Überraschend ist dieser Treffer jedoch nicht. In der Vergangenheit hatte es vermehrt Hinweise darauf gegeben, dass der NSU in pädophile Aktionen verwickelt war. So war im Schutt der abgebrannten Fluchtwohnung des NSU-Trios in Zwickau auch ein Datenträger mit Kinderpornomaterial gefunden worden. Er soll Beate Zschäpe gehört haben.
Die Staatsanwaltschaft Zwickau hatte deswegen Ermittlungen gegen die mutmaßliche Terroristin eingeleitet. Diese wurden aber wieder eingestellt, weil die in München verhandelten Straftaten – Mord und schwere Brandstiftung – schwerwiegender sind und auch härter bestraft werden, als der Besitz kinderpornografischer Fotos. Der Datenträger könnte aber auch von Uwe Böhnhardt benutzt worden sein. Denn auch er lebte in der Wohnung.
V-Männer in Pädophilie verwickelt
Böhnhardt wurde bereits vor seinem Abtauchen mit einem Fall von Kindestötung in Verbindung gebracht. Im Juli 1993 verschwand der damals neunjährige Bernd Beckmann in Jena und wurde zwölf Tage später tot aufgefunden. Seine Leiche war stark verwest, es gab Hinweise auf einen Missbrauch. Der Mörder des Kindes wurde nie gefunden. In der Nähe der Leiche war der Außenbordmotor von Enrico T. entdeckt worden. Auch T. soll ein Unterstützer des NSU gewesen sein. Ihm wird vorgeworfen, dem NSU Waffen beschafft zu haben. Er war außerdem ein Freund von Uwe Böhnhardt.
Eine weitere Verbindung zur Pädophilie ist der Thüringer Neonazi und V-Mann Tino Brandt, der ebenfalls zu den NSU-Extremisten gehörte. Nach Informationen der "Stuttgarter Nachrichten" hatte die Polizei 2009 Hinweise erhalten, dass Brandt gemeinsam mit einem weiteren V-Mann einen Zuhälterring betreibe, der vor allem rumänische Jungen an Pädophile vermittelte. Er wurde 2014 wegen Missbrauchs von Jungen zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Wie die "Welt" berichtet, hatte der CDU-Obmann Matthias Pröfrock aufgrund der Beweise bereits im NSU-Untersuchungsausschuss des Stuttgarter Landtages gemutmaßt, dass sich der NSU über die Produktion und den Verkauf von Kinderpornografie finanziert haben könnte. "Ermittler haben nachgewiesen, dass das Geld aus den Banküberfällen nicht ausreichte, damit das Trio damit seinen Lebensunterhalt bestritt", sagte der CDU-Abgeordnete. "Insofern müssen wir uns die Frage stellen, ob sich die Rechtsterroristen womöglich mit der Zuhälterei von Kindern finanziert haben."
Böhnhardt kann in Bayern gewesen sein
Um auf den Fall der toten Peggy zurückzukommen: Fakt ist, dass Uwe Böhnhardt zum Zeitpunkt von Peggys Verschwinden – im Mai 2001 – im nordbayrischen Lichtenberg gewesen sein kann. Der Ort liegt genau zwischen Zwickau, dem Wohnort der NSU-Terroristen, und Nürnberg. In Nürnberg wurden 2000 und 2001 zwei NSU-Morde begangen: Am 9. September 2000 wurde der 38-jährige Blumenhändler Enver Simsek erschossen, am 13. Juni 2001 der 49-jährige Schneider Abdurrahim Özüdogru.
Ein weiteres Indiz für die Anwesenheit Uwe Böhnhardts: In Lichtenberg gibt es einen Campingplatz, der laut "Bild"-Zeitung in den Akten zum Fall Peggy erwähnt wurde. Zur Tatzeit im Mai 2001 wurde dort ein Camper aus Berlin beobachtet, dessen Herkunft nie ermittelt werden konnte. In dem Wohnmobil des Terror-Trios wurde wiederum nach dessen Auffliegen ein Teddybär, ein Kinderschuh und eine Spielzeug-Wasserpistole gefunden. Die Herkunft der Gegenstände ist noch ungeklärt. Auch in der Zwickauer Wohnung des Trios gab es Kinderspielzeug. Daran erinnerte sich ein Hausmeister im NSU-Prozess in München.
Der Fund von Böhnhardts DNA im Fall Peggy könnte aber auch noch einen anderen Grund haben. Der Treffer könnte auch aufgrund einer Panne in der Rechtsmedizin möglich geworden sein. Denn: Definitiv gekreuzt haben sich die Fälle Böhnhardt und Peggy in der Rechtsmedizin Jena, wo Böhnhardt Anfang November 2011 und Peggy Anfang Juli 2016 obduziert wurden.
Ein Detail, dass an den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn erinnern lässt. Damals gab es ebenfalls seltsame DNA-Treffer, die zur Fahndung nach dem "Phantom von Heilbronn" führten. Schließlich kam heraus, dass ein verunreinigtes Wattestäbchen die Ermittler auf die falsche Fährte geführt hatte. Die gesuchte DNA gehörte schließlich einer Mitarbeiterin eines Verpackungsbetriebs für Wattestäbchen. Sie hatte die Stäbchen – wenn auch unwissentlich – kontaminiert.
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