Smart e-drive - der wuselige Stromstoß

  18 November 2016    Gelesen: 587
Smart e-drive - der wuselige Stromstoß
Bereits 2007 ging der Smart als batteriegetriebener Stadtflitzer in London das erste Mal auf die Piste. Zehn Jahre später ist er in der vierten Generation, sieht einfach gut aus und kann selbstredend vieles besser als sein Urahn.
Die Ankündigungen der Hersteller, E-Autos mit Reichweiten von bis zu 700 Kilometern auf die Reise schicken zu wollen, lassen die Tatsache, dass Smart mit dem kleinsten Stromer um die Ecke fährt und dessen Reichweite mit 160 Kilometern angibt, fast lächerlich erscheinen. Allerdings liegt dem City-Flitzer ein anderes Konzept zugrunde und die mächtigen Strecken, die die Hersteller in Zukunft zurücklegen wollen, stehen momentan nur auf dem Papier. Selbst der stromernde Hoffnungsträger von Opel, der Ampera-e, hat seine Fähigkeiten diesbezüglich noch nicht unter Beweis gestellt.

Der smart e-drive hingegen ist von seiner ganzen Anlage her wirklich nur ein Stadtauto. Glaubt man den Rechnungen der Hersteller für das Nutzungsverhalten von Kraftfahrern in Städten, dann legen die in Europa an einem Tag im Schnitt nicht mehr als 35 Kilometer zurück. In den USA sind es immerhin 65 Kilometer. Wer so unterwegs ist, der hat natürlich mit einem E-Smart beste Chancen, seine alltäglichen Wege ohne Probleme erledigen zu können. Zumal der Charme des Zwerges als Zweitürer mit 2,69 Metern Länge auch darin besteht, dass der Fahrer im urbanen Umfeld das Gefühl hat, überall hin- und durchzukommen. Mit der Elektrovariante wird das noch verstärkt. Durch die absolut geräuschlose und emissionsfreie Fahrt entsteht der Eindruck, man dürfe selbst ins Kaufhaus einfahren. Das macht man natürlich nicht, aber einem Smart-Fahrer wird in der Regel ohnehin wenig übel genommen.

Ein Elektro-Karussell

Aber wie fährt sich der e-drive nun wirklich? Noch vor vier Jahren bretterte der kleine Stromer gnadenlos durch die Schlaglöcher und gab sich dabei härter als ein tiefergelegter Lamborghini. Mit der neuen Generation ist das anders. Ein neues Fahrwerk, neue Dämpferabstimmungen und Federraten sorgen dafür, dass man in den flotten Integralsitzen - die hier Serie sind - auch böse Unebenheiten schadlos übersteht. Im Heck des smart electric drive arbeitet ein 81 PS starker Elektromotor, der seine Kraft über eine konstante Übersetzung auf die Räder überträgt und eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h garantiert. Aus dem Stand stellt er sofort seine 160 Newtonmeter zur Verfügung, was den Stromer an der Ampel ganz klar in die erste Reihe katapultiert.

Auch das Fahrverhalten an sich ist im Vergleich mit dem Verbrenner besser. Geschuldet ist das dem Umstand, dass der 17,6 kWh leistende Lithium-Ionen-Akku in Unterflurbauweise dort eingebaut ist, wo sonst der Tank sitzt, zwischen den Achsen. 160 Kilogramm - 20 Kilogramm weniger als beim Vorgänger - ziehen so den Schwerpunkt genau an der richtigen Stelle nach unten und lassen den Zwerg unter Strom extrem agil um die Ecken fegen. U-Turn? Kein Problem! Mit einem Wendekreis von 6,95 Metern (von Bordstein zu Bordstein) dreht sich der Smart fast auf der Stelle.Wer seinen Kindern eine Freude machen will, der kreiselt mal völlig geräuschlos ein paar Runden. Das ist schöner als Karussell fahren und zudem umweltfreundlich.

Elektrisch auch für vier

Aber Spaß beiseite. Fakt ist, dass sich der Wagen wirklich gut handhaben lässt. Wem die zwei Plätze für den Alltagsgebrauch zu wenig sind, der kann den Smart forfour ins Auge fassen. Ebenfalls elektrisch angetrieben und nur 3,49 Meter lang, birgt er alle Tugenden des Zweisitzers. Eben nur mit dem Unterschied, dass neben dem Fahrer drei weitere Personen ganz ohne Schadstoffausstoß von A nach B befördert werden können und auf Wunsch ein Ladevolumen von 975 Litern bereitsteht. Im Realbetrieb mit Schwankungen in der Topographie, Stop-and-Go und kleinen Geschwindigkeitsexzessen, sinkt beim fortwo und beim forfour die oben erwähnte Reichweite auf knapp 120 Kilometer. Das ist zu wenig? Nun, wie man es nimmt, immerhin sind es 10 Prozent mehr als beim Vorgänger. Tatsächlich ist für jemanden, dessen Fahrweg am Tag die 70 Kilometer überschreitet, der eine Mietwohnung hat und für den sich keine Ladestation vor dem eigenen Haus befinden, die Nutzbarkeit fraglich.

Wer an mindestens einem Wegpunk eine Lademöglichkeit hat, der kann sich die Sache mit dem E-Smart noch mal durch den Kopf gehen lassen. Zumal sich die Ladezeiten dank neuartiger Pouch-Zellen deutlich verringert haben und die Ladeleistung um 15 Prozent gestiegen ist. In Zahlen sieht das wie folgt aus: An der Haushaltssteckdose dauert der Ladevorgang sechs Stunden. Nach dieser Zeit hat der Akku 80 Prozent seiner Leistung zurück. Wer den Starkstromanschluss in seinem Haushalt benutzt (230 Volt/20 Ampere) und sich dort eine Wallbox zum Laden installieren lässt, ist bereits nach 3,5 Stunden bei 80 Prozent. Ab kommenden Jahr gibt es sogar eine Art Power-Wallbox, die mit 22 kW dem Akkumulator in 45 Minuten 80 Prozent seiner Leistung zurückgibt. Ob man das braucht, muss jeder selbst entscheiden. Denn die Boxen unterscheidet nicht nur die Ladegeschwindigkeit, sondern auch der Preis. Während die kleinere etwas 750 Euro kostet, schlägt die große mit 1300 Euro zu Buche. Damit ist sie kein Schnäppchen, aber schon 50 Prozent preiswerter als der Vorgänger. Zu bedenken bleibt, dass die meisten Ladezyklen in der Nacht oder während der Arbeitszeit stattfinden. Und ob es da 45 Minuten oder sechs Stunden dauert, bis die Batterie voll ist, ist eigentlich egal.

"Energiesammler" mit App

Aber auch im Alltagsbetrieb sorgt der Smart e-drive dank Rekuperation dafür, dass er nicht vor der Zeit auf der Strecke bleibt. Die Energiegewinnung erfolgt durch die Rückführung der Bremsenergie und beim Ausrollen. Neu ist im Smart die radargesteuerte Rekuperation. Sensoren tasten den Abstand zum Vordermann ab, regulieren die Geschwindigkeit und bremsen den Wagen ein, um Energie zu "sammeln". Das System darf aber nicht mit den adaptiven Fahrprogrammen verwechselt werden, die Mercedes beispielsweise in der E-Klasse anbietet. Hier geht es tatsächlich nur um die optimale Energierückführung.

Die kann auch noch auf anderen Wegen beeinflusst werden. Neben dem Basis-Fahrprogramm kann man zum Beispiel den Eco-Modus wählen. Dieser ist auf eine besonders effiziente Fahrweise ausgelegt. Dazu ist die Höchstgeschwindigkeit auf 110 km/h begrenzt, die Fahrpedalkennlinie angepasst und die maximale Rekuperationsstufe fest vorgewählt. Gefühlt heißt das: der Smart fährt mit weniger Leistung, was auch den Spaß, den das Auto ob seiner Spontaneität macht, deutlich zurückschraubt. Um weiter Energie zu sparen und noch mehr Reichweite zu gewinnen, verfügt der elektrische Smart über eine Vorklimatisierung. Mit Hilfe der "smart control"-App lässt sich die Temperatur bereits vor dem Start, wenn der Wagen noch an der Dose hängt, auf 21 Grad Celsius vorheizen oder kühlen. Dabei ist es natürlich egal, wo man sich befindet. Voraussetzung ist nur ein Tablet oder ein Smartphone mit Internetzugang. Im Normalbetrieb sind 140 Kilometer keine Zauberei und da muss sich der Pilot bei seiner Fahrweise wirklich nicht kasteien.

Mehr als der Verbrenner

Noch einige andere Umstände dürften den Kauf eines Smart e-drive recht attraktiv machen. Der scheinbar hohe Preis von 21.940 Euro für den fortwo relativiert sich in mehrerer Hinsicht. Zum einen greift hier die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Prämie von 4400 Euro. Das reduziert die Summe auf 17.540 Euro. Hinzu kommt, dass die Serienausstattung umfänglicher ist als beim Verbrenner. Servolenkung, Tagfahrlicht in LED-Technik, Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung, optischer Schließrückmeldung und Wegfahrsperre, Tempomat mit Limiter und Außentemperaturanzeige mit Frostwarnung sind in der Grundausstattung enthalten. Zudem gibt es einen Bordcomputer sowie elektrische Fensterheber. Das Audio-Paket mit AUX-/USB-/BluetoothSchnittstelle und Klimatisierungsautomatik ist ebenfalls an Bord. Für Attraktivität soll auch der Umstand sorgen, dass die Batterie im Kaufpreis enthalten ist. Auf den Akkumulator gibt es eine Garantie von acht Jahren respektive 100.000 Kilometer Laufleistung. Wird festgestellt, dass die Leistungsfähigkeit nur noch bei 70 Prozent liegt, wird sie ausgetauscht.

Letztlich darf resümiert werden, dass das elektrische Fahren attraktiver wird, im allgemeinen Verständnis aber immer noch an nachvollziehbare Grenzen stößt. Die mögen zu Teilen in den Köpfen der Autofahrer liegen - der Autor möchte sich hier gerne einschließen - zum anderen an ganz objektiven Hürden. Die beginnen bei der Infrastruktur und enden bei der Reichweite. Doch auch hier tut sich etwas. Bis 2018 wollen die Autobauer, darunter auch Mercedes, gemeinsam mit dem Tankstellenbetreiber Tank+Rast ein Netz von mindestens 400 Schnellladestationen spinnen. An den mit CCS-Steckern ausgestatteten Zapfsäulen soll die Befüllung des Akkus kaum mehr als 30 Minuten dauern. Über die entstehenden Kosten an den Stationen kann im Moment leider noch nichts gesagt werden.

Dennoch ist das ein entscheidender Schritt. Der muss aber auch gegangen werden, denn Mercedes verspricht, dass zwischen 2020 und 2025 die Elektroautos den Verbrennern in nichts mehr nachstehen werden. Volkswagen will mit seiner "Elektrifizierungsoffensive" bis 2025 mehr als 30 elektrsiche Modelle auf den Markt bringen und zwischen zwei und drei Millionen E-Autos pro Jahr verkaufen. Mit Blick auf den e-drive kann Daimler einen ersten Erfolg verkünden: In den USA sind bereits jetzt 25 Prozent aller verkauften Smart batteriebetrieben.

Quelle: n-tv.de

Tags:


Newsticker