Balkan-Länder fürchten Rückzug der Nato

  07 Februar 2017    Gelesen: 880
Balkan-Länder fürchten Rückzug der Nato
Viele Bosnier, Albaner und Mazedonier fürchten unter Donald Trump den Rückzug der USA aus dem Balkan und das Erstarken von Russland in der Region.
Sie sprechen von der „Trump’schen Verführung“ und sie sind enorm zornig: Das nun zumindest aufgeschobene, aber erstmal jedenfalls gekippte Einreiseverbot für Muslime (in Trumps Vokabular: „böse Menschen“ oder auch „das Böse“) hat dem US-Amerikaner in Bosnien-Herzegowina, wo die relative Mehrheit der Bevölkerung dem islamischen Glauben anhängt, keine Freunde gemacht. Die Muslime in Bosnien-Herzegowina sind eher nach dem Westen orientiert – unter anderem wegen der durch US-Präsident Bill Clinton ermöglichten Nato-Einsätze im Balkankrieg der 90er Jahre. Clinton hat auch stets versucht, die Integrität des Staates Bosnien-Herzegowina zu wahren. Die USA hat in allen Staaten versucht, liberal-demokratische Werte zu fördern: mit Geld, Worten und Projekten. In keiner anderen Region in Europa waren die USA und die Nato zudem ein derartig wichtiger Stabilisator wie in Südosteuropa. In Trumps Amerika scheint das alles keine Rolle mehr zu spielen.

Drei Staaten sind besonders fragil: Mazedonien, das von Griechenland wegen des Namensstreits boykottiert wird; der Kosovo, der von Serbien nicht anerkannt wird; Bosnien-Herzegowina, dessen Integrität Tag für Tag von der nationalistischen Führung des Landesteils Republika Srpska attackiert wird.

Bisher haben die Europäer eher ihre „Soft power“ walten lassen, die USA waren für ihre klaren Anordnungen bekannt – notfalls gespickt mit scharfen Drohungen. Diese Politik ist durch Trump nun gefährdet. Erstens, weil die USA sich unter ihm weniger engagieren wollen und dadurch ein Vakuum hinterlassen, zweitens, weil Russland dadurch automatisch stärker wird und drittens, weil die Nato an sich durch Trump geschwächt wird. Russland versucht bereits seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise, die Nato-Erweiterung auf dem Balkan zu verhindern. Der Beitritt von Montenegro steht bevor – der US-Senat hat den Vertrag aber noch nicht ratifiziert. Im vergangenen September unterstützte dann der russische Botschafter in Sarajevo, Petr Ivantsov, das verfassungswidrige Referendum im Landesteil Republika Srpska (RS). Die EU setzte in den vergangenen Jahren darauf, dass der serbische Premier Aleksandar Vucic den RS-Präsidenten Milorad Dodik in Schach halten würde. Doch Vucic ist dazu nicht mehr in der Lage. Die RS hält sich nicht mehr an den Friedensvertrag von Dayton. Der Hohe Repräsentant von Bosnien-Herzegowina, Valentin Inzko, wird seit Jahren von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen – ohne deren Unterstützung kann er keine Sanktionen setzen.

Die EU war nun nicht mal in der Lage, vor zwei Wochen Obamas letzte Aktion auf dem Balkan – Sanktionen gegen Dodik – zu unterstützen, den Hauptprotagonisten der Sezessionsbestrebungen der RS, der einen immer radikaleren völkischen Nationalismus verfolgt. Eine Abspaltung würde die gesamte Region destabilisieren und in Bosnien-Herzegowina möglicherweise sogar zu gewaltsamen Konflikten führen.

Mattis: Kosovo soll eigene Armee aufbauen

Was auf dem Balkan in den kommenden Jahren geschehen wird, hängt auch davon ab, wer zu den Einflüsterern Trumps gehört. Denn gerade weil die Trump’sche Art von Politik die Diplomatie unterhöhlt, werden Lobbyisten sehr mächtig. Entscheidend wird der neue Vize-Außenminister John Heffern sein, der für Europa zuständig ist. Es gibt auch Anzeichen der neuen US-Administration, dass sie keine neuen Grenzziehungen auf dem Balkan zulassen wird. So hat sich Verteidigungsminister James Mattis kürzlich dafür ausgesprochen, dass der Kosovo eine eigene Armee aufbauen solle. Mattis sprach sich auch dafür aus, dass die internationalen Kfor-Truppen so lange im Kosovo bleiben wie der Staat sich noch nicht selbst verteidigen kann.

Entscheidend für die Stabilität im Kosovo ist eine positive und nachbarschaftliche Haltung Serbiens. Der Balkan-Experte des EU-Zentrums CIFE in Nizza, Tobias Flessenkemper, meint, dass die „Russland-Karte“, die Belgrad immer in der Hand hatte, in dem neuen geopolitischen Gefüge einen „höheren Wert bekommen hat“. Die Nähe Trumps zu Putin sei auch gegen die bisherige euroatlantische Achse gerichtet. Premier Vucic hat in den vergangenen Monaten bereits gezeigt, dass er auch provozieren kann und nicht unbedingt den „Stabilitätsanker“ spielen wird, den die Europäer von ihm erwarten.

Mit der Ära Trump verfallen auch die moralisch-ethischen Ambitionen auf dem Balkan. Die USA unter Trump werden weniger Geld für Demokratisierungsprojekte in der Region ausgeben – oder auch für Anliegen, die für Trump keine mehr sind – etwa die Unterstützung von Frauen oder von sexuellen Minderheiten. Wer nicht ins Konzept passt, wird nicht weiter gefördert.

Das ist bereits in Mazedonien zu sehen. Das Land im geopolitischen Spannungsfeld zwischen Russland und EU schlitterte 2015 in eine schwere politische Krise. Seit Trump an der Macht ist, steht nun der US-Botschafter in Skopje, Jess Baily, unter Beschuss. Kürzlich forderte der führende Republikaner Christopher Smith eine Untersuchung gegen Baily, weil dieser sich angeblich einseitig für die oppositionellen Sozialdemokraten eingesetzt habe. Und Bailey soll auch „zu enge“ Kontakte zu NGOs unterhalten haben, die dem liberalen Philanthropen George Soros nahe stünden.

Tatsächlich war Baily in den vergangenen Jahren sehr aktiv. Gemeinsam mit der EU hatte die USA Demokratisierungsversuche unternommen, die EU-US-Zusammenarbeit in Mazedonien in den vergangenen zwei Jahren galt als beispielhaft. Die Rollen waren verteilt, wie das seit 20 Jahren funktionierte. Die EU vermittelte, die USA hauten am Ende auf den Tisch. Das ist unter Trump offenbar nicht mehr erwünscht.

Quelle:fr-online

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