Die amerikanische Revolution ist vorbei

  22 November 2016    Gelesen: 813
Die amerikanische Revolution ist vorbei
Er wollte den US-Fußball verändern - und ist gescheitert: Der US-Verband hat sich von Jürgen Klinsmann getrennt. Zum Abschied gab es dennoch nette Worte für den Deutschen.
Die angedachte amerikanische Fußballrevolution ist vorbei. Jürgen Klinsmann wird nicht als Revoluzzer in die Geschichte der US-Fußball-Nationalmannschaft eingehen, sondern eher als gescheiterter Visionär. Selbst sein größter Fürsprecher, Verbandspräsident Sunil Gulati, hatte nach der 0:4-Pleite in der Weltmeisterschaftsqualifikation vor einer Woche in Costa Rica keine Argumente mehr, um an Klinsmann festzuhalten.

Der mächtige Funktionär hatte den Deutschen im Sommer 2011 verpflichtet, ihm so viel Geld, Ressourcen und Kompetenzen zur Verfügung gestellt, wie keinem anderen auf dieser Position zuvor. Doch nun musste er handeln. Zum einen aufgrund des schlechten Starts in die letzte Phase der WM-Qualifikation - die USA sind Schlusslicht der Sechser-Gruppe. Vor allem aber war selbst dem geduldigen Gutali nicht entgangen, wie harmlos, hilflos und hoffnungslos sich die US-Mannschaft beim 0:4 im Estadio Nacional von San José gezeigt hatte.

Fünf Jahre und dreieinhalb Monate nach der medienwirksamen Vorstellung des früheren deutschen Nationaltrainers mitten in Manhattan steht das Aushängeschild des US-amerikanischen Fußballs - trotz einiger Zwischenhochs - mindestens wieder genauso schlecht da, wie vor der Ära Klinsmanns. "Soccer" ist in den USA trotz großer Bemühungen immer noch eine Randsportart, das zeigte die Berichterstattung der bekannten Sportsendung "Pardon the Interruption" auf ESPN deutlich: Erst nach drei Sonntagsspielen der NFL, die bereits 24 Stunden beendet waren, und einem College-Footballspiel wurde über das Aus von Klinsmann berichtet.

"Jeden herausgefordert, über neue Wege nachzudenken"

Klinsmann hatte in seiner Amtszeit oft lautstark seine Meinung gesagt, das hat nicht jedem gefallen. Er bezeichnete die Jahre am College als "verschwendete Zeit für einen Fußballer". Die Spieler der Major League Soccer könnten international nicht wettbewerbsfähig sein, argumentierte er, wenn die heimische Liga vier Monate pausiere. Klinsmann stellte etablierten Akteuren keine Stammplatzgarantien aus und er nahm Volksheld Landon Donovan nicht mit zur WM nach Brasilien.

Klinsmann habe "jeden in der US-Soccer-Community herausgefordert, über neue Wege nachzudenken. Und dank seiner Bemühungen sind wir als Verband gewachsen und erwarten, dass wir in der Zukunft davon profitieren", schrieb Gulati in einer Pressemitteilung. Nette Worte zum Abschied. Aber als Nächstes müssen sich beide Seiten noch auf eine Abfindung einigen. Klinsmann hat noch einen Vertrag bis zur WM 2018. Sein Jahresgehalt beträgt rund drei Millionen Dollar.

Hauptkritikpunkte an Klinsmanns Arbeit waren vor allem seine ständigen Rotationen und der Einsatz von Spielern auf ungewohnten Positionen. Wenn derartige Experimente - wie beim 1:2 gegen Mexiko - schiefgingen, suchte Klinsmann die Schuld bei den Profis. Selbstkritik gab es kaum. Wenn Medien oder Öffentlichkeit Fehler sahen, sprach er davon, dass die Amerikaner "sehr resultatsbesessen" seien und nach einer Niederlage "all die guten Dinge" vergessen würden, die die Mannschaft ereicht habe. "Aber damit muss man leben", sagte Klinsmann.

Achtungserfolge gegen Italien, Mexiko und Deutschland

Klinsmann hatte versprochen, den US-amerikanischen Fußball in eine neue Ära zu führen. Er wollte auf Eigeninitiative basierenden Offensivfußball spielen lassen. Doch davon war selbst gegen schwache Gegner meist nicht viel zu sehen. Stattdessen gab es oft Kampf und Krampf. Sein Team reagierte nur, es fehlten technische und spielerische Mittel. Es sagt viel aus, dass der 35 Jahre alte Ex-Schalker Jermaine Jones nach wie vor Stammspieler ist.

Sicher, in der WM-Qualifikation gab es Siege und der Gold-Cup-Triumph 2013 war Anlass zur Hoffnung. Die USA kamen zudem erstmals zu Testspielerfolgen in Italien (1:0), Mexiko (1:0) sowie im Vorjahr nacheinander beim WM-Dritten Niederlande (4:3) und Weltmeister Deutschland (2:1).

Doch wenn es wirklich um etwas ging, wie bei der WM 2014 oder der Copa Americá Centenario in diesem Sommer, war der Abstand zu den Top-Nationen immer noch groß. Zu wenig für eine Revolution.

Quelle : spiegel.de

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