Klimavertrag von Paris nur „Flickwerk“

  06 Februar 2017    Gelesen: 857
Klimavertrag von Paris nur „Flickwerk“
Mit freiwilligen Beiträgen soll das Klimaproblem gelöst werden. So steht es im Vertrag von Paris. Berater des Wirtschaftsministeriums halten das für Humbug und präsentieren eine andere Lösung.
Auf Präsident Donalds Trumps langer Streichliste nimmt das internationale Klimaabkommen von Paris einen der vorderen Plätze ein. Auch die wissenschaftlichen Berater von Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) sind von dem weltweit gefeierten Klimavertrag wenig angetan. Er sei „ein Flickwerk freiwilliger Selbstverpflichtungen, die für die ferne Zukunft definiert sind und deren Durchsetzbarkeit zweifelhaft ist“, schreibt ihr Beirat in einer Stellungnahme, die an diesem Montag veröffentlicht werden soll.

Doch sie wollen das Abkommen nicht auf den Müllhaufen der Geschichte werfen, weil sie den Klimaschutz für unvernünftig und den menschengemachten Klimawandel für eine „chinesische Erfindung“ (Trump) hielten. Im Gegenteil. Sie sind besorgt, dass das vor gut einem Jahr in Paris verabredete Instrumentarium nichts taugt, um das Ziel zu erreichen, den Anstieg der Erderwärmung um zwei Grad gemessen an der vorindustriellen Zeit tatsächlich zu vermindern.

Es sei „sehr unwahrscheinlich, dass sich der Klimawandel so wirksam begrenzen lässt“, heißt es in der FAZ.NET vorliegenden Ausarbeitung. Vielmehr lade die aktuelle Situation manche Staaten zum „Trittbrettfahren“ ein. „Alle Staaten profitieren davon, wenn sich andere bei der Vermeidung von CO2-Emissionen anstrengen, doch viele sind nicht bereit, auch im eigenen Land eine ambitionierte Klimapolitik zu betreiben.“

Es braucht eine „Koalition der Willigen“

Deswegen schlägt der Beirat unter Führung des Ökonomen Hans Gersbach von der ETH-Zürich einen anderen Ansatz vor. Alle Staaten sollten sich verpflichten, weltweit einen Mindestpreis für Kohlendioxidemissionen einzuführen. Wie das Verfahren ausgestaltet werde, ob durch Steuern, Emissionshandel oder andere Mechanismen, könne ihnen überlassen bleiben.

Die Wissenschaftler belassen es nicht bei dem Rat. Sie machen auch einen Vorschlag, wie er politisch umgesetzt werden könnte. Da der auf globale Einstimmigkeit zielende UN-Prozess nicht zu einem wirksamen Klimaschutz führe, müsse der Klimaschutz durch eine „Koalition der Willigen“ initiiert und vorangetrieben werden. Diese „Koalition der Willigen“ könnten die 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G-20) sein.

Zu der Gruppe gehören unter anderen Amerika, China, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und andere große EU-Staaten, Indien, Russland und Mexiko, aber Länder wie Saudi Arabien und Indonesien. Die G-20-Staaten verantworten an die 90 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.

Idee bei Klimaforschern beliebt

Dass die Bundesregierung dieses Jahr die Führung der G-20-Staaten innehat, sieht der Beirat als eine große Chance, das Thema voranzubringen. Neben dem einheitlichen Mindestpreis für CO2-Emissionen sei es wichtig, alle Staaten am Klimaschutz zu beteiligen. Dazu könnten internationale Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen entwickelt werden. Dies sei „eine notwendige Bedingung für stabile internationale Kooperation“. Einfach wird die Forderung nicht umzusetzen sein, hatten sich doch gerade die Schwellen- und Entwicklungsländer immer gegen ein solch hartes Kontroll- und Sanktionsregime gewandt.

Der Beirat bestärkt mit seiner Stellungnahme Forderungen, wie sie unter anderem der Klimaökonom Ottmar Edenhofer seit langem erhebt. Edenhofer argumentiert unter anderem mit dem Interesse der Finanzminister. Sie könnten aus dem Verkauf der Verschmutzungsrechte oder an deren Besteuerung hohe Einnahmen erzielen. Dies könnten zum Aufbau einer klimafreundlichen – und in vielen Ländern dringend notwendigen – neuen Verkehrs- und Städtestruktur verwandt werden.

Der Beirat weist darauf hin, dass Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionsrechten nicht nur national, sondern auch international genutzt werden könnten – etwa für den Klimaschutz in armen Ländern. Ein entsprechendes Instrument für die Vergabe solcher Gelder gilt es bereits, es ist der Grüne Klimafonds“ (Green Climate Fund).

Industrie dürfte nicht begeistert sein

Ein Mindestpreis für Kohlendioxidemissionen sei sowohl mit regionalen als auch mit weltweiten Handelssystemen oder einer Steuer kompatibel, schreiben die Gutachter. Tatsächlich haben sich inzwischen rund um den Globus eine Reihe regionaler Emissionshandelssysteme etabliert. So in der EU, in manchen Staaten Nordamerikas und in Asien vor allem, aber nicht allein in China. Manche Staaten etwa Großbritannien oder skandinavische Länder erheben zusätzlich CO2-Steuern. Die G-20 könnten also auf vielfältige Erfahrungen aufsetzen.

Die 21-seitige Stellungnahme des Beirates wurde unter Federführung des Kölner Ökonomen und Spieltheoretiker Axel Ockenfels erstellt. Mitgeschrieben haben an dem Papier neben Gersbach auch der Münchener Spieltheoretiker Klaus Schmidt und Achim Wambach, der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim und Chef der Monopolkommission.

Wo die Autoren schon für eine weltweiten Mindestpreis für jede emittierten Tonne CO2 plädieren, fordern sie das folgerichtig auch für die EU. Die tut sich seit Jahren schwer damit, ihr offenkundig mit zu vielen Berechtigungsscheinen ausgestattetes Handelssystem zu reformieren. Der von den Beratern verlangte Mindestpreis wird in Kreisen der deutschen Industrie allerdings strikt abgelehnt.

Soll der Emissionshandel ausgedehnt werden?

Die Wirtschaftswissenschaftler halten es auch für erwägenswert, den Emissionshandel auf Wirtschaftssektoren auszudehnen, die heute nicht davon betroffen sind, als da wären Verkehr, Landwirtschaft und die Gebäudewirtschaft. Aktuell sind nur die Energieerzeuger und die Industrie in den EU-Emissionshandel einbezogen.

Die Gutachter gewinnen dem CO2-Mindestpreis auch für die deutsche Energiepolitik gute Seiten ab: Ohne eine Untergrenze führe die fortgesetzte Förderung erneuerbarer Energien hierzulande am Ende doch nur dazu, dass der CO2-Preis und damit auch der Strompreis falle. Bei unveränderter Emissionsmenge sei das Ergebnis lediglich, „dass die durch weitere Förderung der erneuerbaren Energien eingesparten Emissionen durch andere Emissionen ersetzt werden.“


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