Mein Leben als Polizist

  03 Februar 2017    Gelesen: 941
Mein Leben als Polizist
Immer dann im Einsatz, wenn Krawall droht: bei Demos, Fußballspielen, Schlägereien. Ein Polizist erzählt aus seinem Beruf, der nie Alltag ist - und erklärt, wie er mit Beleidigungen und Gewalt umgeht.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. In der Serie "Das anonyme Job-Protokoll" erzählen Menschen ganz subjektiv, was ihren Job prägt - ob Tierärztin, Staatsanwalt oder Betreuer im Jobcenter.

Ich habe mir schon frühzeitig gewünscht, Polizist zu werden. Denn ich wollte keinen Bürojob, sondern jeden Tag draußen mit Menschen zu tun haben, ganz direkt. Genauso ist es gekommen. Ich bin jetzt seit fast 17 Jahren bei der Polizei Berlin und habe diese Entscheidung noch nie bereut. Aber manchmal ist für mich doch erschreckend, wie respektlos und gewalttätig uns viele Leute begegnen.

Ich bin mit einem Kollegen zum Beispiel zu einer Streiterei am U-Bahnhof Alexanderplatz gefahren. Wir konnten den Konflikt zunächst klären, der Beschuldigte ist weggegangen. Aber plötzlich dreht er sich noch mal um und ruft uns zu: "Ich schlachte euch ab!" Damit waren wir gemeint. Das haben mehr als hundert Leute gehört, und dann stellt man sich die Frage: Kann ich das so stehen lassen, dass einer die Polizei so respektlos behandelt?

Wir haben niemals das Ziel, Gewalt anzuwenden

Wir haben uns fürs Handeln entschieden. Das führte dazu, dass wir uns eine gute Viertelstunde mit diesem betrunkenen Mann auf dem Boden gewälzt haben, damit wir ihn unter Kontrolle bekommen und mit zur Wache nehmen konnten. Wenn wir zu einem Einsatz fahren, haben wir niemals das Ziel, Gewalt anzuwenden. Ganz im Gegenteil! Aber letztlich ist es bei manchem Einsatz leider unumgänglich, und ich bin gezwungen, mich diesen Situationen zu stellen und diese auszuhalten.

Wir erleben ständig Leute, die ihren Frust an uns auslassen. Sie haben keine Distanz mehr zu dem Polizeibeamten, der ihnen sagt, was sie tun sollen und an welche Regeln sie sich halten müssen. Wir werden dabei immer wieder als Hurensöhne, Wichser, Bullen-Schweine oder Bastarde beschimpft.

Solche Beleidigungen sind beinahe alltäglich. Das lässt man irgendwann nicht mehr an sich ran. Es gibt aber auch Fälle, in denen wir nicht nur beleidigt, sondern auch körperlich angegriffen werden. Da wird es gesundheitlich gefährlich, und man kommt durchaus an Grenzen.

Einige wollen einfach Krawall machen

Ich war mit der Bereitschaftspolizei zum Beispiel oft bei Demonstrationen im Einsatz. Unsere Aufgabe ist dann, die Demo zu schützen - auch vor Gegendemonstranten. Meine Kollegen und ich stehen dann oft zwischen den Lagern und bekommen jede Menge Wut ab. Wir erleben dabei immer wieder Menschen, die Gewalt ausüben, einfach um Krawall zu machen.

Bei Demonstrationen zum 1. Mai wurden wir regelmäßig mit Flaschen, Steinen und Böllern beworfen. Bei einer anderen Demonstration wurde uns ein Sprengsatz zwischen die Beine geworfen. Zwei Kollegen mussten danach ins Krankenhaus. Das sind Bilder, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Solche Vorfälle sind prägend und machen mir bewusst, wie gefährlich der Dienst bei der Polizei sein kann.

Ich kann zum Glück gut mit solchen Erfahrungen umgehen, weil wir als Kollegen viel über solche Vorfälle sprechen und diese gemeinsam aufarbeiten. Ich mache mir außerdem immer wieder klar, dass ich professionell bleiben muss. Wir üben das in sogenannten Situations-Trainings. Denn ich darf nie selbst wütend werden, nie die Nerven verlieren. Als Polizist muss ich meine Gefühle immer im Griff haben. Das ist letzlich ja auch die Grundlage professionellen und rechtstaatlichen Handelns.

In Ausnahmefällen arbeite ich bis zu 20 Stunden

Diesen Rechtsstaat aufrecht zu erhalten und zum Beispiel dafür zu sorgen, dass Menschen friedlich demonstrieren können, auch wenn sie vielleicht nicht meine Meinung und die Meinung der Mehrheit vertreten, das treibt mich in meiner Arbeit durchaus an - auch wenn der Beruf physisch und psychisch extrem anstrengend ist.

Wenn wir in Berlin zum Beispiel bei offiziellen Staatsbesuchen im Einsatz sind, arbeiten wir gelegentlich weit über das normale Dienstende hinaus, in Ausnahmefällen bis zu 20 Stunden. Natürlich kämpft man dabei auch gegen Langeweile, muss im Zweifel aber von einer Sekunde zur nächsten zu 100 Prozent präsent sein. Ich merke meist erst zu Hause, wie mich die Müdigkeit überkommt. Eigentlich bräuchte ich nach solchen Einsätzen ein bis zwei Tage Pause, aber weil es zu wenige Polizisten gibt, lässt sich das nicht immer einrichten.

Wir schieben alle jede Menge Überstunden vor uns her, bei mir sind es mit 200 Stunden noch vergleichsweise wenige. Wir arbeiten abends, nachts, an Sonn- und Feiertagen, auch Heiligabend oder Silvester, also oft dann, wenn sich andere mit ihrer Familie oder Freunden eine schöne Zeit machen. Ich habe eine kleine Tochter und möchte gerne ein guter Papa sein, aber da stoße ich mit meinen Arbeitszeiten manchmal an Grenzen.

Viele Menschen sind uns dankbar

Als Polizeihauptkommissar verdiene ich inklusive möglicher Nachtdienst- und Wochenendzuschläge ca. 2800 Euro Netto pro Monat. Das klingt zunächst nicht schlecht, jedoch bildet das Land Berlin im Bereich der Bezahlung, im Vergleich zu anderen Bundesländern, seit vielen Jahren das Schlusslicht und das trotz der stetig steigenden Anforderungen, denen wir uns als "Hauptstadtpolizei" ausgesetzt sehen.

Ungeachtet dessen gehe ich jeden Tag gerne zur Arbeit, erlebe Dinge, die viele andere Leute nur aus dem Fernsehen kennen und stelle immer wieder fest, wie viele Menschen dankbar sind, dass wir als Polizisten für sie da sind. Einige bedanken sich nach einer Demo, dass wir auf sie aufgepasst haben. Neulich konnte ich jemandem sein Handy wiedergeben, das ich einem Dieb abgenommen hatte. Der Mann hat sich total gefreut. So etwas sind die schönen Momente."

Quelle : spiegel.de

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