Die neuen Einreiseregeln, die US-Präsident Donald Trump auf den Weg gebracht hat, stehen weiter in der Kritik. In den Schlagzeilen gerät dabei auch eine umstrittene Praxis bei der Überprüfung von Einreisenden: das Vorzeigen von Social-Media-Konten.
Offenbar beziehen sich Schilderungen wie diese bislang auf Einzelfälle. Präsident Donald Trump ist außerdem nicht unmittelbar für den Social-Media-Check verantwortlich - seine Regierung könnte in diesem Bereich aber einen weiteren Vorstoß wagen. Das zeigen die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Praxis:
1. Ist der Check von Social-Media-Profilen eine Idee von Donald Trump?
Bestrebungen, über Social-Media-Accounts Informationen über Einreisende zu gewinnen, gab es schon unter Präsident Barack Obama. Diskutiert wurde das Thema vor allem nach dem Anschlag von San Bernardino 2015: Die pakistanische Täterin, 2014 in die USA gezogen, hatte zuvor laut FBI-Informationen in sozialen Netzwerken den Dschihad gutgeheißen. Bei Hintergrundchecks für ihr Visum sei das jedoch nicht aufgefallen. Später relativierte FBI-Chef James Comey: Auch durch den Check von öffentlichen Postings in den Netzwerken hätte man der Frau nicht beikommen können, da ihre Gesinnung eher in privaten Nachrichten deutlich geworden sei.
Praktisch hat sich seit dem Anschlag von San Bernardino bei den Einreisebestimmungen trotzdem etwas verändert - sogar für Europäer, die nur den Pass ihres Heimatlandes besitzen. Wer zum Beispiel als Deutscher für einen USA-Urlaub eine Esta-Reiseerlaubnis beantragt, kann aktuell beim Antrag "optional", also auf freiwilliger Basis, angeben, welche Social-Media-Accounts er nutzt.
Angaben in Form seines Nutzernamens machen kann man zum Beispiel für Facebook, Twitter, Instagram und YouTube. Auch mehrere Profile pro Dienst lassen sich eintragen, ebenso lassen sich Informationen zu anderen, nicht gelisteten Plattformen hinzufügen. Eingeführt wurde das Social-Media-Feld, das im Juni von der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde vorgeschlagen wurde, gegen Ende des Jahres 2016.
2. Kann ein Social-Media-Post wirklich verhindern, dass jemand einreisen darf?
Im Esta-Formular wird nicht erläutert, ob und wie Informationen, die mit den angegebenen Accounts in Zusammenhang stehen, verwertet werden. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass alle angegebenen Accounts automatisch oder gar händisch geprüft werden. Vermutlich sollen die Accounts eher Ausgangspunkt für Nachforschungen bei verdächtigen Personen sein.
In der Vergangenheit gab es bereits Fälle, in denen aus US-Sicht unliebsame Einträge in sozialen Netzwerken Einreisen verhindert haben. 2012 etwa verweigerte die US-Heimatschutzbehörde einem jungen Iren und seiner Freundin die Einreise, nachdem der Mann bei Twitter scherzhaft angekündigt hatte, er wolle "Amerika zerstören" und "Marilyn Monroe ausgraben". Der Ire wurde nach dem Hinweis eines unbekannten Tippgebers bei seiner Ankunft in Los Angeles festgenommen.
Überhaupt ist davon auszugehen, dass es in der Regel wohl erst bei der Ankunft in der USA ernst wird, nicht im Vorfeld. Es ist sogar bekannt, dass die US-Behörden immer wieder Smartphones oder Computer Einreisender konfiszieren und durchsuchen - im Zweifel lassen sich so viel privatere Informationen zusammentragen, als durch einen Blick auf den öffentlich einsehbaren Teil von Social-Media-Accounts.
Ein US-Gericht entschied 2014, dass solche Durchsuchungen legal sind, selbst wenn keine konkreten Verdachtsgründe vorliegen. Der Richter begründete seine Entscheidung damals damit, dass derartige Durchsuchungen nur selten stattfinden: Es gebe daher kein faktisches Risiko, überhaupt Ziel derartiger Maßnahmen zu werden.
Dennoch hört man immer wieder von solchen Fällen: Kürzlich etwa wurden mehrere Kanadier, die zu Trumps Amtseinführung reisen wollten, gezwungen, ihre Mobilgeräte zu entsperren und zum Durchsuchen zu übergeben. Anschließend wurde ihnen die Einreise verweigert.
3. Will Trump die bisherigen Regeln verschärfen?
Der US-Präsident selbst hat sich zu diese Frage bisher nicht geäußert. Trump-Berater Stephen Miller sagte am Sonntag auf CNN, dass die Regierung aber Pläne diskutiere, die weit über die Überprüfung von Social-Media-Accounts hinausgingen. So ziehe man die Möglichkeit in Betracht, Einreisende nicht nur nach ihrer Präsenz in sozialen Medien zu befragen, sondern auch nach "allen Webseiten, die sie aufgesucht haben". Zusätzlich wolle man die Adressbücher auf den Handys der Reisenden kontrollieren.
Von einer tatsächlichen Umsetzung sind derartige Kontrollen des digitalen Hintergrunds aller Einreisenden laut Miller aber noch weit entfernt. Sie sollen bisher nur Gegenstand von Diskussionen sein. Wie genau die Anwendung funktionieren könnte, ist zudem völlig unklar.
4. Was sollen die Social-Media-Checks bringen?
Die US-Behörden hoffen, durch die Bewertung von Social-Media-Aktivitäten mehr über die Menschen zu erfahren, die in die USA einreisen - und Terroristen leichter identifizieren zu können. "Daten aus sozialen Netzwerken zu sammeln wird die Nachforschungen erleichtern", heißt es vom US-Heimatschutzministerium im Vorschlag zur Ergänzung des Esta-Einreiseformulars aus dem Sommer 2016. Der Social-Media-Check sei ein nützliches "zusätzliches Tool für Analysten und Ermittler".
Länder wie Israel setzen schon seit Längerem auf eine intensive Überprüfung der Onlineaktivitäten von Einreisenden, unter anderem bezogen auf Konten bei sozialen Netzwerken.
5. Welche Kritik gibt es an der Idee?
Kritiker der Checks befürchten, dass der Datenschutz untergraben wird. "Eine solche Abfrage ohne klare Grenzen bietet dem Heimatschutzministerium tiefe Einblicke in das Privatleben der Antragsteller", heißt es in einem Protestbrief, den US-Bürgerrechtsorganisationen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) im August 2016 veröffentlicht hatten. Anlass waren die geplanten optionalen Esta-Angaben.
Die Idee könne dafür benutzt werden, "bestehende Listen und Datenbanken zur Verfolgung bestimmter Personen auszubauen" und so die staatliche Überwachung intensivieren, so die Bürgerrechtler weiter. Schon damals betonten sie, dass die Social-Media-Auswertung insbesondere für Muslime die Gefahr erhöhe, an der Grenze diskriminiert zu werden.
Demgegenüber stehe der geringe Nutzen des teuren Programms, bemängeln die Bürgerrechtler: Es seien viele Experten nötig, um sich durch die neu erhobenen Daten zu wühlen. Ohne ihren Entstehungskontext seien viele Beiträge in sozialen Netzwerken schlicht nicht richtig einzuordnen.
Es ist außerdem unklar, wie die US-Behörden verhindern wollen, dass Kriminelle bei der Einreise geschönte Vorzeige-Profile präsentieren und Profile, die sie unter Pseudonymen führen, verheimlichen. Öffentlich verfügbare Beiträge zu durchleuchten, dürfte Ermittler in vielen Fällen zudem nicht helfen, weil Zielpersonen kritische Informationen in privaten Nachrichten oder Postings verbergen.
Quelle : spiegel.de
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