"Wie wollen wir es halten, Safia und Du, oder Frau S.?", fragt der Vorsitzende Richter Frank Rosenow, der die Atmosphäre zu Prozessbeginn entspannen möchte. "Safia und Du reicht", sagt die Schülerin, für die der grauhaarige Rosenow Vater oder Klassenlehrer sein könnte. Rosenow lacht, es scheint, als wolle er das Grundvertrauen, das eigentlich zwischen einem Erwachsenen und Amtsträger sowie einer Jugendlichen herrschen sollte, herstellen.
Genau dieses hatte Safia bei ihrer Attacke auf den arglosen 34 Jahre alten Beamten missbraucht und ausgenutzt. Kinder als Terroristen - das Phänomen stellt auch die Justiz auf die Probe, die mit jungen Mädchen bisher eher bei Bagatelldelikten zu tun hatte.
Prototypen des neuen Terrors
Dabei stehen mit der Deutsch-Marokkanerin Safia und dem 20-jährigen, als Mitwisser angeklagten Deutsch-Syrer Mohamad Hasan K. zwei Prototypen eines neuen islamistischen Terrors vor Gericht, vor dem Sicherheitsbehörden verschiedener europäischer Länder warnen.
Über das Internet radikalisiert, oft mit familiären Wurzeln in muslimischen Ländern, enden diese jungen Leute nicht mehr auf den Schlachtfeldern des IS in Syrien oder dem Irak oder kehren später als potenzielle Attentäter zurück. Vielmehr sind sie über die Propaganda und Chats mit IS-Drahtziehern ferngesteuert und sollen Anschläge in ihren europäischen Heimatländern verüben.
Erster IS-Anschlag in Deutschland
Beispiel Safia S.: Die Tochter einer strenggläubigen Marokkanerin kommt schon als Grundschülerin mit dem Salafistenprediger Pierre Vogel in Kontakt. Als "Unsere kleine Schwester im Islam" präsentiert Vogel sie auf Youtube beim Rezitieren des Korans. Als die Schülerin Anfang dieses Jahres nach Überzeugung der Anklage zum IS Richtung Syrien aufbricht, erhält sie in Istanbul den Marschbefehl: Wir brauchen dich nicht an der Front, sondern für Angriffe in deiner Heimat, erklären ihr die Strippenzieher des Terrors. Die Ermittler werten Safias Attacke als ersten Anschlag im Auftrag des IS in Deutschland.
Oder Mohamad Hasan K.: Wie Safia ist er in Hannover geboren, sympathisiert anscheinend mit Islamisten und macht sich am Abend des wegen einer mutmaßlichen Terrorgefahr abgesagten Fußballländerspiels im vergangenen November in Hannover verdächtig. Als Ordner im Stadion filmt er sich bei der Räumung und stellt die Sequenz ins Netz mit dem Kommentar: "Betet für Raqqa" - die syrische Stadt Al-Rakka ist eine Hochburg des IS.
Wegen einer möglichen Verwicklung in die Terrordrohung - am Ende wurden weder Sprengstoff noch potenzielle Attentäter entdeckt - ermittelt die Bundesanwaltschaft weiterhin gegen den 20-Jährigen. Auch er kommt vor Gericht unscheinbar daher: Jeans, schwarzes Sweatshirt, kurze Haare und kurzgetrimmter Bart, so sehen viele junge Männer aus.
Ausschluss der Öffentlichkeit
Was aber kann man gegen diese gewissermaßen hausgemachte Terrorgefahr tun, wie sie überhaupt erkennen? Um für die Prävention zu lernen, wird es bei dem Prozess in Celle sicher auch darum gehen, zu erfragen, was die beiden Schüler bewegt hat, sich für den radikalen Islamismus zu fanatisieren, dessen Wurzeln und Kampflinien fernab von Norddeutschland liegen.
Da der weitere Prozess zum Schutz der Privatsphäre der jungen Leute unter Ausschluss von Zuschauern und Presse stattfindet, wird der genaue Weg der Schüler Richtung Terror der Öffentlichkeit unbekannt bleiben. Safia drohen maximal zehn Jahre Haft, Mohamad als Mitwisser bis zu fünf Jahre.
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