Schulz erkämpft Kanadas Geduld für Ceta

  23 Oktober 2016    Gelesen: 670
Schulz erkämpft Kanadas Geduld für Ceta
Ganz Europa will das Freihandelsabkommen Ceta – bis auf eine kleine Region in Belgien. Wallonien sperrt sich gegen den Rest des Kontinents. Der EU-Parlamentspräsident gibt sich optimistisch, während Kanada sich erst einmal zurücklehnt.
Die EU und Kanada wollen sich von der Rebellion des kleinen Wallonien nicht beeindrucken lassen und drücken bei Ceta aufs Tempo. Kommende Woche soll das Freihandelsabkommen unterzeichnet werden, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Zuvor hatte sich der SPD-Politiker mit Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland und dem wallonischen Regierungschef Paul Magnette zu Krisengesprächen getroffen. Freeland scheint sich nun erstmal zurückzulehnen. Die Europäer sollten nun ein Scheitern Cetas verhindern, machte sie deutlich.

Die belgische Regierung ist zwar wie die anderen 27 EU-Länder für das Abkommen. Ihr sind aber die Hände gebunden, solange Wallonien seine Zustimmung versagt. Ceta kommt nur dann zustande, wenn alle EU-Staaten unterzeichnen.

Die kanadische Handelsministerin hatte am Freitag selbst versucht, wallonische Parlamentarier in Namur vom Handelsvertrag zu überzeugen, dann aber enttäuscht aufgegeben. Schulz kündigte in der darauf folgenden Nacht per Twitter ein Treffen mit Freeland am frühen Morgen an. "Wir können nicht auf den letzten Metern aufhören", schrieb der EU-Parlamentspräsident.

Sein Treffen mit Freeland sei "sehr konstruktiv" und "vielleicht entscheidend" gewesen, erklärte Schulz anschließend, ohne allzu konkret zu werden. Immerhin: "Ich bleibe optimistisch." Die Probleme lägen nun "auf dem Tisch der Europäer und wir müssen versuchen, sie zu regeln", fügte Schulz hinzu.

Das EU-Parlament ist nicht an der Aushandlung von Handelsabkommen wie Ceta beteiligt, diese Aufgabe obliegt der EU-Kommission. Die Volksvertretung muss derartigen Verträgen jedoch zustimmen und beeinflusst dadurch die Verhandlungen.

Freeland sagte, dass nicht ihr Land, sondern die EU das Handelsabkommen ausbremse. "Ich hoffe wirklich, dass es die Europäer schaffen, zum Abschluss zu kommen und dass ich in ein paar Tagen mit meinem Premierminister (Justin Trudeau) wiederkommen kann, um das Abkommen zu unterzeichnen", sagte die Handelsministerin in einer Videoaufzeichnung, die der EU-Parlamentssprecher Jaume Duch auf Twitter veröffentlichte.

"Wir haben unseren Job gemacht, es ist Zeit für die Europäische Union, ihren zu Ende zu machen", mahnte Freeland. Sie hoffe weiterhin auf eine Unterzeichnung des Ceta-Abkommens am Donnerstag.

Nach Freeland traf Schulz den wallonischen Regierungschef Paul Magnette. "In meinen Augen gibt es kein Problem, das wir nicht lösen können", kommentierte Schulz das Treffen. Magnette erklärte, es gebe "noch ein paar Schwierigkeiten unter Europäern." Die Gespräche Walloniens mit Kanada seien aber "sehr nützlich" gewesen und hätten eine Verbesserung des Vertragstextes ermöglicht. Am Freitag hatte Magnette gesagt, es seien bereits "bedeutsame Fortschritte" bei den Verhandlungen erzielt worden. Für eine Einigung sei aber ein "wenig mehr Zeit" nötig.

Die Kürzel TTIP und Ceta stehen für Freihandelsverträge, über die seit Jahren verhandelt wird. Dass TTIP jemals in Kraft tritt, gilt mittlerweile als unwahrscheinlich – nicht zuletzt, weil Wirtschaftsminister Gabriel das geplante Abkommen mit den USA für gescheitert erklärt hat. Dagegen ist das europäisch-kanadische Abkommen Ceta zwar noch nicht beschlossen, aber fertig. Generell kritisieren Organisationen wie Attac, Ceta und TTIP seien eine Gefahr für europäische Sozial- und Umweltstandards. Befürworter sagen dagegen, Freihandel sorge für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze.

Auch Beifall für Wallonien

Teilnehmer des EU-Gipfels in Brüssel hatten am Freitag mit einer gewissen Fassungslosigkeit verfolgt, wie die kleine Region mit 3,6 Millionen Einwohnern das Abkommen zwischen Kanada und der EU mit ihren mehr als 500 Millionen Bewohnern blockiert. Die Wallonie verlangt stärkere Garantien zum Schutz ihrer Bauern und als Abwehr eines übermäßigen Einflusses internationaler Konzerne.

Organisationen wie Greenpeace begrüßen hingegen, dass die Wallonie sich bei Ceta querstellt. Das sehen viele EU-Bürger ähnlich. Rund 6000 Niederländer demonstrierten in Amsterdam ihre Unterstützung für Wallonien. Die Wallonen führten eine "gute Grundsatzdebatte", erklärte der Koordinator des Bündnisses TTIPAlarm, Jurjen van den Bergh, in der niederländischen Hauptstadt. Wegen des Widerstands der Wallonen könnten auch die Niederländer noch hoffen. Die Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift "Unsere Welt steht nicht zum Verkauf" oder "Unsere Zukunft ist keine Ware".

Beobachter warnen, dass die Bedeutung von Ceta über die EU-Beziehungen zu Kanada hinausreicht. Sollte das Abkommen scheitern, würde auch TTIP, das geplante EU-Freihandelsabkommen mit den USA, mehr denn je in Frage gestellt.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte in Berlin, Ceta sei "ein exzellentes Abkommen und es darf nicht an der Unfähigkeit Europas scheitern, einen regionalen Interessenausgleich zu finden". Er habe Schulz` Gespräch mit Freeland vermittelt, um in den Ceta-Verhandlungen bis zu einem Durchbruch "die Uhr anzuhalten", hieß es in der Mitteilung seines Ministeriums.

EU-Kommissar Günther Oettinger warf Gabriel hingegen vor, die Verhandlungen mit Kanada erschwert zu haben, indem er sie nicht der EU überlassen habe. "Dass Minister einzelner Mitgliedstaaten zu Verhandlungen reisen, ist absurd", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.


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