Die tierische, politische Multikulti-Deutschlandparty

  18 November 2016    Gelesen: 627
Die tierische, politische Multikulti-Deutschlandparty
Es begann und endete mit Robbie Williams, dazwischen ging es um Politik, Elefanten, Barbara Schönebergers Dekolleté und "ein fantastisches Jahr 2016": In Berlin sind zum 68. Mal die Bambis verliehen worden.
Los geht`s mit Robbie Williams: "Good evening, lovers of quality entertainment", singt er hörbar falsch, aber dafür authentisch, bevor er beinahe zwischen den Brüste einer darüber sehr geschmeichelten Barbara Schöneberger versinkt. "Robbie ist weg", sagt sie, "aber er hat mir seinen Ständer hier gelassen." Und dort hinein anmoderiert sie dann endlich die Gala zur 68. Verleihung des Bambi.

Der Bambi ist - für alle, die später zugeschaltet haben - "Deutschlands bedeutendster Medienpreis", mit dem sich Deutschland selbst feiert, weil ein so bedeutendes Land seine Sportler, Schauspieler, Sänger und seine Mission in der Welt nicht genug feiern kann.

Beispielsweise in Person von Bastian Schweinsteiger, der als "Kämpfer, Siegertyp, Vorbild, Sympathieträger, Leader und", das ist ganz wichtig, "trotzdem einer von uns" mit einem sogenannten Ehrenpreis der ominösen Jury gewürdigt wird. Später in der Sendung wird auch Angelique Kerber ausgezeichnet, für die das "ein spezieller Moment" ist.

Obacht, das wird noch politisch

Nun ist Deutschland nicht nur Sport, sondern auch Kultur. Der Preis für den besten "Film National" geht an "Er ist wieder da", dessen Darsteller Oliver Masucci auf der Bühne bekennt: "Die braune Soße, die sich da über Europa ergießt, die macht mir Sorgen." Obacht, denkt man sich da, die fröhliche Frivolität vom Anfang führte in die Irre, das wird noch politisch.

Zunächst wird es selbstkritisch, als Judith Rakers feststellt: "Wir Menschen sind eine wundersame Spezies." Als Laudatorin stellt Rakers die Tierschutzgruppe "Save The Elephants" vor, die in der Kategorie "Total süß International" ausgezeichnet wird. Ja, jetzt geht`s unversehens um Elefanten, jene "sanften Reisen mit enger sozialer Bindung", aber ohne den rechten Siegeswillen. Weshalb sie vom Aussterben bedroht wären, gäbe es da nicht "Germany", wie die Ausgezeichneten loben, das sich so sehr für die Umwelt interessiere.

"Ist ein fantastisches Jahr, 2016"

Über einen Bambi in der Kategorie "Quatschmacher National" kann sich der Comedian Bülent Ceylan freuen. Auf der Bühne scherzt er: "Letztes Jahr Otto, der ist Ostfriese, ich bin Osmane", und das finde er im Hinblick auf die Völkerverständigung schön, denn: "Wir dürfen uns von den Scheißterroristen niemals das Lachen nehmen lassen!"

Danach liest Sting tapfer die deutschsprachige Laudatio für Udo Lindenberg vom Teleprompter, stockt, "my thing is going off", aber dann geht sein thing doch wieder, und Musik sei "die Sprache der Liebe, des Lebens, der Hoffnung". Auftritt Lindenberg: "Wir haben`s wunderbar gerockt und durchgepusht, yeah, geil gemacht" und meint, weil`s bei ihm mit Comeback und allem einfach gar so gut gelaufen ist: "Ist ein fantastisches Jahr, 2016."

Es folgt wie zur Strafe eine Kondolenzliste all jener, "von denen wir Abschied nehmen mussten" in diesem fantastischen Jahr. Und weil der grimme Schnitter keine Unterschiede macht, stehen nebeneinander Shimon Peres, Achim Mentzel, Jana Thiel, Kurt Masur, Roger Cicero, Manfred Krug, Erika Berger, Prince, Wolfgang Rademacher, Hendrikje Fitz, Guido Westerwelle, Ruth Leuwerik, David Bowie, Walter Scheel, Alan Rickman, Miriam Pielhau, Peter Lustig, Bud Spencer, Maja Maranow, Götz George, Leonard Cohen. Es folgt eine Schweigesekunde der Nachdenklichkeit, in der die Kamera mit kalter Ermunterung auf Uschi Glas ruht.

Löws Multikulti-Mannschaft

Wir schreiten zur Verleihung des Bambi in der Kategorie "Irgendwas mit Ausländern" beziehungsweise "Integration" oder auch "Hauptsache nicht Bushido". Laudator ist der Leader von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, der den Fußballtrainer Joachim Löw für die "gelebte Vielfalt und gelungene Integration" in der Mannschaft lobt. Diese sei ein Exempel für die "offene Gesellschaft".

Löw kann dieser Ansicht nur beipflichten, sagt über sein Team: "Deutschland steht bei uns drauf, aber Multikulti steckt drin!" Ferner formuliert er so etwas wie einen Löw`schen Imperativ: "Akzeptiert eure Nachbarn genauso wie jeder Spieler jeden Mitspieler als Mensch respektiert, als jemand, der vielleicht anders ist, aber auch besonders. Lassen Sie uns alle zu einer deutschen Integrationsmannschaft werden, dann ist dieser Preis am Ende ein Preis für uns alle", und das fehlte wirklich noch.

Der Papst bekommt auch einen Preis

Nach einem kurzen Intermezzo mit Florian Fernsehen (Kategorie "Silbereisen") wird es noch politischer, als Bundespräsident a.D. Horst Köhler zum Mikrofon schreitet. Ein würdiger Laudator für Papst Franziskus, der in der bizarren Kategorie "Millennium" ausgezeichnet wird. Denn "dieser Papst ist anders", erklärt Köhler, und zwar "einer von uns und einer für uns".

Nun sehen wir ein "Flüchtlingsmädchen", die olympische Schwimmerin Yusra Mardini, wie sie im Vatikan unter feierlichen Chorgesängen dem Papst tatsächlich das Reh überreicht. Sie beschreibt ihn als einen "wirklich sehr netten und freundlichen Mann", der gewiss auch mit großen Augen durch die Welt geht, um sie wunderbar zu rocken.

Yusra und ihre Schwester Sarah Mardini bekommen dann auch noch einen Bambi in der Kategorie "Stille Helden": Anja Reschke erzählt noch einmal die nun wirklich unglaubliche Geschichte der Geschwister, die ein kenterndes Flüchtlingsboot schwimmend sicher an Land gebracht hatten.

Robbie Williams, der den Einheizer gespielt hat, gibt am Ende auch den Rausschmeißer. Sein rahmender Auftritt wirft die Frage auf, was der Mann eigentlich drei Stunden hinter den Kulissen so getrieben hat. Fest steht nur, dass er weniger gelitten hat als alle anderen Beteiligten - und dass er das mit den "lovers of quality entertainment" ironisch gemeint haben muss.

Quelle : spiegel.de

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