmordattentäters einstellen", sagte Radek der "Rheinischen Post". "Wir müssen verinnerlichen, dass dieser Tätertypus sich selbst aufgegeben hat", so Radek.
Die Justiz in Sachsen gibt sich bislang uneinsichtig, auch personelle Konsequenzen lehnten die Verantwortlichen ab. Es sei auch Aufgabe der Bundes-CDU, Druck auf die sächsischen Parteikollegen auszuüben, damit sich die Zustände im Freistaat änderten, sagte Politikwissenschaftler Hajo Funke. Ministerpräsident Stanislaw Tillich warf er vor, er habe sich in diesem "absoluten Skandal" bislang weggeduckt. Ein Ende der Fragen ist nicht in Sicht: An diesem Freitag sollen die Ergebnisse der Obduktion veröffentlicht werden.
Quelle : spiegel.de
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