Lawson sitzt in einer Bar im Zentrum von Logan, einem 1800-Seelen-Städtchen im Süden von West Virginia. Ein Burger, ein Budweiser - die Schicht war hart. Seine Hände sind noch schwarz. Lawson ist Kohlekumpel in einer Fabrik am Stadtrand. Eigentlich ist die Industrie am Sterben, aber seit Trumps Wahlsieg ist Lawson in Goldgräberstimmung. Er setzt darauf, dass Umweltauflagen kippen und neue Bergwerke entstehen. Er träumt davon, dass die Jobs explodieren und die Löhne steigen. Wie in alten Zeiten.
Und die Turbulenzen in Washington, die der Präsident mit seinen ersten Entscheidungen losgetreten hat? Das Durcheinander im Weißen Haus? Trumps wirre Außenpolitik? Kommen da nicht Zweifel auf?
Ach was, sagt Lawson. Alles halb so wild. "Trump muss eben jetzt mal ein paar Knöpfe drücken, damit sich was ändert. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt."
Schrei nach Veränderung
Lawsons Haltung teilen viele Menschen in Logan. Ein bisschen Schock muss jetzt sein. Logan County leidet wie kaum ein anderer Bezirk in West Virginia unter dem Strukturwandel. 5000 Jobs sind in den vergangenen zwei Jahren verlorengegangen. Menschen fliehen. Schulen schließen. Krankenhäuser machen dicht. Vier von fünf Wählern stimmten im November für Trump. Es war ein Schrei nach Veränderung.
Und jetzt krempelt Trump eben Washington um. "Genau so wollten wir das. Trump gibt uns Hoffnung", sagt Bürgermeister Serafino Noletti. "Endlich setzt es mal richtig Arschtritte und nicht nur sanfte Klopfer", sagt Armeeveteran Richard Ojeda, der an der örtlichen Highschool Führungsseminare gibt: "Wir müssen uns jetzt mal wieder um uns selbst kümmern."
Die Sätze klingen so hart und so plump, wie viele sich Trumps treueste Anhänger vorstellen. Aber in der Betrachtung von Amerika, das Trump im November zum Präsidenten machte, haben sich einige Klischees eingeschlichen, die der Wirklichkeit nur in Teilen gerecht werden.
An den Küsten, so heißt es jetzt häufig, sitze die aufgeklärte Elite, im Zentrum dagegen lebten ignorante Rassisten, die Trump auch dann wählten, wenn er über Leichen ginge. Ganz so einfach ist es nicht. Auch nicht in Logan. Bei aller Verklärung der Kohle, bei all den deftigen Sprüchen und der Euphorie über Trumps Sieg treten hier und da Schattierungen zu Tage, wenn man konkreter nachfragt. Die Mauer zu Mexiko? "Das ist doch ein Witz", meint Lawson, der Kohlekumpel. Der radikale Einreisetopp? "Wir sollten niemanden aufgrund seiner Religion diskriminieren", sagt er. "Hätte man besser machen können", sagt auch Bürgermeister Noletti. Völlig unkritisch wird auch Trump hier nicht gesehen. Das ist gut zu wissen.
"Trump muss jetzt liefern"
Der Präsident steht in Logan unter Beobachtung. "Trump muss jetzt liefern", sagt Veteran Ojeda. Der 46-Jährige sitzt am Steuer seines Geländewagens und fährt über die Hügel am Stadtrand, auf denen Häuserruinen thronen. Manche sind abgebrannt, andere sind eingebrochen. Auf den Wiesen stehen verlassene Campingwagen. Düstere Mahnmale des Bevölkerungsschwunds und der wirtschaftlichen Krise. Es ist eine Stadtrundfahrt der etwas anderen Art.
Ojeda präsentiert seinen Gästen die Misere der Stadt sehr bewusst. Er hat viel erlebt. Er hat im Irak gekämpft und in Haiti die Leichen weggeschafft. Aber das, was er jeden Tag in Logan sieht, macht ihm zu schaffen wie nichts anderes. "Schauen Sie: Obama hat einen Dreck für uns gemacht", schimpft er und zählt auf: Die Hälfte der Einwohner lebe von Sozialhilfe. Die Drogensucht steige. Jetzt sei Trump an der Reihe. "Wir haben uns für ihn verausgabt. Dafür wollen wir etwas sehen", sagt Ojeda. Neue Arbeitsplätze in der Kohle. Oder in anderen Industrien - egal. "Es sollte nur nicht so ausgehen, dass wir am Ende für 18.000 Dollar im Jahr Hühner in Käfige stecken müssen. Wenn Trump keine echten Jobs schafft, ist er nach vier Jahren weg."
Das Spannende ist: Die Euphorie, die Trump mit seinem Versprechen ausgelöst hat, ist für ihn gleichzeitig eine enorme Gefahr. Aus Sicht seiner treuesten Fans kann jetzt alles nicht schnell genug gehen. Die Löhne müssen steigen, die Kohle muss sauberer werden und neue Abbauerlaubnisse müssen her. Am besten alles auf einmal.
"Die Kohle wollen wir killen? Das ist doch Wahnsinn"
Einige haben den Aufschwung schon eingepreist. "Nach Trumps Sieg können wir uns wieder guten Gewissens neue Hosen und neue Schuhe kaufen", sagt Rupie Philipps. "Wir investieren wieder, weil wir sicher sind, dass er etwas bewegen wird." Der 48-Jährige verkauft Motoren an lokale Unternehmen und sitzt nebenberuflich für Logan im lokalen Kongress in Charleston. Sein Vater war Kumpel, die Kohle ist seine Religion. "Kohleabgeordneter" steht auf dem Nummernschild seines Geländewagens. "Gott, Waffen und Kohle" lautet sein Motto. Grüne Energie? Nein, danke.
Phillips zückt sein Handy, öffnet den Browser und präsentiert ein Schaubild: den Kohle-Baum, die Nebenprodukte der Kohleveredelung. Farbstoffe, Lacke, Bindemittel, Gummi. "Fast alles ist irgendwie mit der Kohle verbunden", sagt er. "Das wollen wir killen? Und dann? Wieder Atomkraftwerke in unsere Gärten stellen? Das ist doch Wahnsinn." Der Hund bellt. Er muss weiter.
Es ist jetzt Nachmittag und der Zug tutet mal wieder. Ed Martin sitzt in seinem Büro und blickt auf die Schienen. Er ist Herausgeber des Lokalblatts "The Logan Banner". Der Zeitung geht es überraschend gut, sie ist gerade erst in ein neues Gebäude gezogen, gleich gegenüber dem Rathaus mitten im Zentrum. Der Erfolg von Trump und der Rückhalt, den er in der Stadt hat, wundert Martin nicht. "Die Menschen hier betrachten Trump wie ein Mitglied der eigenen Familie", sagt er. "Sie finden es gut, dass er seine zentralen Wahlkampfprojekte vorantreibt. Und von einigen seiner Aktionen sind sie dermaßen begeistert, dass sie ihm seine Fehler auf anderen Feldern gerne verzeihen."
Nichts kann sie also trennen, Trump und seine Fans? Ganz so sicher ist sich Martin da dann doch nicht. "Trumps Anhänger sind mit ihm in den Flitterwochen", sagt er: "Und die enden bekanntlich irgendwann."
Quelle : spiegel.de
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