Die dreißig Meter hohe Stufenpyramide besticht durch ihre besondere Symmetrie, das hat sie sogar zum Objekt in Werbefilmen gemacht. Doch das Bauwerk mit vier Treppen besteht aus deutlich mehr, als sichtbar ist. Denn nun haben Archäologen eine weitere Pyramide entdeckt, die unter der heute sichtbaren verborgen ist. Bereits früher hatten sie eine solche Struktur gefunden, die nun neu aufgespürte liegt noch einmal darunter und ist etwas kleiner.
Den Fund machte das Team um Denisse Lorenia Argote mit dem speziellen geoelektrischen Verfahren, das dreidimensionale Bilder produziert. Das ERT-3D ist eine Methode, die Einblicke in den Untergrund erlaubt, ohne dass es zu einer Grabung kommen muss. Sie wird etwa auch in der Geologie angewendet, um die Erdkruste zu erforschen.
Auf diese Weise entdeckten die Forscher unter der schon bekannten Substruktur eine weitere. Sie fanden ein etwa 13 Meter hohes Gebäude - mit einer Fläche von zwölf mal 18 Metern. Vermutlich ist das Bauwerk zwischen 550 und 800 nach Christus entstanden. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Experten mit der Technik entdeckt, dass El Castillo einst vermutlich auf einer Cenote oder einem unterirdischen Wasserlauf gebaut wurde.
Ob es irgendwann einmal eine Ausgrabung zu den Substrukturen geben wird, ist nicht bekannt. "Die archäologische Erschließung ist aber wichtig, um etwas über die früheren Einwohner von Chichén Itzá zu erfahren", sagt Argote vom Instituto Nacional de Antropologia e Historia (INAH).
Der Archäologe Geoffrey Braswell von der University of California hat selbst in Chichén Itzá gegraben, war aber nicht an der aktuellen Kampagne beteiligt. Er schließt nicht aus, dass die Substruktur bisher unbekannt war, gibt aber zu bedenken, dass bereits in den Vierzigerjahren ein Archäologe von einer dritten Plattform der Kukulcán-Pyramide berichtet haben soll.
"Der damals angelegte Suchtunnel war aber wohl sehr instabil, deshalb wissen wir sehr wenig über diese Plattform", sagt er. Zudem sei die dritte Plattform nicht symmetrisch zu den anderen beiden ausgerichtet. Die Bilder des ERT-3D scheinen das zu bestätigen.
Braswell vergleicht die berühmte Pyramide zu Ehren des gefiederten Schlangengotts mit einer russischen Matrjoschka-Puppe - in jeder Holzfigur befindet sich eine kleinere. Aber auch er hält die Ausgrabung der Struktur für wichtig. "Es könnte sein, dass es sich um eines der ältesten Gebäude in Chichén Itzá handelt."
Auch René Chávez Segura vom Institut für Geophysik der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko hält eine Erschließung für relevant. Laut seinen Angaben verfüge die Struktur über eine Treppe, zudem könnte einst ein Altar auf der obersten Plattform gestanden haben, wie es bei vielen Mayatempeln der Fall war.
Die zweite schon länger bekannte Struktur im Inneren von El Castillo besteht ebenfalls aus neun Plattformen - genau wie die außen sichtbare Pyramide. Sie ist durch einen seitlichen Tunnel zu erreichen, den Archäologen einst gegraben hatten, um ins Innere der Pyramide zu kommen. Für Besucher ist er allerdings gesperrt.
Dass unter einer Pyramide eine oder gleich mehrere ältere Strukturen vorhanden sind, ist besonders in der Maya-Archäologie nichts Ungewöhnliches. Durch die immer weiter voranschreitende Entwicklung bis hin zum kulturellen Höhepunkt der Maya-Stadtstaaten gegen Ende des ersten Jahrtausends hatten die Konstrukteure sich immer wieder mit höheren und größeren Gebäuden übertroffen. Die älteren Pyramiden wurden in den engen Zentren dann einfach überbaut. Für Archäologen ist gerade der Vergleich zwischen den einzelnen Strukturen spannend - verrät er doch etwas über die unterschiedlichen Besiedlungsphasen einer Ortschaft.
Quelle : spiegel.de
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