Hirnforschung Warum Lügen mit der Zeit dreister werden

  25 Oktober 2016    Gelesen: 1085
Hirnforschung Warum Lügen mit der Zeit dreister werden
Großer Betrug beginnt oft mit einer kleinen Lüge. Messungen der Gehirnaktivität offenbaren einen Gewöhnungseffekt.
Eigennützige Lügen lassen das Gehirn allmählich abstumpfen, und dies kann Menschen zu immer größeren Betrügereien verleiten. In einer Studie, bei der Teilnehmer durch Unwahrheiten Profite erzielen konnten, reagierte bei ihnen anfangs noch ein mahnendes Hirnareal auf die Unehrlichkeit.

Doch während dessen Reaktion mit der Zeit nachließ, wurden die Lügen zunehmend dreister. Diesen Prozess der Eskalation beschreiben Psychologen um Neil Garrett vom University College London im Fachblatt "Nature Neuroscience".

Oftmals begännen grobe Betrügereien etwa in der Finanzwelt, in der Politik oder auch in der Wissenschaft zunächst mit kleinen Schummeleien, die dann - wie bei einem Schneeballeffekt - immer stärker eskalierten, schreibt das Team.

Um die zugrunde liegenden Hirnprozesse zu klären, stellten die Forscher in ihrer Studie 80 Teilnehmern eine Aufgabe. Sie sahen auf einem Bildschirm ein Foto mit einem Einmachglas voller Pennys und sollten den Gesamtbetrag schätzen und einem Mitspieler angeben.

In manchen Szenarien profitierten die Teilnehmer, wenn sie die Geldmenge besonders hoch einschätzten. In diesem Fall wurden solche eigennützigen Lügen der Teilnehmer mit jedem Durchgang dreister. Die Erklärung dafür vermuteten die Forscher in der Hirnregion Amygdala, die für die Verarbeitung von Emotionen wie etwa Angst zuständig ist.

Messung der Emotion

Um die Aktivität verschiedener Hirnareale zu erfassen, ließen die Forscher einen Teil der Probanden den Versuch im Magnetresonanztomografen (MRT) machen. Bei eigennützigen Lügen sank die Reaktion der Amygdala mit der Zeit. Und: Je stärker die Aktivität des Areals nachließ, desto dreister wurden die Lügen in den folgenden Versuchsdurchgängen.

Die sinkende Aktivität der Amygdala spiegele eine geringere emotionale Reaktion wider, schreiben die Forscher. Die Reaktion etwa des Belohnungszentrums Nucleus accumbens änderte sich dagegen im Lauf der Versuchsdurchgänge nicht. Daher schreiben die Forscher der Amygdala die Hauptrolle bei dem Phänomen zu.

"Wenn wir zu unserem persönlichen Nutzen lügen, sorgt unsere Amygdala für ein negatives Gefühl, das das Ausmaß begrenzt, in dem wir zu lügen bereit sind", wird Studienleiterin Tari Sharot in einer Mitteilung des University College zitiert.

"Aber bei fortgesetztem Lügen schwindet diese Reaktion, und je stärker sie abnimmt, desto größer werden unsere Lügen. Das kann in einen Prozess münden, bei der kleine Unwahrheiten zu immer größeren Lügen eskalieren."

Diese Eskalation gelte vermutlich nicht nur für Lügen, sondern auch für andere Bereiche wie etwa Risikoverhalten oder Gewaltbereitschaft.

Quelle : spiegel.de

Tags:


Newsticker